Olga Voglauer macht keinen Hehl daraus, was sie von der für Freitag angekündigten Demonstration der Bauern auf dem Wiener Ballhausplatz hält. "Es ist eine Veranstaltung der FPÖ. Das muss allen klar sein." Die Landwirtschaftssprecherin der Grünen sieht darin reine Parteipolitik. Dass sich daraus wie in Deutschland eine breite Protestbewegung entwickelt, bezweifelt sie.

Tausende Traktoren fuhren in Deutschland auf. Dass die breite Welle der Proteste auf Österreich überschwappt, bezweifeln Agrarexperten.
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Karin Doppelbauer, die wie Voglauer einen kleinen Biobauernhof führt, versteht die Unzufriedenheit vieler Landwirte über eine "verfehlte Agrarpolitik der ÖVP". Mit Aufrufen der FPÖ zu Ausschreitungen sei aber keinem geholfen. "Ihr Ziel ist Spaltung und Chaos." Damit verbaue man sich konstruktive Wege.

Von Trittbrettfahrern deutscher Emotionen ist in der ÖVP die Rede. Leuchtfeuer in Berlin würden genutzt, um auch in Österreich zu zündeln, sagt Bauernbund-Präsident Georg Strasser im STANDARD-Gespräch. "Landwirte werden instrumentalisiert und ihre Anliegen für parteipolitische Zwecke missbraucht."

"Wahlkampf"

Auch wenn einzelne Kritikpunkte der Rädelsführer berechtigt seien, rechtfertige dies keine Demonstration, sagen landwirtschaftliche Funktionäre, die bezweifeln, dass man mit dem Aufmarsch der Traktoren auf fruchtbaren Boden stoße. Vielleicht wolle die FPÖ ja Bauern retten, meint Ferdinand Lembacher, Generalsekretär in der Landwirtschaftskammer, trocken. Realistischer sei Wahlkampf.

Was Österreich mit Deutschland verbindet, ist die getrübte Seele der Bauern. Vielen fehlt jede wirtschaftliche Perspektive. Die Branche bewegt sich seit Jahren in einem ökonomischen und gesellschaftlichen Spannungsfeld.

Ihre Auflagen und die damit verbundenen Kosten steigen, sei es im Umweltschutz oder für die Haltung von Nutztieren. Auch gut ausgebildeten Agrarökonomen wächst rund um den Green Deal, der die EU klimaneutral machen soll, die Bürokratie über den Kopf.

Fehlende Perspektiven

Der Anteil am Preis ihrer Lebensmittel, den Landwirte erhalten, stagniert auf niedrigem Niveau. Nur ein kleiner Teil der Gesellschaft ist bereit, für nachhaltigere Produktion mehr zu zahlen. Die öffentliche Hand ist bei der Beschaffung von Bio- und Tierwohlprodukten für ihre Institutionen seit Jahren säumig. Als Subventionsempfänger und Tierquäler abgestempelt, verspüren viele Junge wenig Lust, Höfe ihrer Eltern zu erhalten. Jedes Jahr geben in Österreich 1000 Betriebe auf.

Bauerneinkommen erlebten zwar in den Jahren 2021 und 2022 Ausreißer von bis zu 42 Prozent nach oben. Im Zehn-Jahres-Vergleich aber stagnierten sie und rutschten unter das Niveau durchschnittlicher Arbeitnehmer. Im Vorjahr brachen sie um geschätzte 20 Prozent ein. Belastbare Zahlen stehen noch aus. Zukunftsängste quälen Bauern quer durch die EU. Mit Deutschland, wo sich Proteste am Agrardiesel entzündeten, lässt sich Österreichs Agrarökonomie dennoch nicht vergleichen.

Deutschland beschnitt das Budget der Bauern im Rahmen von 14 Maßnahmen. Anders als den Österreichern blieb ihnen etwa ein gutes Viertel der Direktzahlungen verwehrt.

In Österreich wurde das nationale Agrarbudget deutlich aufgestockt. Über Bund, Land und EU flossen 2022 rund 2,76 Milliarden Euro in die Landwirtschaft, um 14 Prozent mehr als im Jahr davor. Für 2024 sind mehr als drei Milliarden Euro vorgesehen. In Summe machen Direkt- und Ausgleichszahlungen gut 70 Prozent der bäuerlichen Einkommen aus.

Politische Schlagkraft

Mit ÖVP und Grünen sind Landwirte hierzulande im Gegensatz zu Deutschland tief in der Regierung verankert. Auch wenn sie nur 1,7 Prozent der Bevölkerung und 3,5 Prozent der Erwerbstätigen stellen, ist ihr politisches Gewicht enorm. Allein der Bauernbund zählt mehr als 230.000 Mitglieder, von der Landjugend als Gehschule für Funktionäre nicht zu sprechen. Um gegen die eigene Partei groß ins Feld zu ziehen, die es ohne die Landwirte, überspitzt gesagt, nicht gäbe, bräuchte es stärkere Netzwerke als jene der Freiheitlichen.

Einen Ausstieg aus dem Green Deal will die FPÖ. Dies sei nur über einen Ausstieg aus der EU möglich, was die Versorgungssicherheit gefährde, sagt Strasser. Voglauer nennt den FPÖ-Appell verfehlt: Keine Branche sei stärker vom Klimawandel betroffen als die Landwirtschaft. Den Green Deal zu kappen hieße, sich der Turboagrarindustrie auszuliefern.

Die Forderung nach dem Erlass der Sozialversicherungsbeiträge stößt weder bei ÖVP noch bei den Grünen auf Verständnis. "Die Bauernpensionen zu kürzen kann nicht die Lösung sein", sagt Voglauer. "Wer Leistungen will, muss auch ins Sozialsystem einzahlen", ergänzt Strasser. Was den Importstopp für billiges Getreide aus der Ukraine betrifft, das die Märkte verzerrt, differenziert er. Dieses müsse dort ankommen, wo es gebraucht werde, und dürfe nicht in Europa hängen bleiben. Dafür brauche es jedoch EU-weite Lösungen.

Für eine Streichung der Mineralölsteuer für Agrardiesel, die der FPÖ vorschwebt, sei eine Einigung mit dem Koalitionspartner nötig. Diese sei im Übrigen auch unter Schwarz-Blau nicht geglückt. (Verena Kainrath, 18.1.2024)