Kyjiw - Russland hat die Ukraine wieder mit Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. Von insgesamt acht Drohnen habe die Luftverteidigung vier abwehren können, teilte die ukrainische Luftwaffe in der Früh mit. "Feindliche Drohnen haben das Gebietszentrum attackiert", schrieb der Militärgouverneur der südukrainischen Region Saporischschja, Jurij Malaschko, am späten Samstagabend auf Telegram. Dabei sei ein Infrastrukturobjekt getroffen worden. Nähere Angaben machte er nicht.

Auch in der Nacht auf Samstag griff Russland ukrainische Städte und Dörfer an. Im Bild: Sloviansk
Auch in der Nacht auf Samstag griff Russland ukrainische Städte und Dörfer an. Im Bild: ein von Raketen zerstörtes Gebäude in Sloviansk.
AP/Efrem Lukatsky

Raketenangriffe meldete die zentralukrainische Region Poltawa. Einen Einschlag habe es in einem Industrieobjekt in Krementschuk gegeben, schrieb Militärgouverneur Filip Pronin. Dadurch sei ein Feuer ausgebrochen. Die Löscharbeiten dauerten Behördenangaben zufolge an.

Poltawa, Donezk, Charkiw

Laut der ukrainischen Luftwaffe habe die russische Armee zudem die zentralukrainische Region Poltawa mit zwei Iskander-Raketen und das östliche Gebiet Donezk mit umfunktionierten Flugabwehrraketen angegriffen. Todesopfer gab es ersten Erkenntnissen zufolge nicht.

Aus der Stadt Myrnohrad in Donezk gab es allerdings Berichte über Verletzte. Ein 15-Jähriger sowie zwei Männer seien dort durch Explosionen in einem Wohngebiet verwundet worden, teilte die Donezker Staatsanwaltschaft mit. Mehrere Wohnhäuser und Autos seien beschädigt worden, hieß es.

Angriffe meldete darüber hinaus auch die oft attackierte Region Charkiw im Nordosten der Ukraine. Informationen zu möglichen Opfern und Schäden wurden auch dort noch nicht veröffentlicht.

Mehr Luftangriffe

Russland hat in den vergangenen Tagen nach Angaben aus Kiew seine Bemühungen zur Eroberung ukrainischer Orte enorm verstärkt. "Die Besatzer haben die Zahl der Angriffs- und Sturmaktionen deutlich erhöht – den zweiten Tag in Folge führt der Feind 50 Kampfhandlungen aus", schrieb der für den Frontabschnitt im Süden und Südosten der Ukraine zuständige General Alexander Tarnawskyj am Samstag auf seinem Telegram-Kanal. Dabei habe auch die Zahl der Luftangriffe zugenommen.

Die von Tarnawskyj genannten Zahlen beziehen sich offenbar auf den südlichen Teil des Gebietes Donezk. Explizit erwähnt er Schläge gegen die dort gelegenen frontnahen Städte Myrnohrad und Nowohrodiwka, die am Vortag mit umfunktionierten Luftabwehrraketen beschossen wurden.

Moskau hat in dem Raum im Herbst 2023 eine neue Offensive zur Eroberung der Stadt Awdijiwka gestartet, die direkt an die bereits seit 2014 von russischen Kräften kontrollierte Großstadt Donezk grenzt. Nach anfänglichen Geländegewinnen kommen die Russen Medienberichten zufolge trotz großen Personal- und Materialaufwands kaum noch voran. Die Einnahme der südlich davon gelegenen inzwischen völlig zerstörten Kleinstadt Marjinka meldete das russische Militär Ende Dezember 2023. Ein weiteres Vordringen ist den russischen Kräften aber auch hier trotz intensiver Angriffe nicht gelungen.

Ukraine deckt massiven Betrug bei Waffenbeschaffung auf

Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU hat indes ein Korruptionssystem beim Kauf von Waffen durch das ukrainische Militär im Gegenwert von etwa 40 Millionen Dollar (36,80 Millionen Euro) aufgedeckt. "Den Ermittlungen zufolge sind ehemalige und derzeitige hochrangige Beamte des Verteidigungsministeriums und Leiter von Tochterunternehmen an der Veruntreuung beteiligt", erklärte der SBU am Samstag (Ortszeit).

Eine Untersuchung habe "Beamte des Verteidigungsministeriums und Manager des Waffenlieferanten Lviv Arsenal entlarvt." Bei der Unterschlagung gehe es um den Kauf von 100.000 Mörsergranaten für das Militär, heißt es in der Erklärung.

Dem SBU zufolge wurde im August 2022, sechs Monate nach Kriegsbeginn, ein Vertrag mit Lviv Arsenal über die Anschaffung der Granaten abgeschlossen. Die Zahlung erfolgte im Voraus, wobei einige Mittel ins Ausland überwiesen worden seien. Der Mitteilung zufolge wurden jedoch nie Waffen geliefert. Gegen fünf Personen sowohl im Ministerium als auch beim Waffenlieferanten seien "Verdachtsmitteilungen" – die erste Stufe eines ukrainischen Gerichtsverfahrens – ergangen. Ein Verdächtiger sei bei dem Versuch, die ukrainische Grenze zu überqueren, festgenommen worden.

Ein massiver Beschaffungsbetrug ist auch vom ukrainischen Verteidigungsministerium bestätigte worden. Korruption innerhalb des Militärs ist in der Ukraine ein besonders heikles Thema, da das Land die öffentliche Kriegsmoral aufrechterhalten möchte und sich auch um einen Beitritt zur EU bemüht.

Großbritannien: Unzufriedenheit der Russen mit Krieg wächst

Die russische Bevölkerung steht dem Krieg in der Ukraine unterdessen nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten mit wachsender Unzufriedenheit gegenüber. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht zum Krieg in der Ukraine des Verteidigungsministeriums in London am Sonntag hervor.

Der auf X (vormals Twitter) verbreiteten Mitteilung zufolge ist eine steigende Zahl von Brandanschlägen gegen Rekrutierungsbüros in Russland auf Unzufriedenheit mit dem Krieg und mangelndes Vertrauen in Präsident Wladimir Putin zurückzuführen. Besonders unter Russen, die von einer weiteren Mobilisierungswelle betroffen wären, dürfte demnach der Unmut wachsen.

"Eine weitere Mobilisierung wäre ein Widerspruch zu Putins Versprechen bei seiner Jahrespressekonferenz vom 14. Dezember 2023, dass es keine weitere Mobilisierung geben wird – die Angriffe legen höchstwahrscheinlich einen Mangel an Vertrauen in dieses Versprechen nahe", so die Mitteilung.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 regelmäßig Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor. (APA, Reuters, red, 27.1.2024)