Am Brandenburger Tor in Berlin wurde gegen die AfD protestiert.
Am Brandenburger Tor in Berlin wurde gegen die AfD protestiert.
REUTERS/ANNEGRET HILSE

"Alle hassen Nazis", war auf einem Plakat in Berlin vor dem Brandenburger Tor zu lesen. "Lieber solidarisch als solide arschisch", hieß es in Potsdam. Und in Essen (Nordrhein-Westfalen) wollte jemand "Nazis auf den Mond" schicken.

In Deutschland hat sich in den vergangenen Tagen der Widerstand gegen die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD verstärkt. Seit das Recherchenetzwerk "Correctiv" ein Geheimtreffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern aufgedeckt hat, bei dem über massenhafte Vertreibung von Migranten und Migrantinnen diskutiert wurde, gehen immer mehr Menschen gegen die AfD auf die Straße.

Am Wochenende taten dies in Potsdam, der brandenburgischen Landeshauptstadt, auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Die beiden haben dort ihre Wohnsitze und Wahlkreise und schlossen sich einer Demo an.

Video: Debatte um AfD-Verbotsverfahren nimmt Fahrt auf.
AFP

Für eine "wehrhafte Demokratie"

Beide könnten auch in Berlin etwas gegen die AfD tun, finden nun viele in Deutschland – nämlich einen Antrag auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD einbringen. Entscheiden über dieses müsste das Bundesverfassungsgericht, den Antrag stellen könnte die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat.

Für diese Möglichkeit spricht sich SPD-Chefin Saskia Esken aus: "Ein solches Parteienverbot unterliegt zu Recht hohen Hürden. Aber ich bin überzeugt, dass wir das immer wieder prüfen sollten. Es ist wichtig, dass über ein AfD-Verbot gesprochen wird und so auch Wählerinnen und Wähler aufgerüttelt werden." Denn, so Esken: "Die AfD verhöhnt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und will sie zerstören."

Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), denkt in diese Richtung: "Wir haben es mit einer Partei zu tun, die in drei Bundesländern (Sachsen, Sachen-Anhalt, Thüringen, Anm.) als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist", sagte er in der "Welt am Sonntag". In zwei dieser Länder – Thüringen und Sachsen – habe sie bei den Landtagswahlen im Herbst zugleich gute Aussichten, stärkste Kraft zu werden. "In einem solchen Moment sollte eine wehrhafte Demokratie die Instrumente, die ihr zu ihrem eigenen Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen", meint Günther.

Erst zwei Verbote von Parteien

In Deutschland ist erst zweimal eine Partei verboten worden: 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein 2001 gegen die NPD eingeleitetes Verbotsverfahren wurde 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. 2017 entschied das Gericht erneut über ein NPD-Verbot und lehnte dieses ab. Zwar stellte das Gericht fest, dass die NPD sehr wohl "ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt". Aber die Partei sei zu schwach, um ihre Ideen durchzusetzen.

Viele Befürworter und Befürworterinnen eines AfD-Verbots nehmen auf diese Schwäche der NPD Bezug und setzen sie in Relation zur AfD. Ihrer Ansicht nach ist die AfD mittlerweile viel zu stark, um sie noch zu ignorieren. So liegt sie in allen drei ostdeutschen Bundesländern, in denen im Herbst gewählt wird (Thüringen, Sachsen, Brandenburg), in Umfragen auf Platz eins. Bei der NPD war dies 2017 anders. Sie war zu dieser Zeit in keinem einzigen der 16 deutschen Landesparlamente vertreten – und dies auch heute nicht.

Doch es gibt auch viele Stimmen in Deutschland, die vor einem AfD-Verbot warnen. So meint FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, während eines solchen Verfahrens könnte sich die AfD "zum Opfer stilisieren". Daher gelte für die FDP im Umgang mit der AfD: "Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und wollen sie politisch stellen." Auch CDU-Chef Friedrich Merz meint, man dürfe der AfD keine Möglichkeit für eine "Märtyrerrolle" geben.

Fast eine Million Menschen haben bisher (Stand Dienstagnachmittag) auf der Plattform We Act eine Onlinepetition gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke unterschrieben. In dieser wird die Bundesregierung aufgefordert, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz zu stellen, da dieser die Meinungsfreiheit "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" missbrauche. Damit könnte Höcke die Eignung für ein öffentliches Amt abgesprochen werden. Allerdings würde so ein Verfahren wohl mehrere Jahre dauern.

Schnell hingegen verlief eine andere Trennung: "In beiderseitigem Einvernehmen" haben AfD-Chefin Alice Weidel und ihr Referent Roland Hartwig ihre Zusammenarbeit beendet. Hartwig hatte an dem Geheimtreffen mit Rechtsextremen teilgenommen. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.1.2024)