Gigi Riva winkt.
"Gigi" Riva, eine Legende.
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Der Regionalpräsident von Sardinien, Christian Solinas, ließ nach der Nachricht vom Tod Gigi Rivas in der ganzen Region die Flaggen auf halbmast setzen; in der Hauptstadt Cagliari, wo der dreifache Torschützenkönig der Serie A und Rekordtorjäger der Squadra Azzurra den größten Teil seines Lebens verbracht hatte, schien am Dienstag die Zeit stillzustehen. Nirgendwo in Italien wurde Riva mehr geliebt als in Sardinien: Er war es gewesen, der im Jahr 1970 den Verein von Cagliari und damit Sardinien quasi im Alleingang zum ersten und bis heute einzigen "Scudetto", zum italienischen Meisterpokal, geschossen hatte. Riva war, gerade volljährig geworden, im Jahr 1963 vom drittklassigen Verein Legnano bei Mailand zur US Cagliari gestoßen und ist dem Verein bis zu seinem Karriereende treu geblieben.

Gigi Riva, Rombo di Tuono [Best Goals]
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Riva war kein begnadeter Dribbler oder Spielmacher wie etwa Roberto Baggio. Sein Markenzeichen war die unglaubliche Effizienz als Stürmer und insbesondere sein gefürchteter linker Fuss – für seine 35 Tore in der Nationalmannschaft hatte er nur 42 Spiele benötigt. Rivas größter sportlicher Erfolg war der Gewinn der Europameisterschaft von 1968. Zwei Jahre später wurde er mit den Azzurri in Mexiko beinahe auch noch Weltmeister: Italien verlor den Final gegen Brasilien mit 4:1. Zuvor hatte Italien im Halbfinal die deutsche Elf mit 4:3 nach Verlängerung ausgeschaltet – von dem "Jahrhundertspiel" im Aztekenstadion von Mexico City spricht man in beiden Ländern noch heute. Riva hatte zum Sieg ein Tor beigesteuert. Auf dem Platz stand damals auch Franz Beckenbauer – eine andere Legende, die unlängst verstorben ist.

Schwere Kindheit

Luigi "Gigi" Riva hatte eine schwere Kindheit durchlebt. Geboren 1944 im kleinen Ort Leggiuno am Lago Maggiore verlor er schon im Alter von neun Jahren seinen Vater, der bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war. Als er sechzehn war, starb seine Mutter an Krebs. In Sardinien, wo er zunächst gar nicht lange bleiben wollte, habe er dann in dem Verein eine Art neue Familie gefunden, sagte Riva einmal. Er hätte überall in Italien spielen können, vor allem von Juventus Turin und von Inter Mailand kamen immer wieder Millionenangebote. Doch der introvertierte Riva blieb in Sardinien mit seinen eher verschlossenen, naturverbundenen Bewohnern: "Mir gefallen die Stille und das Schweigen hier – am liebsten rede ich mit mir selber", sagte Riva einmal.

Austria-Italia 1970 - Incidente a Gigi Riva
Le immagini di Austria-Italia vinta per 2 a 1 con reti di De Sisti e Mazzola, ma ricordata per il grave incidente a Gigi Riva.
Golcalcio

Im Oktober 1970 brach Norbert Hof Riva bei Österreichs 2:1-Niederlage in der EM-Qualifikation im Praterstadion das Wadenbein. "Ich glaube, Hofs Foul war Zufall und absolut nicht absichtlich", sagte der Verletzte. Körperliche Beschwerden blieben ihm danach treu, von einem 1975 erlittenen Sehnenriss erholte er sich nicht mehr. 31-jährig musste Riva seine Karriere als aktiver Fußballer beenden – und fiel in ein tiefes Loch. "Als ich das Spielfeld für immer verließ, als dieser in Erfüllung gegangene Traum vorüber war, musste ich mich mit den nächtlichen Gespenstern konfrontieren, die ich dank des Fußballs einigermaßen von mir hatte fernhalten können: mit meiner Depression", erklärte Riva vor Jahren in einem Interview. "Meine Karriere und meine Tore hatten mir Kraft gegeben. Als das plötzlich nicht mehr da war, fühlte ich mich verloren." Mit der Zeit bekam er seine Depressionen besser in den Griff – ganz überwinden konnte er sie nie. "Sie kommen und gehen", sagte er vor zwei Jahren.

Lebensabend in Cagliari

Nach Abschluss seiner Karriere als Spieler wurde Riva Teammanager der Nationalmannschaft und begleitete die Azzurri bei sechs Weltmeisterschaften und fünf Europameisterschaften. Sein größter Erfolg in seiner zweiten Karriere war Italiens WM-Sieg 2006 in Deutschland. 2013 beendete Riva auch seine Verbandskarriere und zog sich nach Cagliari zurück. Er kümmerte sich um seine fünf Enkelinnen, hörte die Musik des gebürtigen Genuesen Fabrizio De Andrè, der Sardinien ebenfalls zu seiner Wahlheimat erkoren und wie Riva eine ausgeprägte melancholische Ader hatte, und er wollte bis zuletzt nicht auf seine Zigaretten verzichten. Am Sonntag wurde Gigi Riva mit einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus in Cagliari eingeliefert; am Montagabend verstarb er. Der behandelnde Arzt erklärte später bei einer Pressekonferenz, Riva habe eine möglicherweise lebensrettende Operation abgelehnt. (Dominik Straub aus Rom, 23.1.2024)