Fast eine Woche ist es her, dass die Gunston Hall, ein Docklandungsschiff der U.S. Navy, ihren Heimathafen in Norfolk an der US-Ostküste verlassen hat und damit den Startschuss zu dem größten Nato-Manöver seit Ende des Kalten Krieges gegeben hat. Auch ein kanadisches Schiff, eine Fregatte, ist aus dem Hafen Halifax ausgelaufen und auf dem Weg in Richtung Europa. Insgesamt 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus den USA, Großbritannien und anderen Bündnisstaaten sollen bei dem Steadfast Defender 2024 genannten Drill bis in den Mai hinein üben, wie sich die westliche Allianz im Kriegsfall verteidigen würde. Der Ort: der Osten des Bündnisgebiets zwischen Norwegen und Rumänien. Auch das Noch-nicht-Mitglied Schweden ist dabei.

Der Elefant im Raum heißt Russland. Dass sich die Nato konkret auf Wladimir Putins Reich als Gegner, einen Angriff auf Nato-Territorium aus dem Osten sowie einen damit verknüpften Beistandsfall vorbereitet, findet in der offiziellen Ankündigung des Manövers zwar keinen Niederschlag. Zwischen den Zeilen ist aber genau das herauszulesen. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, der US-General Christopher Cavoli, erklärte den Zweck der großangelegten Übung: "Die Allianz wird ihre Fähigkeit demonstrieren, den euro-atlantischen Raum durch eine Verlegung von US-Truppen zu verstärken."

50 Kriegsschiffe, 80 Kampfjets

In seinen Dimensionen ist Steadfast Defender 2024 jedenfalls aus Nato-Sicht einzigartig: 50 Kriegsschiffe sollen – so wie die 40 Jahre alte Gunston Hall – zur See teilnehmen, darunter auch Flugzeugträger; 80 Kampfjets, Hubschrauber und Drohnen sollen in der Luft üben, 133 Panzer sowie 533 Infanteriefahrzeuge den Bodenkampf simulieren. Das Waffenarsenal, das die Nato bei ihrer Übung präsentiert, ist damit auch ein Fingerzeig in Richtung Kreml, der in der Ukraine einen brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt und auch in den östlichen Nato-Staaten, etwa im Baltikum, Sorgen vor einer Ausweitung der russischen Aggression weckt.

US-Kriegsschiff im Hafen
Die Gunston Hall lag schon 2022 im estnischen Tallinn vor Anker – schon damals als Reaktion auf den russischen Krieg.
IMAGO/Scanpix

Erstmals sollen bei Steadfast Defender 2024, das aus mehr als einem Dutzend geografisch sortierter Teilmanöver der einzelnen Staaten besteht, die 2023 unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges ersonnenen neuen Verteidigungspläne probehalber in die Tat umgesetzt werden. Weil tragfähige West-Ost-Verbindungen, etwa per Eisenbahn, bisher weitgehend fehlen, gilt der Transport schweren Geräts innerhalb Europas als Achillesferse der Nato, weshalb darauf ein Hauptaugenmerk der Übung gelegt wird.

In Russland beobachtet man dies alles mit Argusaugen. Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, nannte den Schritt "provokativ" und warnte vor "tragischen Folgen" einer möglichen Eskalation. Wie diese aussehen könnte, sagte sie nicht. (Florian Niederndorfer, 30.1.2024)