Schier endlos grün erstreckt sich Mallorcas äußerster Osten auf der bergigen Halbinsel des Parc natural de la península de Llevant. Am Horizont über dem Meer erkennt man die Umrisse der Nachbarinsel Menorca. Hierher hat sich der Massentourismus nicht ausbreiten können. Und wird er es auch nicht.

Über etwa 17.000 Hektar, davon circa 6100 Hektar Meeresschutzgebiet, erstreckt sich das streng naturgeschützte Areal seit seiner Erweiterung Ende Februar 2023 mit dem Plan de Ordenación de Recursos Naturales (kurz Porn) – eine Verzehnfachung der Fläche von etwa 1600 Hektar –, just vor der politischen Rechtswende bei den Regionalwahlen im Mai des Vorjahres.

Es ist ein Vogelparadies, in dem seit 2001 keine wirtschaftliche Nutzung abseits des Weidens von ein paar Dutzend Eseln und autochthonen mallorquinischen Kühen in eingezäunten Arealen erlaubt ist – und der traditionellen, streng kontrollierten Jagd.

Die letzten Schweinemastbetriebe wurden geschlossen, von denen nur noch verfallene Ruinen zeugen. Die alten, steinernen Fincas, im Mallorquinischen "Alqueria" genannt, dienen als Info- und Besucherzentrum, unbewirtschaftete Schutzhütten oder kleine Herbergen.

Refugium für Esel, mallorquinische Kühe – und Öko-Touristen, die hier wandern gehen: der Park Llevant auf der Insel Mallorca.
Refugium für Esel, mallorquinische Kühe – und Öko-Touristen, die hier wandern gehen: der Park Llevant auf der Insel Mallorca.
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Kaum jemand verirrt sich hierher, es sei denn, man sucht Einsamkeit und Ruhe und ist in Wanderschuhen auf markierten Routen oder auf dem Mountainbikesattel unterwegs.

Narben durch Waldbrände

Tiefe Narben haben nur wiederholt Waldbrände hinterlassen, die Hirten zur Schaffung von Weideflächen gelegt haben. Doch die Natur erholt sich. Schon 2009 ließ der deutsche Touristikgigant Tui hier seinen ersten "Tui Forest" pflanzen. Ende Oktober 2023 begann man über die in den Niederlanden beheimatete Stiftung Tui Care Foundation den ersten von 57.600 weiteren Bäumen zu setzen. In erster Linie Pinien, Steineichen und wilde Olivenbäume, die sich nach Waldbränden rascher erholen oder feuerresistenter sind. Die Jungbäume sind umzäunt, damit sie nicht von Ziegen abgenagt werden.

In Summe sollen knapp fünf Millionen Bäume weltweit neu gepflanzt werden, so der Plan der von Thomas Ellerbeck geleiteten Stiftung, der vor Ort vor geladenen Medien betonte, "dass eine harmonische Beziehung zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten, sprich verantwortungsbewusstem Tourismus, und dem Kompromiss zum Natur- und Artenschutz geben muss". Tui-CEO Sebastian Ebel versprach, "dass das Unternehmen bis 2033 seinen CO2-Fußabdruck auf null reduziert haben wird". Das bedeutet mehr Solarpaneele, Windenergie, Wasserstoff und Methanol sowie Biogas. Diese Wende könne nur in sehr enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und Regierungen vonstattengehen. "Jeder kleine Schritt zählt."

Auch der Balearen-Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Umwelt Mallorcas, Joan Simonet Pons (Partido Popular, PP), ist im STANDARD-Interview voll des Lobs für das Projekt: "Umweltschutz muss sich für alle lohnen. Nachhaltigkeit hat keinen Sinn, wenn sie nicht ökonomisch nachhaltig ist." Pons gilt als Technokrat, der harte Worte gegen all jene findet, die den Tourismus als Feind bekämpfen – wie die Vorgängerregierung mit den Protesten und Graffitis nach dem Motto "Tourist go home".

Mit dem Meeresschutzprojekt Tui Sea the Change Balearics unterstützt die Care Foundation außerdem lokale NGOs wie die Marilles Foundation, aber auch die nachhaltige Schulung lokaler Fischer und die Schaffung neuer Meeresschutzgebiete mit einer Million Euro. Marilles, gegründet vom Philanthropen und Umweltökonomen Aniol Esteban, pflanzt – neben vielen anderen Projekten – in der Niedrigwasserbucht von Portocolom Posidonia, besser bekannt als Neptungras.

Neptungras-Mythen

Aber bringt das auch alles etwas? Wohl nicht nur – der Direktor der Umwelt- und Meeresschutzpolizei Agents de Medi Ambient, Cristian Ruiz Altaba, betont im STANDARD-Gespräch, "dass viel Unsinn zum Neptungras verbreitet wird". Es brauche keine "150 bis 200 Jahre", wie man in vielen Studien lesen könne, um nachzuwachsen, sondern weit weniger. Und es verbreite sich über Samenkapseln. Das Pflanzen von Klonen wäre eine ideale Gelegenheit für Unternehmen zum Greenwashing,

Cristian Ruiz Altaba ist auch der Kopf hinter der Erweiterung des Llevant-Naturparks – eigentlich hat er auf das Doppelte der Fläche abgezielt: "Alle hielten mich für verrückt", sagt er. Froh ist er darüber, dass die von ihm mitinitiierte Tui-Kooperation zur Aufforstung, die er federführend mitgestaltet hat, umgesetzt wird. Das sei umso wichtiger, als man in Spanien in vielen Bereichen klar den Klimawandel erkennen könne, sagt der Biologe: Ein anschauliches Beispiel dafür seien die Migrations- und Nistzeiten der Vögel. "Die Veränderung scheint weitreichender zu sein, als Studien zum Klimawandel uns glauben lassen", sagt Altaba.

Der sanfte Tourismus, wie er im Llevant-Naturpark versucht wird, könnte ein Rollenmodell für Spanien sein. Wobei man derart innovative Modelle derzeit noch nicht zu brauchen scheint – 2023 war ein Allzeitrekordjahr für das Land. Über 84 Millionen internationale Gäste empfing Spanien, mehr noch als im Spitzenjahr 2019. Heuer sollen die Vorjahresdaten nochmals übertroffen werden. (Jan Marot aus Mallorca, 30.1.2024)