Die EU-Staaten haben sich auf einen Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer geeinigt. Das teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Montagabend nach einem Außenministertreffen in Brüssel mit. Der Einsatz soll nach Angaben von Diplomaten kommenden Monat starten und die Angriffe von militant-islamistischen Huthi aus dem Jemen beenden.

Die Miliz will mit dem Beschuss von Schiffen ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen, die auf das beispiellose Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober folgten. Nach den derzeitigen Planungen wird der EU-Einsatz vorsehen, europäische Kriegsschiffe und luftgestützte Frühwarnsysteme zum Schutz von Frachtschiffen in die Region zu entsenden. Eine Beteiligung an den US-Angriffen gegen Huthi-Stellungen im Jemen ist jedoch nicht geplant.

Angesichts der Gefahren meiden große Reedereien zunehmend die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa durch das Rote Meer und den Suez-Kanal. Das hat mittlerweile erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die USA und Großbritannien haben zuletzt Ziele der Huthi im Jemen proaktiv angegriffen.

Unterschiedliche Zielsetzungen

Worum es seinem Land bei dem montäglichen Treffen mit EU-Kolleginnen und -Kollegen sowie Außenministern aus dem arabischen Raum in Brüssel vor allem geht, stellte Israels Chefdiplomat gleich nach seiner Ankunft im Ratsgebäude klar. Neben Fotos verletzter Frauen, die seit dreieinhalb Monaten von der Terrorgruppe Hamas im Gazastreifen als Geiseln gehalten werden, hielt Israel Katz ein Bild von Kfir Bibas in die Kameras der anwesenden Pressefotografen.

Israels Außenminister Israel Katz erinnert seine Kolleginnen und Kollegen an das Schicksal der verschleppten Israelis im Gazastreifen.
Israels Außenminister Israel Katz erinnert seine Kolleginnen und Kollegen an das Schicksal der verschleppten Israelis im Gazastreifen.
EPA

So es überhaupt noch lebt, hat das Baby mit dem roten Haar vor wenigen Tagen seinen ersten Geburtstag gefeiert – so wie 130 andere Israelis ist es in Gefangenschaft. Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge verhandeln dieser Tage die USA sowie die Regionalmächte Katar und Ägypten mit Israel und der Hamas über eine Freilassung der Geiseln im Austausch gegen einen Abzug Israels aus dem Gazastreifen. Er jedenfalls sei nach Brüssel gekommen, so Katz, um über die Befreiung der israelischen Geiseln sowie die Zerschlagung der Hamas zu sprechen.

Worum es hingegen der EU vor allem geht, hatte deren Außenbeauftragter Josep Borrell schon vor dem Treffen skizziert: Für Borrell, aber auch für Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), kann der Nahostkonflikt nur gelöst werden, wenn es zu einem Palästinenserstaat kommt. "Ich werde von jetzt an nicht mehr vom Friedensprozess sprechen, sondern von einer Zweistaatenlösung", sagte der Spanier. Zwar werde man nie vergessen, was die Hamas getan hat, doch könne Frieden nicht nur militärisch erzwungen werden, so Borrell, der an das Massaker am 7. Oktober 2023 erinnerte, das den aktuellen Waffengang ausgelöst hatte.

"Engagiertes Lebenszeichen"

Trotzdem sollten die 27 EU-Staaten gerade jetzt gemeinsam mit der arabischen Welt auf eine Zweistaatenlösung hinarbeiten. Eine "vorbereitende Friedenskonferenz", die von der EU und arabischen Staaten organisiert wird, solle den Weg dorthin bereiten, hieß es in einem sogenannten Non-Paper Borrells, das vor dem Brüsseler Treffen unter den Diplomatinnen und Diplomaten kursierte. Als dessen finales Ziel stellt die EU einen palästinensischen Staat in den Raum, der "Seite an Seite mit Israel in Frieden und Sicherheit lebt". Ein solcher Plan, so Schallenberg, sei ein "engagiertes Lebenszeichen". Auch wenn man ihn Israel und den Palästinensern "nicht aufoktroyieren" könne, sehe er "keinen anderen Weg als Normalisierung und Zweistaatenlösung".

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte vergangene Woche einen eigenen Staat für die Palästinenser kategorisch abgelehnt und sich damit auch Kritik seines Verbündeten USA eingehandelt. Außenminister Katz wollte die EU-Pläne in Brüssel nicht kommentieren. Wie groß der Druck auf seine Regierung zu Hause ist, beim Thema Geiselbefreiung endlich voranzukommen, illustrierte unter anderem ein Vorfall in der Knesset am Montag. Angehörige der Geiseln stürmten eine Sitzung des israelischen Parlaments und forderten von den Abgeordneten mehr Engagement: "Sie werden nicht hier herumsitzen, während sie sterben." (Florian Niederndorfer, APA, 22.1.2024)