Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und Albaniens Premierminister Edi Rama unterzeichneten schon im Herbst 2023 eine Vereinbarung.
AP/Roberto Monaldo

Am Montag hat das albanische Verfassungsgericht das vergangenen November zwischen der albanischen und der italienischen Regierung unterzeichnete Abkommen über die Unterbringung von Migranten in einem Lager im Ort Lezhë als verfassungskonform gewertet. Angehörige der Opposition im Parlament hatten das Verfassungsgericht um eine Prüfung ersucht, in der Annahme, dass der Plan, dass die italienischen Behörden Lager nach italienischem Recht auf albanischem Boden erbauen und dort über den Rechtsstatus von Geflüchteten entscheiden, dem albanischen Hoheitsrecht widerspräche. Dadurch wurde die Ratifizierung im Parlament ausgesetzt.

Nach der Entscheidung des Gerichts kann nun über die mit dem Plan zusammenhängenden gesetzlichen Vorhaben im Parlament abgestimmt werden. Die Sozialistische Partei des albanischen Premiers Edi Rama verfügt im Parlament über eine Mehrheit. Rama hatte das Abkommen auf Wunsch der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni unterzeichnet, die wiederum auch deshalb gewählt worden war, weil sie eine drastische Reduktion von Migranten in Italien versprochen hatte.

Der Vereinbarung zufolge wird der Landehafen für die Migranten, die in italienischen Gewässern stranden, in Shengjini sein. Die maximale Aufnahmekapazität des Lagers selbst beträgt 3000 Betten. Im Vorfeld wurde ermittelt, dass jährlich bis zu 36.000 Personen dort untergebracht werden sollten – wie dies geschehen soll, ist allerdings unklar.

Albanisches Recht

Bereits das Zustandekommen des Vertrags – also die Unterschrift unter den Deal zwischen Rama und Meloni – wurde von Rechtsexperten angezweifelt, die meinten, dass in Fragen der Menschenrechte und des Territoriums zunächst das Parlament beraten müsse. Doch das Verfassungsgericht kam nun zum Schluss, dass das Migrationsprotokoll zwischen Rama und Meloni weder territoriale Grenzen festlege noch die territoriale Integrität der Republik Albanien verändere. Deswegen falle es nicht unter jene Abkommen, die nicht auch von der Regierung unterzeichnet werden könnten.

Inhaltlich wurde von Kritikern auch auf das Hoheitsrecht hingewiesen, wonach ein Staat einem anderen Staat kein Territorium zur Verfügung stellen und auch nicht Exekutiv-Vollmachten auf Beamte eines anderen Staates übertragen dürfe, so der Verfassungsrechtsexperte und Dekan an der Universität Tirana, Jordan Daci. Ein extraterritoriales Gebiet sei in Albanien ausschließlich für diplomatische Zwecke – also in Botschaften – oder für militärische Zwecke der Nato zulässig, meinten die Kritiker.

Das Verfassungsgericht bewertete die Sachlage nun so, dass durch das Migrationsprotokoll neben italienischem Recht auch albanisches Recht Anwendung fände. Die italienische Gerichtsbarkeit im Bereich der Menschenrechte und der Freiheiten würde die albanische Gerichtsbarkeit nicht ausschließen, so die Richter. Die Regierung hatte als Basis für das Abkommen auf einen Freundschaftsvertrag zwischen Italien und Albanien aus dem Jahr 1995 verwiesen.

Letzte Instanz EGMR

Auch eine mögliche Kollision mit den Menschenrechten wurde von Kritikern immer wieder angesprochen. Eine Freiheitseinschränkung oder Freiheitsberaubung von Migranten, die sich überhaupt nichts haben zu Schulden kommen lassen und die sich nicht in Schubhaft befinden, ist nämlich menschenrechtswidrig. Genau so eine Freiheitsberaubung ist aber in der Vereinbarung vorgesehen.

Im Punkt fünf des sechsten Artikels der Vereinbarung zwischen Meloni und Rama heißt es: "Die zuständigen italienischen Behörden werden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Aufenthalt der Migranten in den Zonen zu gewährleisten und ihnen sowohl während der Dauer des Verwaltungsverfahrens als auch am Ende keine unbefugte Ausreise in das restliche Hoheitsgebiet der Republik Albanien zu ermöglichen, was auch immer das Endergebnis sein mag.“ Im Klartext heißt das: Die Migranten werden in den Lagern eingesperrt und dürfen nicht einmal einkaufen gehen. In dieser Frage können die Kritiker des Abkommens noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen. (Adelheid Wölfl, 30.1.2024)