Fotografie, Morgenlandschaft
Morgendliche "blaue Stunde" bei der Wolfgangikirche in der Weststeiermark (Sony A7r iii, 28mm, 1/160s, f5, ISO 640).
©Bernd Grosseck

Es war gegen 6.30 Uhr morgens und ich war auf dem Weg zu einem Schauspiel, das sich Tag für Tag nach dem gleichen Schema wiederholt und mich doch immer wieder begeistert. Ich freute mich auf eine Faszination, der ich im Prinzip oft beiwohnen könnte, es aber selten bewusst tue. Unter meinen Füßen knirschte der Schnee. Es hatte ein paar Grad unter Null. Es war ein kalter Wintertag. Ich hatte noch etwa eine Stunde bis zum Sonnenaufgang. Ich baute mein Stativ auf, um die erste Morgenröte im Bild festzuhalten. Die Stativbeine versanken ungleichmäßig im Schnee. Ich änderte die Position ein wenig, um mehr Stabilität zu haben, befestigte die Kamera und wartete. Ich fror und war froh, eine Thermoskanne mit heißem Tee dabei zu haben.

Fotografie, Morgenlandschaft
Morgenröte über der Hügellandschaft (Sony A7r iii, 90mm, 1/100s, f13, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Kraftort Wolfgangikirche

Ich war bei der Wolfgangikirche in Hollenegg, die auf einem Kogel bei Bad Schwanberg (Bezirk Deutschlandsberg in der Weststeiermark) in 767 m Seehöhe steht. Es war das erste Mal, dass ich im Winter und so früh am Morgen dort war. Die Kirche ist mit dem Auto über eine schmale, kurvige und steile Straße zu erreichen, das letzte kurze Stück den Berg hinauf muss man zu Fuß gehen. Schon von weitem sieht man die Kirche, und oben angekommen breitet sich das Schilcherland, wie die Weststeiermark auch gerne genannt wird, vor einem aus.

Die Kirche ist ein beliebtes Ausflugsziel und gilt als besonderer Kraftort. Sie wurde Ende des 15. Jahrhunderts erbaut und ist Ziel vieler Wallfahrer. An diesem Tag war ich allein bei der Kirche, kein Mensch weit und breit, nur Stille um mich herum. Umso lauter fühlten sich meine Schritte an, als ich mit meinen Schuhen durch den gefrorenen Schnee stapfte und stellenweise dünne Eisschichten durchbrach.

Fotografie, Morgenlandschaft
Einer von mehreren Herzrahmen in dieser Gegend (Sony A7r iii, 24mm, 1/50s, f16, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Blaue und Goldene Stunde

Meine Fotoausrüstung bestand an diesem Tag aus meiner Sony A7rIII (spiegellose Vollformatkamera) und meinem Zoom 24-105/f4, das ich aufgrund der flexiblen Brennweite gerne in der Landschaftsfotografie einsetze. Damit war ich für die geplanten Aufnahmesituationen aus meiner Sicht gut gerüstet und brauchte kein Objektiv zu wechseln.

Die ersten Bilder mit dem beginnenden Morgenrot waren sicher auf der Speicherkarte, noch war die Kirche ob des schwachen Lichtes mehr eine Silhouette im Gegenlicht. Die "blaue Stunde" hatte gerade begonnen und tauchte die Umgebung in eine Vielzahl von blauen Farbtönen. Sie dauert um diese Jahreszeit rund 30 bis 40 Minuten, bis sie von der "goldenen Stunde" abgelöst wird, die Zeit kurz vor und nach dem Sonnenaufgang.

Fotografie, Morgenlandschaft
Die erste Minute des Sonnenaufganges (Sony A7r iii, 24mm, 1/125s, f16, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Richtige Belichtung

Damit die Bilder beim Betrachten auch die Stimmung wiedergeben, die man bei der Aufnahme empfunden hat, ist es aufgrund des starken Hell- Dunkel-Kontrastes besonders wichtig, auf die richtige Belichtung zu achten. Ein Sonnenaufgang und natürlich auch ein Sonnenuntergang enthält helle, leuchtende Farben, aber auch tiefe Schatten. Die Automatik einer Kamera ist mit dieser speziellen Lichtsituation oft überfordert. Manche Kameras bieten zwar Motivprogramme an, die man dafür nutzen kann, aber besser ist es, die Einstellungen manuell vorzunehmen.

Ich arbeite bei Sonnenauf- und -untergang immer mit einer Belichtungskorrektur zwischen ein bis zwei Blendenstufen (Unterbelichtung) und auch gerne mit der Belichtungsmesswertspeicherung. Ich belichte auf den Teil des Himmels, in dem die Mitteltöne (hell/dunkel) überwiegen, speichere diese Belichtung mit der "AEL-Taste". Meinem Wissen nach ist die Bezeichnung für diese Funktion bei fast allen Kamera- und auch Smartphone-Herstellern gleich. Dann bewege ich die Kamera wieder auf den Bildausschnitt, den ich mir für mein Foto überlegt habe und löse mit der gespeicherten Belichtungsmessung aus. In der Nachbearbeitung helle ich die dunklen Stellen etwas auf. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn zu viel Aufhellung lässt das Bild unnatürlich wirken, und die Stimmung, die man selbst erlebt und vermitteln wollte, geht verloren.

Fotografie, Morgenlandschaft
Das Warten hat sich gelohnt, das Wetter spielt fantastisch mit (Sony A7r iii, 24mm, 1/100s, f16, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Alternative Grauverlaufsfilter

In der Regel habe ich immer ein paar Filter im Auto oder im Rucksack, darunter auch Grauverlaufsfilter. Diese Filter sind im oberen Bereich abgedunkelt und im unteren Bereich transparent. Sie sind in verschiedenen Abstufungen erhältlich und werden vor allem in der Naturfotografie eingesetzt, wo sie den Helligkeitsunterschied zwischen Himmel und Landschaft ausgleichen können, damit der helle Himmel nicht überbelichtet und die Landschaft nicht unterbelichtet wird. Grauverlaufsfilter sind im gehobenen Preissegment farbneutral, sehr günstige Modelle können einen Farbstich verursachen.

Fotografie, Morgenlandschaft
Winterliche Stimmung in der Weststeiermark (Sony A7r iii, 45mm, 1/200s, f16, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Sonnenstern

Der Sonnenstern entstand durch die gewählte Blende 16. Je kleiner die Blendenöffnung, desto weniger Licht kommt durch. Die schönsten Sonnensterne erhält man bei Blendenöffnungen zwischen f14 und f22, wenn das verwendete Objektiv so kleine Blendenöffnungen zulässt. In der Bildgestaltung versuche ich gerne den Sonnenstern hinter einem Element "hervorschauen" zu lassen. Sehr schöne Aufnahmen mit Sonnensternen kann man in einem Wald machen, zum Beispiel durch die Lücke eines Blätterdaches oder auch in der Stadt, wenn die Sonne bei einem Haus "hervorlugt". Unterschiedliche Objektive erzeugen verschiedenartige Sonnensterne. Die Form ist abhängig von der Bauart des Objektivs, der Blende und der Anzahl der Blendenlamellen.

Fotografie, Morgenlandschaft
Eine von mehreren Skulpturen bei der Kirche (Sony A7riii, 96mm, 1/320s, f/16, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Autofokus ausschalten

Moderne Autofokussysteme kommen in der Regel auch mit wenig Licht zurecht, aber um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, empfiehlt es sich, in dunkler Umgebung den Autofokus auszuschalten. Gerade bei einmaligen Motiven möchte man ja nicht das Risiko eingehen, mit unscharfen Bildern nach Hause zu kommen. Zusätzlich sollte nach der Aufnahme die Schärfe mit der Lupe auf dem Display kontrolliert werden. Bei unbewegten Motiven, die überwiegend in der Landschaftsfotografie vorherrschen, hätte man so nochmals die Möglichkeit, die Aufnahme gegebenfalls zu wiederholen.

Fotografie, Morgenlandschaft
Die Lichtstimmung von der "anderen" Seite... (Sony A7r iii, 43mm, 1/160s, f11, ISO 200).
©Bernd Grosseck

Motivauswahl

Schon zuhause habe ich mit einer App, die den Sonnenverlauf zu jeder Zeit an jedem Tag im Jahr simuliert, geschaut, wo die Sonne aufgehen wird. Vor dem eigentlichen Sonnenaufgang habe ich mich zusätzlich vor Ort mit den Gegebenheiten vertraut gemacht und mir überlegt, welche Motive ich fotografieren möchte. Da die Zeit des Sonnenaufgangs sehr kurz ist und die magische Stimmung kurz nach dem Sonnenaufgang schnell verfliegt, hat man nicht viel Zeit, um Fotos mit dieser besonderen Lichtsituation zu machen. So ist es gut zu wissen, aus welcher Richtung das Licht kommt, wo es sich lohnt zu fotografieren. Für manche Wunschmotive passt die Lichtrichtung zu dem Zeitpunkt, an dem man dort ist, nicht. Dann hilft es nur, zu einer anderen Tages- und/oder Jahreszeit wiederzukommen, wenn man das gewünschte Bildergebnis haben möchte.

Einige der Bilder, die ich an diesem Tag gemacht habe, zeige ich heute hier. Vielleicht ist es für Leserinnen und Leser dieses Blogs eine Anregung, sich auch einmal früh am Morgen eine Kamera zu schnappen und sich auf den Weg zu machen, um einen Sonnenaufgang bewusst zu erleben. Man muss nicht immer in die Ferne schweifen, um Orte zu finden, die sich für dieses Schauspiel eignen. Gerade in der näheren Umgebung gibt es manchmal Orte, an denen man vielleicht oft genug vorbeikommt und die zu dieser Tageszeit ein tolles fotografisches Potential bieten.

Das frühe Aufstehen hat sich an diesem Tag für mich sehr gelohnt. Es war ein wunderschöner Ausflug und der Ort ist für mich seinem Ruf als Kraftplatz gerecht geworden. Das hat für mich aber wohl auch damit zu tun, dass ich einen perfekten Sonnenaufgang im Winter erleben durfte, dass ich, was in diesen Breiten nicht mehr so selbstverständlich ist, eine wunderbare Winterlandschaft vor mir hatte und dass ich diesen Platz um diese Zeit mit niemandem teilen musste.

Fotografie, Morgenlandschaft
Kraftplatz bei der Wolfgangikirche (Sony A7r iii, 40mm, 1/250s, f11, ISO 200)
©Bernd Grosseck

(Bernd Grosseck, 2.2.2024)