Am Strand von Barcelona baden Mitte Jänner mehrere Leute.
Am Strand von Barcelona ist Mitte Jänner mehr los, als man glaubt.
REUTERS/NACHO DOCE

28 bis 30 Grad in den Mittelmeerstädten Valencia und Murcia im Osten und in Málaga im Süden, 20 Grad in den Bergen von Madrid, dort, wo eigentlich Schnee liegen sollte – Spanien misst mitten im Jänner Temperaturen, wie sie eigentlich für Mai typisch sind. Bereits jetzt haben knapp die Hälfte aller Wetterstationen im Land 20 Grad und mehr gemessen. Die Wetterbehörde Aemet sagt für die kommenden Tage sogar noch einen leichten Temperaturanstieg vorher.

Ein Hochdruckgebiet steht stabil über Spanien und verhindert, dass der Winter zurückkehrt. Eine "Anomalie" sei das, erklärt ein Sprecher von Aemet im öffentlichen Radio RNE. Bereits vor etwas mehr als einem Monat erreichten die Temperaturen in Spanien ebenfalls knapp 30 Grad. Klimaforscher schreiben diese extremen Wetterlagen dem Klimawandel zu.

Die Folgen der immer längeren und immer heißeren Sommer sowie der milden und niederschlagsarmen Winter sind in weiten Teilen Spaniens zu spüren. Andalusien im Süden und Katalonien im Nordosten leiden unter schwerer Trockenheit. In Katalonien droht ab kommenden Monat für rund sechs Millionen Menschen der Wassernotstand. Dieser wird ausgerufen, sobald die Stauseen unter 16 Prozent ihres Fassungsvermögens sinken.

Weniger Druck in Wasserleitungen

Nur noch wenige Zehntel trennen Barcelona und Umland davon. Der Wassernotstand bedeutet eine Deckelung des Pro-Kopf-Verbrauchs sowie eine Senkung des Wasserdrucks in den Leitungen. Der Hafen von Barcelona hat bereits angekündigt, dass Kreuzfahrtschiffe ihre Wassertanks nicht mehr füllen dürfen.

Bereits jetzt gilt im Großraum Barcelona Wasser-Vornotstand. Private Schwimmbecken dürfen nicht gefüllt, Rasen und Golfplätze nicht gegossen werden. Die Landwirtschaft muss 40 Prozent Wasser einsparen, die Industrie 15 Prozent. Zierbrunnen werden abgeschaltet.

Die andalusische Regionalregierung hat angekündigt, spätestens im Sommer die Wasserversorgung für mehrere Stunden am Tag unterbrechen zu müssen, sollte es nicht bald 30 Tage am Stück regnen. Das wird wohl kaum eintreffen.

Sorgen in der Landwirtschaft

Neben dem Wassermangel schaden auch die Temperaturen selbst der Landwirtschaft. Vielerorts fürchten vor allem die Obstbauern um die Ernte. So brauchen etwa Zitrusfrüchte für ihren Reifungsprozess die jetzt fehlende Kälte. Und andere Arten beginnen zu früh zu blühen. Kommt dann noch einmal eine Frostperiode, sterben die Blüten ab. Die Bäume werden keine Früchte tragen.

Der Meteorologe Roberto Grande, der die Temperaturentwicklung in Spanien in den letzten Jahrzehnten erforscht hat, kommt zu dem Schluss, dass der Jänner als "eigentlich kältester Monat in Spanien in den letzten Jahren immer mehr warme Tage aufweist". In vielen Wetterstationen wurde in den 1960er-Jahren ein warmer Tag im Jänner gemessen. Mittlerweile sind es fünf oder mehr. "Am auffälligsten ist die Entwicklung in Barcelona-Fabra. Hier waren es zwei warme Tage, und jetzt sind es elf", schreibt Roberto Grande auf dem Wetterportal eltiempo.es.

Grande orientiert sich an 80 Prozent der durchschnittlichen Höchsttemperatur der letzten 60 Jahre an jeder Wetterstation, um zu bestimmen, was warm ist und was nicht. Der Prozess habe sich in den letzten Jahren besonders beschleunigt. "Wir werden die nächsten Jahre abwarten müssen, um die Entwicklung zu sehen, aber die Aussichten sind nicht gut", resümiert Grande. (Reiner Wandler aus Madrid, 26.1.2024)