Frau im Bademantel auf der Couch trinkt eine orange Flüssigkeit
Hochdosiertes Vitamin C könnte bei der Bekämpfung von viralen Infekten eine Rolle spielen. Vitaminpräparate wie Brausetabletten spielen aber wohl kaum eine Rolle.
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Es kratzt im Hals, der Kopf ist schwer, man spürt, dass sich eine Erkältung anbahnt. Um die womöglich doch noch abzuwenden, greift man zur Extraportion Vitamin C. So hat man es über viele Jahre gelernt und die zahlreichen Vitamin-C-Präparate in Drogeriemärkten und Apotheken suggerieren, dass das auch wirkt. Egal ob als Brause, in Pulver- oder Tablettenform, man wird rasch fündig. Slogans wie "Immunboost" oder "Abwehr-Plus" suggerieren, dass man damit das Immunsystem für den Kampf gegen die Erkältungsviren stärken könne. Und schaden kann es schließlich nicht, denkt man.

Aber – und das zeigen mittlerweile zahlreiche Studien – bringen tut es auch praktisch nichts. Eine Metaanalyse mehrerer Untersuchungen kam zu dem Ergebnis, dass die tägliche Einnahme von Vitamin C eine Erkältung nicht verhindern kann. Auch dann nicht, wenn man hohe Dosen zu sich nimmt.

Der einzige Unterschied: Wer vorbeugend Vitamin C schluckt, liegt im Schnitt bei einer Erkältung etwas kürzer flach als Menschen, die das nicht tun. Aber auch dieser Effekt war bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern äußerst gering. Eine durchschnittliche Krankheitsdauer von sieben Tagen könnte sich durch die Einnahme von Vitamin C auf sechs bis sechseinhalb Tage verkürzen. Um diese bescheidene Wirkung zu erzielen, nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie jedoch teilweise über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Vitaminpräparate ein.

Gutes Marketing für Vitamin C

Eine Ausnahme gibt es aber, zeigte die Erhebung: Bei Menschen, die Extremsport betreiben, verringerte die vorbeugende Einnahme von Vitamin C tatsächlich das Erkältungsrisiko. Unter den Probandinnen und Probanden waren Marathonläuferinnen und Soldaten, die im Winter im Gebirge trainierten. Wenn sie zwei bis drei Wochen vor Beginn der Extrembelastung mit der Vitamineinnahme begannen, erkrankten sie nur halb so oft an einer Erkältung wie jene aus der Vergleichsgruppe.

Bei allen anderen, normal aktiven Teilnehmerinnen und Teilnehmern brachte Vitamin C zur Vorbeugung nichts. Dass sich der Mythos dennoch bereits so lange hält, liegt wohl auch an dem guten Marketing, das Vitamin C über Jahrzehnte hinweg bekam. Und bis heute suggerieren viele Arzneimittelhersteller, Vitamin C helfe bei Erkältungssymptomen. Oft ist Vitamin C auch Medikamenten, die Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen bekämpfen sollen, zugesetzt.

Aufnahme über den Verdauungstrakt

Grundsätzlich ist die Idee, dass Vitamin C das Immunsystem unterstützt, nicht weit hergeholt. Es gibt kaum einen Vorgang im Körper, bei dem Vitamin C keine Rolle spielt. Es erfüllt in allen möglichen Organen wichtige Funktionen, etwa in unserem Gehirn, dem Herzen oder der Leber. Auch für die Muskeln und Knochen ist eine gute Vitamin-C-Versorgung nötig, außerdem ist es Voraussetzung für viele Stoffwechselprozesse.

Und es spielt auch beim Schutz vor Infekten eine wichtige Rolle. "Aber von November bis Februar zweimal wöchentlich eine in Wasser aufgelöste Vitamin-C-Brausetablette zu trinken bringt dahingehend nichts", sagt die Allgemeinmedizinerin Kerstin Schallaböck. Das liegt laut der Ärztin auch daran, dass Vitamin C nur begrenzt über den Magen-Darm-Trakt vom Körper aufgenommen und verwertet werden kann. Das Vitamin C gelangt nämlich durch spezielle Transportmoleküle im Dünndarm in den Blutkreislauf. Die Anzahl dieser Transporter ist allerdings begrenzt, sodass nur ein Teil der insgesamt aufgenommenen Vitamin-C-Menge tatsächlich im Blut ankommt. "Aktuell ist die Darmschleimhaut bei vielen Menschen durch mehrere Infektionen leicht beleidigt. Das beeinflusst zusätzlich, wie gut der Körper das Vitamin C aufnimmt", erklärt Schallaböck.

Einmal Vitamine bitte!

Anders ist das, wenn Vitamine direkt in die Venen gelangen. Rund um sogenannte Drip Bars, wo Vitamininfusionen angeboten werden, ist ein regelrechter Hype entstanden, der STANDARD berichtete hier. Auch Schallaböck bietet Vitamininfusionen an. Die Nachfrage ist groß, sie komme kaum hinterher: "Viele schwören darauf und erzählen, dass sie nicht mehr krank waren, seit sie sich ein-, zweimal im Jahr eine Vitamininfusion holen", berichtet sie.

Die Studienlage dazu ist aber dünn. Es gibt nur vereinzelt Studien, die darauf hindeuten, dass Vitamin C in hochdosierter Form tatsächlich eine Rolle im Kampf gegen virale Infekte spielen könnte – zwar nicht so sehr in der Prävention, sondern womöglich bei der Behandlung von akuten Virusinfektionen. "Vitamin C hat eine antivirale Wirkung und ist ein wesentlicher Faktor bei der Erzeugung der antiviralen Immunantwort in der frühen Phase der Infektion, indem es die Aktivität der natürlichen Killerzellen hochreguliert", schreiben etwa die Autoren einer im "Journal of Orthomolecular Medicine" erschienenen Arbeit. Es sei aber auf jeden Fall noch weitere Forschung dazu nötig.

Gesunde Ernährung

Im Normalfall nehmen wir aber ohnehin ausreichend Vitamin C zu uns, damit das Immunsystem gut arbeiten kann, betont Schallaböck. Wer sich gesund ernährt, erreicht die empfohlene Tagesdosis von etwa 100 Milligramm pro Tag üblicherweise. "Aber Vitamin C findet man nicht hauptsächlich in der Orange oder Zitrone, wie viele glauben", sagt sie. Man sollte eher zu Brokkoli, Paprika, Fenchel, Hagebutten oder Schwarzen Johannisbeeren greifen. Denn die liefern deutlich größere Mengen an Vitamin C. (Magdalena Pötsch, 25.1.2024)