Politisch lässt sich das Thema vermutlich nicht ganz so gut vermarkten wie ein Verbot des Genderns in der Verwaltung, so wie es dem Kanzler vorschwebt. Karl Nehammer (ÖVP) will ja in seiner Rede am Freitag in Wels in einem Vorstoß darauf drängen, Binnen-I, Sternchen und Doppelpunkt in der Verwaltung zu untersagen. Eine Idee, zu der wohl fast jeder eine Meinung hat. Ganz so emotional wird die Frage, wie Überstunden künftig besteuert werden sollen, wohl nicht diskutiert werden. Aber auch da drückt die ÖVP bei manchen auf einen emotionalen Knopf, der je nach Standpunkt Zustimmung oder Ablehnung hervorruft.

In einem Entwurf für den "Österreich-Plan" des Kanzlers findet sich jedenfalls der Vorschlag, künftig alle Überstunden zur Gänze steuerfrei zu stellen, "um jene zu unterstützen, die mehr leisten, als sie müssten". Der Vorschlag ist Teil eines Planes zur Entlastung von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sowie Unternehmen. Die ÖVP will ja den Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent senken und Lohnnebenkosten schrittweise in der kommenden Legislaturperiode pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte reduzieren.

Bisher begrenzter Bonus 

Der Vorschlag zur Steuerbefreiung der Überstunden ist dem Wesen nach nicht neu, immer wieder wurde dies diskutiert. Aktuell gilt, dass pro Monat höchstens 18 Überstundenzuschläge, maximal jedoch 200 Euro steuerfrei bleiben dürfen. Der Zuschlag für Überstunden ist gesetzlich vorgesehen, der Arbeitgeber muss zuzüglich zum Grundentgelt für die Stunde einen Zuschlag von 50 Prozent zahlen. Alternativ kann im Kollektivvertrag Zeitausgleich als Kompensation vorgesehen sein.

Anreiz zu mehr Leistung oder zum Burnout? Der ÖVP-Vorschlag zu Überstunden sorgt für Diskussionen.
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Geht es nach dem Wortlaut des ÖVP-Vorschlages, die Passage liegt dem STANDARD vor, soll künftig die gesamte Bezahlung der Überstunde steuerfrei werden. Das würde über bisherige Vorschläge, die sich stets um die Zuschläge drehen, klar hinausgehen.

Wer bei der Umsetzung der Idee gewinnen würde, ist klar: alle, die Überstunden machen und diese ausbezahlt bekommen. Über Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung lässt sich festlegen, in welchem Zeitraum zusätzlich gearbeitete Stunden wieder abgebaut werden können. Viele Beschäftigte können oder müssen Plusstunden innerhalb eines Jahres ausgleichen. Sie würden nur von der neuen Regelung profitieren, sofern tatsächlich Überstunden finanziell abgegolten werden.

Kein Anreiz, in Teilzeit zu bleiben

Keine steuerliche Begünstigung soll es offenbar für Teilzeitbeschäftigte geben, zumindest kommen sie in dem Kanzlerplan, soweit bisher bekannt, nicht vor. Das macht natürlich insoweit Sinn, als die Regierung Teilzeit nicht fördern will und ein steuerlicher Vorteil für diese Gruppe ein Anreiz wäre, Arbeitszeit nicht zu erhöhen. Für Teilzeitkräfte gilt, dass ihnen bis zur Normalarbeitszeit (zum Beispiel 38,5 Stunden in der Woche) ein Mehrarbeitszuschlag zusteht. Dieser beträgt 25 Prozent.

Auch hier können Mehrarbeitsstunden ausgeglichen werden, das Gesetz sieht eine vierteljährliche Durchrechnung vor, wobei auch andere Vereinbarungen zulässig sind.

Von Arbeitnehmerverbänden kommt Kritik an den lancierten Vorschlägen. Pascal Schraml, Steuerexperte der Arbeiterkammer, sagt, dass die bisherige Regelung, wonach die Steuerbefreiung nur bis 200 Euro gilt, dafür sorgt, dass alle Beschäftigte gleichgestellt sind. Würden Überstunden ganz steuerfrei, würden vor allem Topverdiener profitieren. Der ÖGB sieht eine Benachteiligung von Frauen, die mehr Teilzeit arbeiten. Und er verweist auch auf Zahlen von der Arbeiterkammer, wonach jedes Jahr eine beträchtliche Zahl an Überstunden nicht entlohnt wird. 2022 haben die Betriebe 47 Millionen Mehr- und Überstunden weder mit Geld noch mit Zeitausgleich abgegolten. Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: Sie beruhen auf Befragungen der Statistik Austria, also Selbsteinschätzungen. Ob dabei allen Befragten Details einer Gleitzeitvereinbarung und dem dort vorgesehenen Ausgleich bekannt sind, darf bezweifelt werden.

Der Arbeitsrechtler Martin Risak argumentiert, dass es aus gesundheitspolitischen Gründen nicht klug sei, Überstunden attraktiver zu machen.

Die Wirtschaftskammer dagegen hat in der Vergangenheit immer argumentiert, dass "es sich auch lohnen soll für jene, die bereit sind, mehr zu arbeiten". In Umfragen zeige sich, dass vor allem junge Menschen bereit wären, mehr zu arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, so die Wirtschaftskammer.

Wie bei den anderen Entlastungsvorschlägen fehlt auch bei diesem ein konkreter Plan dazu, wie das Ganze finanziert werden soll. (András Szigetvari, 24.1.2024)