In vielen Städten dieser Welt wälzen sich am frühen Vormittag und am späten Nachmittag Blechlawinen langsam durch die Straßen. Menschen auf dem Weg in die Arbeit, nach Hause oder zum Einkaufen teilen sich den Asphalt mit Lieferfahrzeugen, Einsatzkräften, Taxis und vielen anderen. Doch der genervte Blick auf das Heck anderer Autos, die Krux mit den Baustellen und Stoßgebete in Richtung Ampel sollen einmal der Vergangenheit angehören.

In näherer Zukunft, so jedenfalls die Vision, kann man einfach abheben und ans Ziel fliegen. Möglich machen sollen das sogenannte Flugautos. Das wirft auch Fragen auf, etwa ob man dem Stauproblem vielerorts nicht besser mit einem Ausbau der Öffis begegnen könnte. Ungeachtet dessen arbeiten zahlreiche Firmen an Lösungen für Flugverkehr abseits des kommerziellen Hubschrauber- und Airlinebetriebs. Das hat sich auch auf der diesjährigen CES gezeigt, wo so manches Flugauto in der einen oder anderen Form gezeigt wurde.

In den Schlagzeilen sind dabei oft US-Hersteller oder asiatische Firmen wie Xpeng aus China, das mit Aero HT an einer Lösung arbeitet, die sich sowohl als klassisches Straßenauto als auch als Kurzstrecken-Quadcopter bewähren soll. Doch auch in Europa tut sich etwas. Mindestens neun Firmen, von relativ kleinen Start-ups bis hin zu Großkonzernen, befassen sich mit Flugautos. Vier davon kommen aus Deutschland.

VoloCity Flight Test with our Partner ADAC Luftrettung
Volocopter

Volocopter, Deutschland

Die Volocopter GmbH wurde 2007 gegründet und hat ihren Sitz in Bruchsal, Baden-Württemberg. In den letzten Monaten war die Firma immer wieder in den Schlagzeilen. Etwa Anfang 2023, als man von der japanischen Behörde für zivile Luftfahrt eine Musterzulassung für sein Modell "Volo City" erhalten hat. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Multicopter, der primär als Taxi zum Einsatz kommen soll. Die Zulassung ermöglicht weitere Tests, außerdem strebt man an, 2025 die Expo in Osaka zu bedienen. Der Volo City bietet Platz für zwei Personen, soll zunächst von einem Piloten gesteuert werden, langfristig aber in der Lage sein, Passagiere vollautonom von A nach B zu bringen. Neben dem Volo City arbeitet man auch am Volo Regio. Dieser ist nicht für innerstädtische Passagiertransporte gedacht, sondern soll Städte und ihr Umland vernetzen.

Auch in Europa will man bald durchstarten, nämlich rechtzeitig Ende Juli zur Sommerolympiade in Paris. Mit der Zulassung für den Passagierbetrieb in Europa rechnet man im Laufe des ersten Halbjahrs. Interesse gibt es auch in Deutschland selbst. So überlegt etwa der Automobilklub ADAC die künftige Anschaffung von bis zu 150 Volocoptern für sein Luftrettungsprogramm. Laut AAM Reality Index konnte Volocopter bereits rund 800 Millionen Dollar an Investorengeldern lukrieren.

Test Flight September 28: Lilium Jet Demonstrates Maneuverability
Lilium

Lilium, Deutschland

Im bayrischen Weßling bei München sitzt Lilium, das mit über 1,3 Milliarden Euro an Investorenkapital zu den hier bisher erfolgreichsten Start-ups im Flugautobereich weltweit gehört und an der US-Techbörse Nasdaq notiert ist. Zuletzt gab es gute Nachrichten. Man konnte ein strategisches Abkommen mit Fraport abschließen, in dem es um die mögliche Einrichtung sogenannter Vertiports geht, also Start- und Landeplätzen für eVTOLs (Electric Vertical Take-Off and Landing Aircrafts) wie den Lilium Jet. Dieser Siebensitzer kann dank seiner neigbaren Turbinen aus dem Stand abheben, fliegt aber wie ein Flugzeug. Fraport betreibt 28 Flughäfen weltweit, darunter auch jenen in Frankfurt, den wohl wichtigsten Luftverkehrsknotenpunkt in Zentraleuropa. Auch mit der Lufthansa hat Lilium vor einem Monat über eine Kooperation gesprochen.

Gegründet wurde Lilium 2015. Den Mitarbeiterstand gibt man heute mit über 800 Personen an, die in Europa und in den USA tätig sind. Der operative Sitz befindet sich in Amsterdam. Man will hoch hinaus und hofft, bis 2035 rund 9.200 der eigenen Flugautos verkaufen zu können. Kleinere Praxistests hat der Lilium Jet bereits hinter sich. Der erste offizielle Testflug soll heuer im zweiten Halbjahr erfolgen. Mit der Marktreife seines Produkts rechnet man frühestens 2026.

Volkswagen, Deutschland

Als erster etablierter Konzern dieser Auflistung reiht sich Volkswagen ein. Der deutsche Autoriese hat 2022 bekanntgegeben, an einer elektrisch angetriebenen Passagierdrohne zu arbeiten. Sie verfügt über zehn Rotoren, bietet Raum für vier Personen, soll künftig bis zu 200 Kilometer an Reichweite bieten und trägt den Beinamen "Flying Tiger" (nicht zu verwechseln mit dem dänischen Gemischtwarenanbieter). Entwickelt wird sie im Rahmen des "V.MO"-Programms, was für "Vertical Mobility" steht. Wermutstropfen: Die Entwicklung findet in China statt, gemeinsam mit dort ansässigen Unternehmen, insofern ist "designed in Europe" hier nur als Referenz auf den europäischen Mutterkonzern der Volkswagen China Group und die Mitwirkung europäischer Technikerinnen und Techniker zu verstehen.

Seit der Ankündigung ist es recht ruhig um das Projekt geworden. Es soll aber seitdem eine Reihe von Testflügen stattgefunden haben und mindestens eine neue Version des Prototyps entwickelt worden sein.

Ein Carplane Flugauto-Prototyp am Forschungsflughafen Braunschweig.
Ein Carplane-Flugautoprototyp am Forschungsflughafen Braunschweig.
Carplane GmbH

Carplane, Deutschland

Das 2011 gegründete Unternehmen Carplane mit Sitz in Braunschweig ist in der Liste ein Sonderling. Nicht nur weil man als einer von wenigen Flugautoentwicklern auf einen klassischen Verbrennungsmotor mit 151 PS und 100-Liter-Tank setzt. Sondern auch weil es nicht nur eine Passagierkabine gibt, sondern zwei. Ästhetisch präsentiert sich das Carplane so als eine Art flugfähiger Katamaran. War man 2020 noch mit Rollversuchen beschäftigt, so hat man laut Herstellerwebsite mittlerweile gute Testerfolge vorzuweisen und zudem die Zulassung "fast abgeschlossen".

Das Zweikabinendesign wurde auch gewählt, um den zentrierten Einbau des Motors sowie die Verstauung der Flügel zu ermöglichen, ohne den Straßenbetrieb zu beeinträchtigen. Carplane soll nicht nur behelfsmäßig anstelle eines Autos nutzbar sein, sondern dieses weitestgehend ersetzen können. Für den Flugbetrieb mit Flügen und einem Propeller soll sich die finale Version binnen 15 Sekunden "verwandeln" können. Danach soll für Start und Landung eine Strecke von 85 Metern ausreichen. Angestrebt wird eine Flugreichweite von über 800 Kilometern, die Höchstgeschwindigkeit schildert man mit 222 km/h aus. Auf der Straße soll das Carplane bis zu 176 km/h fahren können. Wann das Carplane zur Marktreife abheben könnte, steht noch nicht fest.

The Flying Car journey | PAL-V
PAL-V

PAL-V, Niederlande

Bei PAL-V ist der Firmenname ebenfalls Programm. Er steht beim Unternehmen aus Raamsdonksveer nahe Rotterdam für "Personal Air and Land Vehicle". 2008 wurde die Firma gegründet, 2012 folgte der erste Prototyp. 2020 erhielt man für die Kombination aus dreirädrigem Bodenfahrzeug und Leichthelikopter die Straßenzulassung. Das nächste Ziel ist die Fluggenehmigung. Gedacht für mittlere oder längere Pendelfahrten mit bis zu zwei Insassen erbringt der Liberty auf der Straße laut Hersteller eine Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h und soll eine Reichweite von über 1.300 Kilometern haben. Die Umwandlung zum Fluggerät soll in fünf Minuten erledigt sein. In der Luft soll die Reichweite bei 400 bis 500 Kilometern liegen. Erzielt werden soll das, jedenfalls in der ersten Generation, mit hybriden Kraftstoffen bzw. E-Fuels.

Nachdem es seit der Straßenzulassung – wohl auch pandemiebedingt – etwas ruhiger war, soll bald der nächste Schritt folgen. PAL-V hat angekündigt, dass die ersten Kunden noch heuer die Schlüssel für ihre Flugautos erhalten sollen. Zur Kundschaft zählt laut Berichten etwa der österreichische Charterfluganbieter Tyrolean Jet Services. Wer sich den Liberty aus der Nähe ansehen will, kann das derweil in München tun, wo die Firma einen Showroom eingerichtet hat.

Der Prototyp von Atea auf der Paris Air Show 2023.
REUTERS/Benoit Tessier

Ascendance Flight Technologies, Frankreich

In Toulouse geht Ascendance Flight Technologies ans Werk. Hier versucht man, ökologische Vorteile der eigenen Erfindungen hervorzuheben. Das hybrid-elektrische Antriebssystem Sterna soll neben Strom auch "nachhaltigen Flugzeugkraftstoff" oder Wasserstoff verwenden und im Vergleich zu anderen Antrieben bis zu 40 Prozent an Emissionen einsparen. Atea, das erste Flugauto von Ascendance, soll Passagiere und Fracht mit bis zu 80 Prozent CO2-Ersparnis, gemessen an herkömmlicher Luftfahrt, transportieren.

Ausgestattet mit Sterna sowie weiteren acht in die vier Flügel eingebauten Rotoren sollen maximal 400 Kilogramm Nennlast bewegt werden. Platz wäre für bis zu vier Passagiere plus Pilotin oder Pilot. Die Reichweite wird mit 400 Kilometern angegeben, es soll dabei eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h erreichen. Man versteht sich vor allem als Alternative zu Helikoptern, insbesondere wenn es um medizinische Notfalleinsätze geht. Ebenso will man direkte Stadt-zu-Stadt-Flüge ohne Umweg zum Airport ermöglichen oder das Reisen zwischen Inseln erleichtern.

2023 - Presentation ATEA
Ascendance

Das 2018 von ehemaligen Airbus-Mitarbeitern gegründete Unternehmen arbeitet für die Entwicklung mit dem 3D-Druck-Spezialisten Dassault Systèmes zusammen und präsentierte auf der Paris Air Show im vergangenen Jahr einen Prototyp von Atea. Heuer soll dieser erstmals abheben. Laut Angaben von Juni 2023 sind für Atea mittlerweile über 500 Vorbestellungen eingegangen. Gemeinsam mit dem Flugzeughersteller Daher arbeitet man außerdem an der Entwicklung eines Kleinflugzeugs mit hybridem Antrieb.

CityAirbus NextGen
Airbus Helicopters

Airbus, Frankreich

An elektrischer Luftfahrt ist der französische Airbus-Konzern schon länger dran. 2015 gelang der ersten Version des Elektrofliegers E-Fan erfolgreich die Überquerung des Ärmelkanals. Die 76 Kilometer von Lydd nach Calais bewältigte der Pilot Didier Esteyne in 36 Minuten. Seitdem hat sich natürlich einiges getan. Das aktuelle Projekt im Bereich Flugautos trägt den eher sperrigen Namen "City Airbus Next Gen". Es handelt sich um einen vollständig elektrisch fliegenden Viersitzer für Luftnahverkehr. Die Reichweite wird mit 80 Kilometern ausgeschildert, die Höchstgeschwindigkeit mit 120 km/h.

Konzeptuell gibt es Ähnlichkeiten zu Atea von Ascendance. Es handelt sich um einen viersitzigen Starrflügler, der mit acht Propellern – allerdings an nur zwei Flügeln befestigt – vertikal abhebt. Unter dem Namen Vahana arbeitet man auch einer kleineren Lösung für eine Person. In den letzten beiden Jahren vermeldete man vor allem die Zusammenarbeit mit neuen Zulieferern und kündigte eine Kooperation mit dem Münchner Flughafen und der Deutschen Bahn an. Zuletzt testete man im eigenen Fluglabor ein neues Helikoptersteuersystem, das auch im City Airbus zum Einsatz gelangen soll.

In Norwegen und Estland gibt es bereits Interesse von Rettungseinsatzkräften. Testflüge könnten heuer beginnen, mit dem Start eines Zulassungsverfahrens rechnet man frühestens 2025. Der kommerzielle Start ist aktuell für die zweite Hälfte des Jahrzehnts angedacht.

Dufour Aerospace X2.2 Full Transition Dec 4, 2023, Zürich/Dübendorf - Winter Wonderland
Dufour Aerospace

Dufour Aerospace, Schweiz

Auf Dübendorf und Visp in der Schweiz verteilen sich die Standorte von Dufour Aerospace. Hier hat man in einem ersten Schritt die Drohnenplattform Aero2 entwickelt. Sie soll mittels rotierbarer Flügel mit hoher Beweglichkeit glänzen. Der nächste Schritt des 2017 gegründeten Unternehmens heißt dann Aero3. Mit diesem soll die Technologie skaliert werden und in ein achtsitziges Gerät verbaut werden, welches "das Beste aus Flugzeugen und Helikoptern vereinen" soll. Sprich: Man will vertikalen Take-off mit schneller Fortbewegung kombinieren. Man strebt mittels hybriden Antriebs eine Flugzeit von bis zu drei Stunden bzw. eine Reichweite von rund 1.000 Kilometern bei einer Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h an. Die maximale Passagier- bzw. Frachtlast wird mit 750 Kilo angegeben.

Aero2 wird bereits eifrig getestet und soll 2025 Marktreife erreichen. Vorbestellungen gibt es schon, letztes Jahr reservierte sich etwa der US-amerikanische Drohnenserviceanbieter Spright 40 Stück der unbemannten Fluggeräte, nebst einer Option auf 100 weitere. European Medical Drone bestellte elf Drohnen. Mit Swiss Helicopters ging man eine strategische Partnerschaft ein, die auch die Lieferung von zehn Aero2s beinhaltet.

Der Sightseeinganbieter Copenhagen Helicopter und der Lufttaxiservice Copenhagen Airtaxi haben eine Absichtserklärung zum späteren Ankauf von Aero2 und Aero3 unterzeichnet. 2022 gab Blueberry Aviation bereits einen Auftrag über je 100 Stück beider Modelle ab. Über einen etwaigen Marktstart des Aero3 macht man noch keine öffentlich verfügbaren Angaben.

The flying car completes first ever inter-city flight
KleinVision

Klein Vision, Slowakei

2017 wurde Klein Vision ins Leben gerufen, wobei der Gründer – Stefan Klein – schon 1989 in einer universitären Arbeit ein Flugautokonzept erarbeitete. In den letzten sechs Jahren ist am Firmensitz in Nitra einiges weitergegangen, und es gibt ein Produkt herzuzeigen, das sich bei Praxistests schon bewähren konnte. Das sehr sachlich benannte "Aircar" absolvierte schon im Juni 2021 erfolgreich einen Probeflug vom Flughafen Nitra zum Flughafen Bratislava. Die 70 Kilometer Luftlinie bewältigte man in 35 Minuten. Anfang 2022 gaben schließlich die slowakischen Behörden offiziell ihren regulatorischen Segen für den Luftverkehr. Damit ist das Aircar das erste Flugauto Europas, das diese Hürde nehmen konnte.

Die fünfte Iteration des Aircar kommt auf ein Gewicht von 1,1 Tonnen, bietet zwei Sitze und kann insgesamt bis zu 200 Kilogramm an Zulast transportieren. Zum Einsatz kommt ein 1,6-Liter-Motor von BMW, mit dem eine Leistung von 140 PS erzielt wird. Die geschätzte Reichweite liegt bei 1.000 Kilometern bei einem Spritverbrauch von 18 Litern pro Stunde und einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h (Stand 2020). Die Transformation vom Auto zum Flugzeug erfolgt binnen drei Minuten. Das Aircar benötigt eine Anlaufstrecke von 300 Metern für den Take-off und 50 Meter für die Landung.

Die nächste Version sollte einen mit den Anforderungen der europäischen Luftfahrtbehörde vereinbaren 300-PS-Motor mitbringen. Laut Klein, der auch selbst als Testpilot fungiert, gab es bereits einen Käufer für die Erfindung. Fahren bzw. fliegen soll das Aircar künftig vor allem in Gegenden mit schlecht ausgebautem Straßennetz. Bis es so weit ist, dürften laut dem Gründer aber noch ein paar Jahre vergehen. Er gab gegenüber dem SRF auch schon eine erste Kostenschätzung ab, laut der das Aircar zum Marktstart umgerechnet zwischen 530.000 und über eine Million Euro kosten wird. (gpi, 20.1.2024)