Eine deutliche Mehrheit im türkischen Parlament hat für den Nato-Beitritt Schwedens gestimmt.
Eine deutliche Mehrheit im türkischen Parlament hat für den Nato-Beitritt Schwedens gestimmt.
AP/Ali Unal

Es hat lange gedauert, aber am späten Dienstagabend war es dann so weit. Das türkische Parlament stimmte mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien AKP und MHP sowie der größten Oppositionspartei CHP für einen Beitritt Schwedens zur Nato (287 zu 55). Damit ist nun eine wichtige Hürde für Schweden genommen, allerdings muss Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Beschluss des Parlaments noch unterschreiben und bei der Nato in Brüssel hinterlegen. Erst dann ist die türkische Zustimmung zu Schwedens Beitritt offiziell.

Gut möglich, dass dieser rein formelle Akt dennoch auf sich warten lassen wird. Denn aus Sicht der Türkei war die Abstimmung im Parlament eine Vorleistung, auf die nun die Einlösung eines Versprechens erfolgen soll, auf das die Türkei ähnlich lange wartet wie Schweden auf seinen Nato-Beitritt. Es geht dabei um das Versprechen der Nato-Vormacht USA, der türkischen Luftwaffe 40 neue F-16-Kampfflugzeuge zu liefern, plus die Modernisierung 80 weiterer bereits in der Türkei vorhandener F-16-Kampfflugzeuge zu ermöglichen.

In den türkischen Zeitungen am Mittwoch wird die klare Erwartung formuliert, dass mit dem Parlamentsbeschluss nun auch der US-Kongress seine Blockade der Lieferung der F-16-Kampfflugzeuge aufgibt. Monatelang hatte Präsident Erdoğan gegenüber der US-Regierung gesagt, wenn die Lieferung der Kampfflugzeuge im US-Kongress beschlossen ist, werde auch das türkische Parlament Schwedens Nato-Beitritt zustimmen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, hatten Kongressvertreter daraufhin stets gesagt. Erst eine Zustimmung zu Schwedens Nato-Beitritt würde es möglich machen, die Lieferung der Kampfflugzeuge wohlwollend zu prüfen.

Größter Kritiker nicht mehr im Amt

Offenbar hat der Besuch des US-Außenministers Antony Blinken am 6. Jänner in der Türkei dann dazu geführt, dass Erdoğan jetzt doch bereit war, den USA mit einem türkischen Parlamentsbeschluss entgegenzukommen. Jetzt hat die Türkei geliefert, nun ist der US-Kongress am Zug. In der türkischen Öffentlichkeit wird dabei auch darauf verwiesen, dass der frühere Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, der demokratische Senator Bob Menendez, im letzten Herbst wegen einer Korruptionsaffäre sein Amt aufgeben musste. Er war der lauteste Gegner der Lieferung von Kampfflugzeugen an die Türkei. Deshalb wäre nun der Weg frei, falls die Biden-Administration tatsächlich Druck für die Lieferung an die Türkei macht.

Das Misstrauen in Ankara gegenüber Washington ist allerdings so groß, dass Erdoğan mit seiner Unterschrift unter den Parlamentsbeschluss wohl so lange warten wird, bis es tatsächlich positive Ergebnisse in Washington gibt.

Hintergrund des ganzen Gezerres ist die Angst der Türkei, die Lufthoheit in der Ägäis und im Mittelmeer zu verlieren, falls die Modernisierung der eigenen Luftwaffe nicht erfolgt. Griechenland hat in den letzten Jahren sowohl in Frankreich wie in den USA neue Kampfflugzeuge bestellt und ist deshalb dabei, der türkischen Luftwaffe davonzuziehen.

Annäherung in Athen

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte im Mai 2022 bei einer Rede vor dem US-Kongress die Abgeordneten beschworen, keine Kampfflugzeuge an die Türkei zu liefern. Daraufhin kam es zu einer schweren Krise zwischen Mitsotakis und Erdoğan, die erst Anfang Dezember letzten Jahres bei einem Treffen in Athen beigelegt wurde. Möglich, dass sich diese Wiederannäherung der beiden Nachbarn nun auch bei einer Entscheidung in Washington positiv auswirkt.

Für Schweden ist die gesamte Entwicklung extrem frustrierend. Das Land ist zum Spielball in einer Auseinandersetzung geworden, auf die es selbst kaum noch Einfluss hat. Entsprechend zurückhaltend war denn auch die Reaktion auf den türkischen Parlamentsbeschluss. Regierungschef Ulf Kristersson sprach davon, Schweden sei dem Beitritt "einen Schritt näher gekommen", wohl wissend, dass damit das Ende des Weges noch nicht erreicht ist.

Zumal auch Ungarn ebenfalls seine Zustimmung noch zurückhält, um damit, ebenfalls weitgehend unabhängig von Schweden, Druck auf die EU zu machen, Gelder an Ungarn auszuzahlen, die bislang aus Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Landes zurückgehalten werden. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 24.1.2024)