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Zuletzt wurden deutlich mehr E-Autos zugelassen, auf der Straße sorgt das für weniger Emissionen.
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Wien/Brüssel – 2010 gibt es in der EU verschärfte Regeln für die Senkung von CO2-Emissionen von Personenkraftwagen. Im realen Ausstoß fand dies bis vor kurzem kaum Niederschlag. Die verkehrsbedingten Emissionen stiegen bis 2020 im Vergleich zum Referenzwert des Kioto-Protokolls von 1990 um satte 15 Prozent. 2021 betrugen die Pkw-Emissionen 56 Prozent – das ist mehr als die Hälfte der Gesamtemissionen im Verkehr. Rechnet man Klein-Lkws (bis 3,5 Tonnen) hinzu, sind es um elf Prozent mehr. Denn deren Ausstoß stieg um 49 Prozent.

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Als Grund für diese Entwicklung identifizierte der Europäische Rechnungshof (EuRH) insbesondere das gewaltige Delta zwischen den von den Autoherstellern auf dem Prüfstand ermittelten Emissionsangaben und den im realen Straßenverkehr gemessenen Daten. Diese Differenz wurde bis 2020 eher größer denn kleiner. Zwar wurden die Obergrenzen für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß gemäß dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) über die Jahre kontinuierlich gesenkt (von 130 auf 95 Gramm pro Kilometer für die Schadstoffklasse Euro 6), in der Praxis fand das allerdings nicht den entsprechenden Niederschlag. Wohl sanken die Emissionen auf der Straße, aber nur sehr langsam. Erst mit dem neuen EU-Prüfregime sei laut EuRH eine Besserung erkennbar. Auch die emissionsfreien Elektroautos trugen zur Senkung bei. Ob die Werte für die Jahre 2020 und 2021 tatsächlich eine Besserung darstellen, muss sich allerdings erst weisen. Denn damals war der Höhepunkt der Corona-Krise, und diese führte zunächst zu einem Rückgang des Pkw-Verkehrsaufkommens und damit des Treibstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen. Danach kam allerdings wieder ein Anstieg, weil öffentliche Verkehrsmittel gemieden wurden.

Wenig Ehrgeiz der Mitgliedsstaaten

Als großes Problem ortet der EuRH, dass die EU-Mitgliedsstaaten kaum Ehrgeiz an den Tag legten, dieser Diskrepanz zu Leibe zu rücken. Im Gegenteil, zwei der drei geprüften Zulassungsbehörden führten im Prüfzeitraum 2020 bis 2022 die mit der Einführung des harmonisierten WLTP-Prüfverfahrens vorgeschriebenen Überprüfungen der Herstellerangaben ordnungsgemäß durch. Mit dem WLTP-Verfahren wurden EU-weite Flottenziele und durchschnittliche CO2-Emissionen neuer Pkws und Leicht-Lkws festgelegt. Die überprüften Daten sind der EU-Kommission zu melden.

Exemplarisch geprüft wurden vom EuRH Deutschland mit seinem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als Zulassungsbehörde, Italien und die Niederlande. "Die Typgenehmigungsbehörden in Italien und den Niederlanden legten keine hinreichenden Nachweise dafür vor, dass sie überprüft hatten, ob die Hersteller in den Jahren 2020 und 2023 die Mindestanzahl an Fahrzeugen geprüft hatten", schreibt der EuRH in seinem am Mittwoch präsentierten Bericht. Das deutsche KBA überprüfte wie vorgeschrieben, ob die Hersteller die Mindestzahl an Prüfungen durchführten, und wohnte auch 79 Fahrzeugtests bei.

Problem Gebrauchtwagen

Bei den Abgastests von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 hapert es allerdings. Das deutsche KBA schaffte es in der Corona-Zeit nicht, rechtzeitig ein eigenes Prüflabor für Kfz einzurichten und personell auszustatten. Die italienische Regierung fand keinen Auftragnehmer zur Durchführung der Arbeiten und testete gar keine Fahrzeuge, und die Niederlande lagerten die Prüfungen ab 2021 aus.

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Alle miteinander hatten Schwierigkeiten, Fahrzeuge für die Prüfungen zu beschaffen. Das liegt an den von der EU-Kommission und den 27 Mitgliedsstaaten festgelegten Kriterien. Die Gebrauchtwagen müssen regelmäßig zu Werkstättenservices und im Besitz einer Leasinggesellschaft oder eines Autohändlers sein. Da die Nachfrage nach Gebrauchtwagen in der Pandemie stark gestiegen ist, waren brauchbare Testfahrzeuge nicht verfügbar, heißt es im Bericht des EuRH. Immerhin ließ die Kommission 50 Pkws exemplarisch überprüfen, ob sie im Jahr 2021 die Euro-5- und Euro-6-Emissionsgrenzen einhielten. Eine Bewertung, ob die in den Übereinstimmungsbescheinigungen angegebenen CO2-Werte zutreffend waren, überprüfte die Kommission allerdings nicht, merkte der EuRH kritisch an. Eine Verpflichtung, einschlägige Informationen von den Mitgliedsstaaten einzuholen, besteht nicht. Österreich gehört diesbezüglich nicht zu den Vorzugsschülern. Es gehörte zu jenen 13 Mitgliedsstaaten, die Daten für 2020 verspätet eingeliefert haben und bei denen Angaben zu Neuzulassungen auch im Qualitätssicherungsprozess nicht hinreichend geklärt werden konnten, merkte der EuRH kritisch an.

Korrekte Daten bringen Geld

Schwachstellen orten die Rechnungshofprüfer auch beim Datenaustausch. Wohl habe die europäische Umweltagentur EUA ein neues Tool zur Erhebung und Überprüfung der nationalen Daten entwickelt, beim ersten Einsatz im Jänner 2022 hielt dieses dem Datenansturm aber nicht stand. Wie wichtig valide Daten sind, zeigt ein Beispiel: Im Fall eines Herstellers führte die durchgeführte Korrektur zu einer Erhöhung der Abgaben wegen Emissionsüberschreitung um mehr als ein Fünftel oder 58 Millionen Euro.

Überschätztes Instrument?

Als Allheilmittel zur Senkung der CO2-Emissionen im Verkehr sollte das neue Regime der Pkw-CO2-Verordnung der EU besser nicht eingeschätzt werden. Denn die tatsächlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Fahrzeuge gingen – trotz Einhaltung der Flottenziele – nur um sieben Prozent, also geringfügig, zurück. Die im Labor gemessenen CO2-Emisssionen hingegen reduzierten sich laut Herstellerangaben in den Jahren 2009 bis 2019 um mehr als das Doppelte, nämlich um 16 Prozent (von 145,7 auf 122,3 g/km). Je nach Quelle liegen also Welten zwischen den ermittelten Werten. Diesbezüglich sollte der WLTP-Laborprüfzyklus Besserung bringen, denn er bildet die realen Fahrbedingungen (Stadt und Land) besser ab, dauert länger und setzt bei höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten auf. Der alte NEFZ hatte als Höchstgeschwindigkeit 120 km/h, der neue 131. Die geänderten Bedingungen sollten die Lücke zwischen Traum und Realität zur Hälfte schließen, sagen Fachleute.

So darf es nicht verwundern, dass die Hoffnungen in Sachen Emissionsreduktion im Verkehr auf Zero Emission Vehicles ruhen, allen voran den Elektroautos. Ihr Anteil an den Neuzulassungen stieg von 2015 bis 2022 europaweit auf 13,5 Prozent. Dies wertet der EuRH als Hauptgrund für den Rückgang der durchschnittlichen im praktischen Fahrbetrieb verursachten CO2-Emissionen neu zugelassener Fahrzeuge. Kaufprämien für E-Autos trugen maßgeblich zur Verbreitung bei. Eher kontraproduktiv sind laut EuRH diverse Plug-in-Hybride, also Pkws mit Verbrenner- und Elektromotor. Deren Emissionen sind drei- bis fünfmal so hoch wie die im Labor gemessenen Emissionen. Da bei Firmenwagen häufig das Unternehmen die Kraftstoffkosten trägt, gebe das auch keinen Anreiz für die Beschäftigten, die Batterien regelmäßig aufzuladen. (Luise Ungerboeck, 24.1.2024)