Constantin Möstl träumt vom EM-Semifinale mit dem Handballteam.
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Fast achteinhalb Millionen Menschen, die fast eineinhalb Stunden lang den Kopf schütteln? Klingt nach einer ungewöhnlichen Story. Ein 23-jähriger Österreicher, der den allermeisten der achteinhalb Millionen bis vor kurzem gar nichts gesagt hat, als Verursacher des Kopfschüttelns? Klingt nach einem Märchen. Es ist das Märchen von Constantin Möstl, dem Tormann des Handball-Nationalteams, das bei der EM für Furore sorgt, noch unbesiegt ist und vom Semifinaleinzug träumen darf.

Das 22:22 gegen die deutschen Gastgeber war der bisherige Gipfel des Laufs, der auch tolle TV-Quoten brachte. Bis zu 725.000 waren via ORF dabei, mehr als 7,7 Millionen via ARD. Sie alle und die 20.000 in der Kölner Lanxess Arena schüttelten über Möstl ihre Köpfe. Der Wiener hielt 47 Prozent der Würfe auf sein Tor – eine exorbitante Quote. Selbst Deutschlands Goalie Andreas Wolff, der vielen als weltbester Vertreter seines Faches gilt, zog den Hut: "Wir sind an Möstl verzweifelt." Den nennen sie jetzt einen Hexer, einen Magier.

Begabung in der Wiege

Mit all dem war so nicht zu rechnen. Gut, Begabung und Begeisterung lagen vielleicht bereits in der Möstl-Wiege. Schon Vater Werner war Teamtorhüter, mit Westwien viermal Meister und international erfolgreich. Doch Constantin begann als Feldspieler, machte sich da sogar richtig gut. Ein Wachstumsschub und ein Turnier in Slowenien ließen ihn mit 15 ins Tor wechseln. Der Einsergoalie hatte abgesagt, also stellte sich Constantin zwischen die Stangen. Und da blieb er auch. Ein erster großer Erfolg war der Schüler-WM-Titel des ORG Maroltingergasse, eines Leistungszentrums mit fünfjähriger Oberstufe, die genügend Zeit fürs Training lässt.

Vor einem halben Jahr bejubelte Möstl, mittlerweile 1,86 Meter groß, den Meistertitel. Es war Westwiens erster seit 1993, er änderte nichts am Zwangsabstieg aus finanziellen Gründen. Der Goalie übersiedelte ebenfalls, zum Vorarlberger Spitzenverein Alpla Hard. Auch da wurde er zum Liebling der Fans, die seine Emotionalität und Offenherzigkeit mögen. Was ihm am Remis gegen Deutschland taugte? "Es ist unbeschreiblich, wenn man einen Ball hält, und auf einmal sind 20.000 Deutsche ruhig." Möglich, dass er das bald anders sieht. Sollten deutsche Spitzenvereine schon bald um den Senkrechtstarter werben, wäre das keine Überraschung. Nur das nächste Kapitel des Möstl-Märchens. (Fritz Neumann, 21.1.2024)