Mann mit UNRWA-Jacke.
Ein Straßenkehrer der UNRWA im Westjordanland.
AFP/JAAFAR ASHTIYEH

Erneut ist von der "kollektiven Bestrafung" der Palästinenser die Rede. Diesmal meinen Hilfsorganisationen aber nicht die Offensive Israels im belagerten Gazastreifen, sondern die Einstellung der Finanzierung des Palästinenserhilfswerks UNRWA durch mehrere Staaten – darunter Österreich und die Großspender USA und Deutschland.

Grund sind jüngste israelische Erkenntnisse, wonach zwölf UNRWA-Mitarbeiter, darunter sieben Lehrer, mutmaßlich an dem Hamas-Massaker am 7. Oktober beteiligt waren. Sie wurden inzwischen entlassen und Untersuchungen angekündigt.

Für weitere Aufregung sorgt zudem ein Bericht des "Wall Street Journal", der sich ebenfalls auf Israels Geheimdienste stützt, dem zufolge bis zu zehn Prozent der rund 12.000 UNRWA-Angestellten in Gaza Verbindungen zur Hamas haben. Sie hätten sich an nicht näher ausgeführten militärischen oder politischen Aktivitäten beteiligt.

Sinnbild des Nahostkonflikts

Die Uno-Organisation, die für die seit 1948 rund sechs Millionen vertriebenen Palästinenser in der Region wichtige Dienste leistet, ist damit wieder Sinnbild des jahrzehntelangen Nahostkonflikts. Solange dieser ungelöst bleibt, wird ein solches Hilfswerk gebraucht. Und doch sind seine Tätigkeiten, die immer wieder als Israel-feindlich gewertet werden, umstritten.

Israel, das sich gegen eine Zweistaatenlösung stellt, spricht gar von einem "Hort für die radikale Ideologie der Hamas". Zudem wirft Israel der Hamas vor, ihre Infrastruktur in Uno-Einrichtungen installiert zu haben – und begründet damit auch sein vielfach kritisiertes militärisches Vorgehen.

Streit über UNRWA-Mittel

UN-Generalsekretär António Guterres, der eine Aufklärung der "entsetzlichen Vorwürfe" fordert, ruft Geberländer dennoch dazu auf, eine Fortsetzung der Arbeit der UNRWA zu gewährleisten. Die Finanzierung reiche nicht aus, um die rund zwei Millionen Zivilisten im zerbombten Gazastreifen im kommenden Monat zu unterstützen. Auch US-Außenminister Antony Blinken spricht von einer unverzichtbaren Rolle der UNRWA. Kanada stockt indes Hilfen für andere im Gazastreifen tätige Uno-Organisationen um rund 30 Millionen Dollar auf.

Für den ehemaligen UNRWA-Chef ist das Timing der Berichte kein Zufall: Israel könnte damit vom Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) ablenken wollen, sagt Matthias Schmale. Am Freitag hatte der IGH Israel Maßnahmen zur Verhinderung von Handlungen, die die Palästinenser als Gruppe treffen, auferlegt – denn solche gebe es offenbar. Dass Mitarbeiter am Hamas-Überfall beteiligt waren, zweifelt Schmale jedoch nicht an. Die Angaben, wonach zehn Prozent Verbindungen zur Hamas hätten, hält er allerdings trotz vorhandener Sympathien in der Belegschaft für "übertrieben".

Langer Weg zu Deal

Im Schatten der Vorwürfe gehen indes nicht nur die heftigen Kämpfe in Khan Junis im südlichen Gazastreifen weiter, sondern auch die Verhandlungen über einen möglichen neuen Deal. Katar und die USA hatten zuletzt Fortschritte vermeldet, wenngleich dieses Bild deutliche Risse hat. Der aktuelle Entwurf sieht laut "New York Times" eine zweimonatige Feuerpause vor: Im Gegenzug für die ersten 30 Tage soll die Hamas weibliche, ältere und verletzte Geiseln freilassen. Für eine Verlängerung sollen dann Männer und Soldaten freikommen. Die Hamas prüft den Vorschlag, der demnach drei Phasen und auch eine Freilassung palästinensischer Gefangener vorsieht, – fordert aber den Abzug israelischer Truppen.

Dem erteilte Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag jedoch erneut eine Absage. Zuvor hatte Außenminister Israel Katz deutlich gemacht, dass man nicht bereit sei, für die Freilassung aller Geiseln den Krieg gegen die Hamas zu beenden.

Unter Druck steht Netanjahu auch von rechts: Sein Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hat mit dem Austritt seiner Partei aus der Koalition gedroht, sollte es einen "rücksichtslosen" Deal zur Freilassung von Geiseln geben. Der Rechtsextreme fordert, dass Israel Gaza wieder besiedelt. Am Dienstag lobte er Spezialkräfte, die in einem Krankenhaus im besetzten Westjordanland drei militante Palästinenser erschossen hatten. Aufnahmen zeigen Mitglieder des Kommandos, die als muslimische Frauen und medizinisches Personal verkleidet mit gezückten Gewehren durch das Spital marschieren. (Flora Mory, 30.1.2024)