In ganz Deutschland gehen derzeit viele Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren
In ganz Deutschland gehen derzeit viele Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren.
IMAGO/Markus van Offern

Ein paar Kosten haben Vertreterinnen und Vertreter der rechtsextremen deutschen Splitterpartei Die Heimat schon einmal gespart. Am Dienstagvormittag kamen sie nicht zur Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nach Karlsruhe. Auch zur mündlichen Verhandlung war niemand aus der Partei, die sich bis zum Sommer 2023 NPD nannte, erschienen.

Es dürfte nicht allein an den finanziellen Mitteln gelegen haben. Die Rechtsextremen lehnen ja den deutschen Staat ab. Sie wollten lieber einen autoritären Nationalstaat einführen und zeigten eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus – so formulierte es die Vorsitzende des Zweiten Senats am Bundesverfassungsgericht, Doris König. Und deshalb, so König, verstoße es nicht gegen das Grundgesetz, wenn der "Heimat" die Parteifinanzierung verweigert werde.

Eigentlich hatten die 16 deutschen Bundesländer 2012 die NPD vom Verfassungsgericht verbieten lassen wollen. Doch es gelang nicht. 2017 urteilten die Höchstrichter, die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sei aber so unbedeutend, dass man sie nicht verbieten brauche.

Klares Signal

Daraufhin änderte die Bundesregierung das Grundgesetz und legte fest, dass Parteien, die den Staat bekämpfen, von diesem auch kein Geld mehr bekommen sollen. De facto war die NPD beziehungsweise Die Heimat schon seit 2021 leer ausgegangen. Aber nur, weil sie kaum noch Stimmen errungen hatte, an deren Anzahl sich die staatliche Finanzierung bemisst. Nun wurde vom Verfassungsgericht festgelegt, dass sie sechs Jahre lang nichts bekommt. Auch die steuerliche Begünstigung ihrer Gönner entfällt.

Mit einem Antrag auf ein AfD-Verbotsverfahren zögern in Berlin Regierung, Bundestag und Bundesrat. Doch nun werden Forderungen laut, bei der Finanzierung der AfD einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie gegen die NPD/Heimat. "Von der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht ein klares Signal aus: Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Auch SPD-Chefin Saskia Esken meinte gegenüber der Funke-Mediengruppe: "Dieses richtungsweisende Urteil wird uns in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Gefahr von heute hilfreich sein." Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begrüßte das Urteil. Dieses zeige, dass es auch "unterhalb der Schwelle des Parteiverbots Mittel und Wege" gebe, "sich gegen die Verfassungsfeinde zu stellen". Automatisch kann der AfD die staatliche Finanzierung nicht gestrichen werden, es bräuchte dazu ein eigenes Verfahren in Karlsruhe.

Die Enthüllungen der Rechercheplattform "Correctiv" über ein Geheimtreffen zwischen Rechtsextremen und AfD-Politikerinnen und -Politikern sowie die Demonstrationen gegen die AfD wirken sich nun auch in einer ersten Umfrage aus. Gemäß einer Insa-Befragung für die "Bild"-Zeitung sank die AfD von 23 auf 21,5 Prozent und verzeichnet damit das größte Minus seit zwei Jahren. Allerdings liegt sie nach wie vor, nach der Union, auf Platz zwei.

Alice Weidel will "Dexit"

AfD-Partei- und -Fraktionschefin Alice Weidel versucht nun wieder auf Inhalte zu setzen und hat in der "Financial Times Deutschland" einen "Dexit", also den Austritt Deutschlands aus der EU, ins Spiel gebracht. Dies sei eine Option, falls sich die EU nicht im Sinne der AfD ändere und die Mitgliedsstaaten nicht wieder mehr Souveränität bekommen. Im EU-Wahlprogramm ist von einem "Dexit" nicht die Rede, dort wird eine "Neugründung einer europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft" gefordert.

Folgen der "Correctiv"-Berichte könnte es in Deutschland auch für den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner geben, der beim Geheimtreffen dabei war und seinen Plan von der Ausweisung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund ausbreitete. Laut der Nachrichtenseite "T-Online" prüft das deutsche Innenministerium ein Einreiseverbot für Sellner. (Birgit Baumann aus Berlin, 23.1.2024)