"Manchmal verraten die eigene Familie und Freunde homosexuelle Angehörige an die Polizei", erzählt der LGBTQ-Aktivist Travor Mukisa.
Karo Pernegger

Wer es schafft, sich zu verstecken, überlebt. So fasst der LGBTQ-Aktivist Travor Mukisa das Leben für Homosexuelle in Uganda zusammen. Im Mai 2023 hat das Land eines der strengsten LGBTQ-Gesetze der Welt erlassen. Seither kann Homosexualität dort mit dem Tod bestraft werden. Für Angehörige der LGBTQ-Community wird ihre bloße Existenz zur Bedrohung. Besonders schwer betroffen sind Transgender-Personen. "Alles hat sich verändert", erzählt Mukisa.

So könne es etwa bereits strafbar sein, Homosexuellen eine Wohnung zu vermieten oder einen Job anzubieten. Das neue Anti-LGBTQ-Gesetz verpflichtet alle Bürgerinnen und Bürger, jeden Verdacht auf Homosexualität zu melden. Viele Betroffene sehen sich zur Flucht in andere afrikanische Staaten gezwungen. Doch auch das sei nicht mehr sicher, wie Ewa Ernst-Dziedzic, Grünen-Sprecherin für Menschenrechte, bei einem Mediengespräch mit dem Aktivisten und Geschäftsführer der NGO Muntu Foundation Uganda, Travor Mukisa, am Dienstag betonte. Denn Ugandas brutale Gesetzgebung wirke sich auf andere Länder Afrikas aus. Die Verfolgung von Angehörigen der LGBTQ-Community habe insgesamt zugenommen. Sie fordert deswegen mehr Unterstützung vor Ort.

HIV-Prävention verschlechtert

In mehr als der Hälfte aller afrikanischen Staaten ist Homosexualität bereits illegal. Ghana diskutiert derzeit einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Selbst in Ugandas Nachbarland Kenia, das einst als sicher für Angehörige der LGBTQ-Community galt, hat sich die Lage verschlechtert. "Ich bekomme seit Monaten besorgte Hilferufe von Aktivistinnen und Aktivisten aus Uganda, die um ihre Existenz bangen", erzählt Ernst-Dziedzic. Die Situation verschärfe sich laufend.

Auch der Erfolg von Ugandas jahrzehntelang erfolgreich geführter Kampagne gegen HIV steht auf dem Spiel. Die Sterblichkeitsrate des Landes ging zwischen 1990 und 2019 um fast 90 Prozent zurück. Unter den derzeitigen Umständen trauen sich jedoch die wenigsten LGBTQ-Personen, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Das Gesetz könnte die HIV-Epidemie im Land also wieder aufleben lassen.

Grüne gegen Streichung der EZA-Gelder

Herauszufinden, wem sich Angehörige der LGBTQ-Community anvertrauen können, sei fast unmöglich. "Manchmal verraten die eigene Familie und Freunde homosexuelle Angehörige an die Polizei", erzählt Mukisa. Notgedrungen landen viele von ihnen auf der Straße. Die steigende Obdachlosigkeit zählt zu den schwerwiegendsten Folgen des Anti-LGBTQ-Gesetzes.

Die internationalen Reaktionen auf die strenge Gesetzgebung beschränkten sich bisher vorwiegend auf Worte statt Taten. Die USA verhängten zumindest Visarestriktionen gegen Ugandas Regierungsmitglieder. Österreich kündigte eine Prüfung der EZA-Gelder (Entwicklungszusammenarbeit) an Uganda an. Für Ernst-Dziedzic ist das falsche Weg. "Es gibt kaum legale Fluchtwege für Betroffene, aber der Druck auszuwandern steigt." Dabei werde die Anti-LGBTQ-Politik auch von religiösen Gruppen aus den USA "auf missionarische Weise" finanziell unterstützt.

Leben im Verborgenen

"Es geht um nichts weniger als um systematische Verfolgung", so Ernst-Dziedzic. Das sollte auch für Europa relevant sein. Schutzräume vor Ort müssten eingerichtet, der Zugang zu Gesundheitsvorsorge verbessert und lokale Organisationen unterstützt werden. Dafür brauche es Absprachen mit internationalen anerkannten Organisationen. Ernst-Dziedzic spricht sich zudem für eine zielgerichtete Sanktionierung von Regierungsmitgliedern aus.

Auch für Mukisa ist klar, dass es vor allem lokale Unterstützung braucht. Asyl in Europa zu bekommen könne nicht die einzige Lösung sein. "Viele wollen ihr Land nicht verlassen. Wir brauchen mehr Geld, um zumindest Notunterkünfte für Angehörige der LGBTQ-Community einrichten zu können", betont der LGBTQ-Aktivist. Bis dahin empfiehlt seine NGO Betroffenen vor Ort ein Leben im Verborgenen. "Wir sagen allen: Outet euch nicht." (Helene Dallinger, 23.1.2024)