Die Medien sind gespickt mit Berichten über oder sogar mit Zitaten aus Ermittlungsverfahren, Anklagen und Urteilen. Bei wichtigen Verfahren wird sogar live getickert. Die Online-Foren bersten vor unterschiedlichen User-Meinungen. Strafverfahren polarisieren. Die ersten Blogeinträge sind den Hauptdarstellern, den "Stars" jedes Strafverfahrens gewidmet. Die Protagonisten des Strafverfahrens sind zweifellos die Staatsanwaltschaft, die Richter:in, die Strafverteidiger:innen und freilich auch die Angeklagten sowie manche (Kron-)Zeug:in. Die Staatsanwaltschaft ist Partei jedes Strafverfahrens und somit nicht nur medial oft im Fokus.

Die Staatsanwaltschaft hat ihre gesetzliche Grundlage in der Strafprozessordnung und dem Staatsanwaltschaftsgesetz. Es gibt vier Oberstaatsanwaltschaften, 17 Staatsanwaltschaften und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (allgemeinhin bekannt als WKStA). Die WKStA ist für einen festgelegten Katalog an Vergehen und Verbrechen mit wirtschaftlichem Hintergrund zuständig, wobei bei den wichtigsten Tatbeständen eine Wertgrenze von mindestens fünf Millionen Euro überschritten werden muss. Ob Wirtschaftsdelikte unter dieser Grenze weniger komplex sind, ist fraglich.

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Ein wichtiger "Key-Player" in unserem Rechtssystem ist die Staatsanwaltschaft – doch in Bezug auf die gelebte Praxis gibt es Kritik und den Vorwurf, ergebnisorientiert zu agieren.
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Das Strafverfahren ist grob in das Ermittlungs-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren geteilt. Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwält:in. Um Staatsanwält:in zu werden, muss man sich für das Richteramt qualifizieren. Anders ausgedrückt: Im Zuge der Richterausbildung kann man sich für die Tätigkeit als Staatsanwält:in entscheiden und auch später ins Richteramt wechseln (oder umgekehrt). Somit sind diese beiden Berufe auch fachlich eng verknüpft. Aufgrund des hohen Bedarfs an Staatsanwält:innen starten Berufsanwärter:innen in der Regel bei der Staatsanwaltschaft.

Pflichten der Staatsanwaltschaft

Das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft ermitteln und endet durch Einstellung beziehungsweise Rücktritt oder durch gerichtliche Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft entscheidet zwar, ob Anklage einzubringen, von der Verfolgung zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen ist. Die Staatsanwaltschaft ist aber gesetzlich verpflichtet, jeden ihr zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat aufzuklären. Die oft geäußerte Kritik an der Staatsanwaltschaft, mutwillig Ermittlungshandlungen zu setzen, steht in einem Spannungsverhältnis mit dieser gesetzlichen Vorgabe. Die Staatsanwaltschaft haftet übrigens nicht für Schäden, die aufgrund der unterbliebenen Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch künftige Straftaten der vormals Beschuldigten entstehen. Dabei handelt es sich um "bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens". Durch die Einbringung der Anklage geht die Verfahrensleitung auf das Strafgericht über.

Die Staatsanwaltschaft unterliegt – gleich wie das Gericht und die Kriminalpolizei – der bedeutungsschwangeren Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit. Es müssen alle Beweise auf breitester Grundlage erhoben werden, die den wahren Sachverhalt aufklären können. Dazu zählen vor allem angebotene, aber auch zu erforschende Erkenntnisquellen. Diese Pflicht wird aber bei der Staatsanwaltschaft oft eher stiefmütterlich behandelt. Schließlich muss das Strafgericht diesen Grundsatz ohnehin selbst im Hauptverfahren wahren, bei sonstiger Anfechtbarkeit des Urteils wegen Mangelhaftigkeit des Hauptverfahrens.

Die Staatsanwaltschaft "gewinnt" nicht

Die Staatsanwaltschaft wird kritisiert, wenn entlastende Ermittlungshandlungen oder -ergebnisse nicht mit der gleichen Intensität verfolgt oder berücksichtigt werden, wie belastende Beweise. Der Vorwurf dabei lautet, dass die Staatsanwaltschaft hier oft strategische Entscheidungen trifft, um eine Verurteilung zu erreichen, obwohl dieses "Ziel" gesetzlich gar nicht vorgesehen wäre. Grundsätzlich könnte der Staatsanwaltschaft egal sein, ob der Angeklagte verurteilt oder freigesprochen wird. Kritiker:innen entgegnen aber, dass Staatsanwält:innen oft ergebnisorientiert handeln und eine Verurteilung als Erfolg werten würden. Eine solche subjektive Zielsetzung würde in einem Spannungsverhältnis zur Pflicht der Staatsanwält:innen stehen, unparteilich, unvoreingenommen und unbefangen zu agieren. Eine derartige Erwartungshaltung lässt sich auch in Teilen der Bevölkerung beobachten, wenn etwa bei einem Freispruch oft von einer "Niederlage" der Staatsanwaltschaft gesprochen wird.

Dabei wird die Anklage schon dann erhoben, wenn eine Verurteilung "naheliegt". Es ist somit eine bloße Einschätzung der Staatsanwaltschaft auf Basis des ermittelten Sachverhalts. Ob diese Einschätzung letztendlich auch vom Gericht geteilt wird, ist offen. Auch für die Staatsanwaltschaft gilt ein altes, religiöses Sprichwort: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."

Frage der politischen Einflussnahme

Der Staatsanwaltschaft wird oft vorgeworfen, politisch motiviert zu agieren. Grundsätzlich fehlt es an einem Beleg, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Gesamtheit aus politischen Gründen handelt. Natürlich sind auch Staatsanwält:innen nur Menschen, die in manchen Fällen möglicherweise etwas motivierter ermitteln als in anderen.

Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Staatsanwaltschaft den Weisungen der Bundesministerin für Justiz unterliegt. Sofern die Bundesministerin eine Weisung erteilt, ist der Erledigungsvorschlag dem sogenannten Weisungsrat vorzulegen, der bei der Generalprokuratur eingerichtet ist. Sofern die Bundesministerin die Rückmeldung des Weisungsrates nicht berücksichtigt, sind der National- und Bundesrat zu informieren (der Weisungsbericht des BMJ für das Jahr 2021 ist hier abrufbar). Somit ist eine gewisse Kontrolle der Weisungen durchaus vorhanden. Die Rufe nach einer unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft werden dennoch lauter. Die Umsetzung scheitert derzeit aber an politischen Hürden. Während die amtierende Justizministerin für eine Dreierspitze votiert, möchte die ÖVP eine Einzelspitze. Somit wird hier bereits im Anfangsstadium versucht, Einfluss auf eine erst zu bestellende, unabhängige Behörde zu sichern.

Kritik und rechtliche Grenzen

Es gibt weitere Kritik an der Staatsanwaltschaft. Dazu gehört beispielhaft der Vorwurf der Behinderung der Verteidigung bei Ausübung ihrer Rechte. So wurde schon mehrfach der Vorwurf erhoben, die Staatsanwaltschaft würde "Schattenakten" führen. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft nimmt bestimmte Beweise nicht in den Ermittlungsakt auf, in den die Beschuldigten Einsicht nehmen können, sondern halten Beweise in einem geheimen "Schattenakt" zurück. Zwar steht den Beschuldigten der sogenannte Einspruch wegen Rechtsverletzung zu, wenn die Ausübung eines Rechtes nach der StPO verweigert oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde. Bis aber die Rechtsverletzung vom Gericht festgestellt wird, vergeht viel Zeit. Das Kalkül der Staatsanwaltschaft geht auf. Zudem kann die Uhr nicht zurückgedreht werden. Die Feststellung einer Rechtsverletzung hat daher oft nur formalen Charakter.

Abschließend muss man der Staatsanwaltschaft zugestehen, dass ein gesetzlicher Rahmen und Auftrag zur Strafrechtspflege vorliegt und die Staatsanwält:innen diesen Auftrag erfüllen müssen. Dabei werden die gesetzlichen Grenzen durchaus ausgelotet und teilweise auch überschritten. Eine ausreichende gerichtliche Kontrolle ist daher zwingend notwendig. Die Verteidiger:innen müssen oft als Gegenspieler die Handlungen der Staatsanwaltschaft beschwerlich bekämpfen. Schlussendlich kann aber in kleinen Schritten eine Verbesserung eintreten, wie etwa jüngst durch die Bestätigung der Verteidigerkritik an der Verfassungswidrigkeit der laxen gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherstellung von Mobiltelefonen. Im nächsten Blogeintrag soll noch näher auf die Rolle des Gegen- (oder manchmal Mit-)Spielers der Staatsanwaltschaft eingegangen werden, die der Verteidiger:innen. (Bernhard Campara-Kopeinig, 1.2.2024)