Paris/Madrid/Udine – Aus Protest gegen Bürokratie, sinkende Einnahmen und europäische Umweltauflagen wollen Frankreichs Bäuerinnen und Bauern von Montagnachmittag an wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris blockieren. Ungeachtet erster Zugeständnisse der Regierung riefen die beiden größten Bauernverbände zur "Belagerung" der Hauptstadt auf. Die Regierung verschärfte die Sicherheitsmaßnahmen und schickte Panzerfahrzeuge der Gendarmerie zum Großmarkt Rungis im Süden von Paris.

Traktor in Frankreich
Landwirte haben angedroht, ab Montag die französische Hauptstadt zu blockieren.
AFP/SYLVAIN THOMAS

Rund um Paris, etwa 30 bis 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, wollten die Landwirtinnen und Landwirte an acht Stellen Blockaden aufbauen. "Wir bleiben in gewisser Entfernung, wir wollen keine Gewalt", sagte der Vorsitzende des größten Bauernverbands FNSEA, Arnaud Rousseau, dem Sender RTL.

15.000 zusätzliche Beamte der Einsatzkräfte

Die französische Regierung mobilisierte 15.000 zusätzliche Beamte der Einsatzkräfte. Präsident Emmanuel Macron wolle vermeiden, dass die Traktoren die Innenstädte von Paris und anderen Großstädten erreichen, sagte Innenminister Gérald Darmanin. Der Betrieb des Großmarktes von Rungis und der Flughäfen dürfte nicht gestört werden. Darmanin rief die protestierenden Landwirte zur "Mäßigung" auf.

Gepanzerte Fahrzeuge in Frankreich.
Gepanzerte Fahrzeuge in Frankreich.
REUTERS/SARAH MEYSSONNIER

Etwa 30 Traktoren starteten in der Früh in Agen im Südwesten des Landes. Sie sollten am Abend in Limoges mit Konvois aus anderen Regionen zusammentreffen und am Dienstag oder Mittwoch am Großmarkt Rungis eintreffen. "Wir wollen vereint nach Paris ziehen, das ganze ländliche Frankreich", sagte Serge Bousquet-Cassagne, Vorsitzender einer Landwirtschaftskammer im Département Lot-et-Garonne.

Frankreich für Lockerung von EU-Umweltauflagen

Frankreich will den landesweit demonstrierenden Bauern entgegenkommen und auf eine Lockerung von EU-Umweltauflagen drängen. In den kommenden 48 Stunden werde die Regierung dazu bestimmte Vorschläge zur Unterstützung der Landwirte auf den Tisch legen, sagte Agrarminister Marc Fesneau am Montag dem Fernsehsender France 2. Dabei gehe es auch um eine Änderung an den EU-Umweltvorschriften für landwirtschaftliche Flächen, die nach den neuen Biodiversitätsregeln, die im vergangenen Jahr vom Europäischen Parlament im Rahmen des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur beschlossen wurden, brachliegen müssen. Viele Bauern beklagen, dass dies ihren Betrieb erheblich beeinträchtigt.

Frankreichs Premierminister Gabriel Attal hatte den Landwirten angesichts tagelanger Proteste am Freitag weitreichende Hilfszusagen gemacht. Am Sonntag versprach Attal beim Besuch eines Hofes zusätzliche Maßnahmen gegen unfaire Konkurrenz anderer Länder.

Die französische Regierung versucht die landesweiten Proteste vor der bevorstehenden Europawahl im Juni einzudämmen. Sie ist besorgt wegen der wachsenden Unterstützung der extremen Rechten durch Landwirte.

Zusätzlich zu den protestierenden Landwirten blockierten mehrere Hundert Taxis am Montag die Umgehungsstraße von Bordeaux. Sie wollen ihren Forderungen nach einer besseren Entlohnung von Krankentransporten Nachdruck verleihen.

Protestaktionen in anderen Ländern

Auch in Belgien beteiligten sich viele Bauern an Protestaktionen. Mehrere Dutzend Traktoren hatten am Sonntag eine Autobahn im Süden des Landes blockiert. "Wir kommen nicht mehr auf ein akzeptables Einkommen", sagte Pierre D'Hulst vom belgischen Verband der Jungbauern.

In Italien haben sich am Montag ebenfalls die Bauernproteste ausgeweitet. Etwa 70 Traktoren und verschiedene landwirtschaftliche Fahrzeuge versammelten sich auf dem Parkplatz des Stadions von Udine, sie trafen aus verschiedenen Orten der Region Friaul ein. Die Demonstranten organisierten sich spontan und zogen dann in einem Umzug durch die Innenstadt. Sie protestierten gegen die europäische Agrarpolitik.

Auch in Deutschland gingen am Montag die Proteste von Landwirtinnen und Landwirten weiter. In Teilen Hamburgs blockierten hunderte Traktoren den Verkehr. Der wichtige Hafen der zweitgrößten deutschen Stadt war nach Angaben der Hamburger Polizei ebenfalls stark betroffen. Auch andere große deutsche Seehäfen waren das Ziel von Blockaden. Auf der deutschen Autobahn 7 auf Höhe des Elbtunnels staute sich der Lastwagenverkehr laut Polizei am Montagvormittag kilometerweit zurück.

Für den 6. Februar haben zudem verschiedene spanische Bauernverbände landesweit Protestaktionen angekündigt. Man geht davon aus, dass die Landwirte unter anderem auch wichtige Autobahnen, Grenzübergänge zu Frankreich und Häfen blockieren werden, aus denen Agrarprodukte aus dem Nachbarland Marokko importiert werden. Am 21. Februar soll eine Großdemonstration vor dem Landwirtschaftsministerium in Madrid stattfinden. (APA, Reuters, 29.1.2024)