Eigentlich geht es nur darum, dass die Punkte am Bildschirm einander nicht zu nahe kommen. So beschreibt Ronald Brat seinen Arbeitsalltag. Aus seinem Mund klingt es simpel, doch es geht um zahllose Menschenleben. Brat arbeitet als Fluglotse bei der österreichischen Flugsicherung Austro Control – und uneigentlich stehen diese Punkte für Flugzeuge, zudem bewegt sich auf den sechs Bildschirmen vor ihm permanent etwas.

Setzt man einen Laien, etwa einen Journalisten, an einen solchen Arbeitsplatz, dominiert die Reizüberflutung. Hier verschiebt sich eine Liste mit Codes, da rollt ein Flieger, dort blinkt etwas, und andauernd will jemand starten oder landen. Die Arbeit im Tower ist gleichermaßen stressig wie entscheidend, denn Pilotinnen und Piloten dürfen nur machen, was Lotsen wie Brat freigeben. Pro Stunde steht er mit bis zu 60 Maschinen in Kontakt, um diese zu koordinieren.

Als Fluglotse arbeitet man etwa 90 Minuten am Stück, danach gibt es eine verpflichtende Pause.
Austro Control

Mit 55 in den Ruhestand

Allzu viel ist nicht bekannt über diesen irgendwie "unsichtbaren" Job, doch er bietet interessante Rahmenbedingungen. Die Arbeitswoche umfasst 32,5 Stunden, das Einstiegsgehalt liegt bei 6600 Euro brutto (exklusive diverser Zulagen), und mit 55 Jahren geht es in den Ruhestand. Ab dann sinkt laut Austro Control die notwendige Leistungsfähigkeit. Allerdings muss man sich als Fluglotse mit Schichtdienst anfreunden. "Ein Arbeitstag dauert 12,5 Stunden, durcharbeiten ist nicht möglich. Der Job erfordert viel Konzentration, deswegen müssen nach 90 Minuten 20 Minuten Pause gemacht werden", erzählt Brat.

Idealalter 18 bis 25

Wie also sieht der Weg hin zur Flugzeugkoordination aus? In erster Linie darf die Entscheidung dafür nicht zu spät fallen. "Unsere Zielgruppe beginnt bei 18-jährigen Maturantinnen und Maturanten, das Idealalter geht bis 25", sagt Unternehmenssprecher Markus Pohanka. Die Altersgrenze hänge mit dem verhältnismäßig frühen Ruhestand und der Ausbildung, die mindestens drei Jahre dauere, zusammen. Hohe Leistungsfähigkeit sei ein wichtiges Kriterium, meint Pohanka.

Einer, der seit einigen Jahren junge Fluglotsen in spe ausbildet, ist Sampo Paljakka. Er hat in der Logistikbranche gestartet, doch die war ihm auf Dauer zu langweilig, deswegen habe er zur Austro Control gewechselt. "Wir haben beim Nachwuchs keine konkrete Zielgruppe. Vieles, das es braucht, kann man kaum lernen", sagt Paljakka. Hohe Stressresistenz, Multitasking, Entscheidungsfreude, räumliches Vorstellungsvermögen und pingelige Genauigkeit, ohne diese Eigenschaften ginge es nicht.

Sampo Paljakka (rechts) versucht, dem Redakteur die Arbeit als Fluglotse zu erklären. Zum Glück nur am Simulator, es herrscht Reizüberflutung.
Peter Schmidt

Das mehrstufige Auswahlverfahren, um die Ausbildung beginnen zu können, ist streng. Um die jährlich notwendigen 40 Traineeplätze zu besetzen, braucht Austro Control 800 bis 1000 Bewerbungen. Man spezialisiert sich dann in einem von drei Bereichen: An- und Abflugkontrolle, Überflugskontrolle oder Tower. Unterrichtet werden die künftigen Lotsen größtenteils im dritten Bezirk in Wien, wo die beste Infrastruktur zur Verfügung steht. Am Monitor können alle Wetter- und Problemsituation simuliert werden, damit in der Praxis nichts passieren kann, was nie geübt wurde.

Keine Überraschungen

Überrascht seien Fluglotsen von Situationen selten, heißt es, doch man müsse blitzschnell entscheiden. Etwa wenn das Wetter umschlägt oder ein Passagier an Bord erkrankt. Letzteres gehört zu den häufigsten Notlagen, dann muss der Luftraum geräumt, Flugzeuge müssen umgeleitet werden, der ganze Plan wird durcheinandergeworfen.

Wie viel Planung und Koordination der Job braucht, zeigt beispielsweise eine Zahl vom Juli 2023. Damals haben an einem Tag 3936 Flugzeuge Österreich überflogen, so viele waren es zuvor noch nie.

Und auch wenn viel Routine und Übung im Job steckt, laufende Weiterbildungen braucht es trotzdem: "In 15 Jahren habe ich fünf Umschulungen gemacht", erzählt Lotse Ronald Brat. Er sei sich überdies sicher, dass künstliche Intelligenz künftig eine wichtige Rolle spielen werde – wie künftige Veränderungen aussehen werden, könne er aber nicht einschätzen. Dass die Technik das Berufsbild der 350 Lotsinnen und Lotsen (ein Viertel sind Frauen) noch weiter verändern wird, darüber sind sich aber alle einig.

Das Auswahlverfahren ist streng. Um 40 Trainee-Plätze zu besetzen, braucht Austro Control 800 bis 1.000 Bewerbungen.
Austro Control

Veränderungen in der Chefetage

Veränderungen gab es kürzlich auch in der Chefetage der Austro Control. Ohne ganz offensichtlichen Grund löst ab Mai Elisabeth Landrichter, bisher Beamtin im Klimaministerium, Valerie Hackl ab. Landrichter wurde von Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) für fünf Jahre bestellt – was der Ministerin Kritik einbrachte. Sie solle Landrichter den Posten verschafft haben, um ihre bisherige Funktion als stellvertretende Leiterin der Verkehrssektion und Leiterin der Gruppe Luftfahrt für eine persönliche Vertrauensperson freizuräumen.

Damit, dass die Punkte auf dem Bildschirm nicht zusammenstoßen, hat das allerdings wenig zu tun. (Andreas Danzer, 22.1.2024)