Eine Flucht auf Schmugglerpfaden über die Pyrenäen bedeutet meist, dass Juden Leib und Leben vor den Nazis zu retten versuchten. In diesem Fall aber ist es anders. In der von Georg Renöckl recherchierten Affäre Finaly, die sowohl als vierteiliger Podcast als auch in der Hörbilder-Reihe auf Ö1 läuft, sollen zwei Kinder dagegen vor ihren jüdischen Verwandten versteckt und verschleppt werden. Drahtzieher ist die Kirche, die sich ihre anfangs wohlmeinend vor den Nazis geretteten Schäfchen nicht mehr nehmen lassen will. Der Fall entfachte bereits in seiner Schlussphase in den 1950er-Jahren mediale Aufmerksamkeit und wurde später verfilmt.

Gerald und Robert Finaly im Jahr 1953.
Gerald und Robert Finaly im Jahr 1953.
Foto: AFP / picturedesk.com

Heute sind die beiden Brüder von damals betagte Großväter in Haifa. Renöckl hat sie besucht. Ihre ­Erzählung beginnt bei den Eltern, dem jüdischen Ehepaar Fritz und Anni Finaly, die aus Österreich ­vertrieben und schließlich aus Frankreich nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Da waren die Buben zwei und drei Jahre alt.

Der Podcast geht den zahllosen Stationen der ­Kinder in französischen Institutionen und Privathäusern nach und zeigt, wie intrigant die katholische Kinderheimchefin die Rückgabe an die überlebt habenden Tanten zu verhindern suchte. Auch der Vatikan stützte das.

Besonders wertvoll wird diese radiophone Spurensuche durch die O-Töne der heute über Achtzigjährigen, die ihren Erinnerungen auf Englisch und Französisch nachgehen. Auch Italienisch und Spanisch mussten sie – auf ihrer "Flucht" – einmal lernen. Ihnen wurde als Kinder über Jahre hin eingeredet, dass sie von Juden verfolgt würden und sich in Sicherheit zu bringen hätten. Eine perfide Verdrehung der Wahrheit. (Margarete Affenzeller, 26.1.2024)