Der ehemalige Kulturminister Pawel Latuschka bei seinem Auftritt in Wien.
Der ehemalige belarussische Kulturminister Pawel Latuschka ist heute eines der führenden Gesichter der Demokratiebewegung. Am Dienstag war er zu Gast in Wien.
David Pichler

Der prominente belarussische Exilpolitiker Pawel Latuschka fordert ein entschlosseneres internationales Vorgehen gegen das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko. So wäre etwa ein internationaler Haftbefehl gegen Lukaschenko ein "heftiger Schlag" vor der im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahl, sagte Latuschka am Dienstagabend bei einer Veranstaltung im österreichischen Parlament, zu der die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, geladen hatte.

Latuschka gehört zu jenen Regimegegnern, die den seit 1994 amtierenden Lukaschenko besonders gut kennen: Von 2009 bis 2012 war er Kulturminister, danach ging er als Botschafter nach Frankreich. Nachdem Lukaschenko den Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2020 mit mehr als 80 Prozent für sich beansprucht und die anschließenden Massenproteste brutal niedergeschlagen hatte, schloss sich Latuschka dem Koordinierungsrat rund um Swetlana Tichanowskaja an. Tichanowskaja war bei der Wahl gegen Lukaschenko angetreten, wurde danach ins litauische Exil gedrängt und ist heute Kopf der belarussischen Demokratiebewegung.

Im Exil lebt seither auch Latuschka. Er ist stellvertretender Chef des Vereinten Übergangskabinetts von Tichanowskaja, einer Schattenregierung, die sich auch um internationale Vernetzung und Repräsentanz bemüht. Latuschka, der mittlerweile in Abwesenheit zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, beklagte in Wien die fortschreitende Repression in seinem Land: Die Menschenrechtsorganisation Wjasna verzeichne derzeit mehr als 1400 politische Gefangene. Allein vergangene Woche seien 200 Menschen verhaftet worden – manche davon nur, weil sie den Familien von anderen Inhaftierten zuvor Essenspakete hätten zukommen lassen.

Seite an Seite mit Russland

"Seit 2020 sind elf Parteien eliminiert und 1500 NGOs aufgelöst worden. Es gibt keine unabhängigen Medien mehr, 500.000 Menschen haben das Land verlassen", so Latuschka. Und das in einem Staat mit nur etwas mehr als neun Millionen Einwohnern. Latuschkas Hoffnung liegt nun vor allem im Ausland: "Ich glaube an internationales Recht und internationale Verantwortung. Lukaschenko und seine Komplizen müssen für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden."

Sein Team habe beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag bereits zwei Eingaben gemacht: Eine betrifft den Vorwurf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine die angebliche Verschleppung ukrainischer Kinder von russisch besetztem Gebiet nach Belarus. Nun hofft Latuschka auf einen internationalen Haftbefehl, ähnlich wie im Falle der Verschleppung von Kindern gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Eine weitere Forderung Latuschkas betrifft westliche Sanktionen gegen das Regime in Belarus. Diese seien nicht effektiv genug und würden es dem Land weiterhin erlauben, als Schlupfloch für die Umgehung von Sanktionen gegen Russland zu fungieren. "Viele Politiker in den EU-Staaten haben die Rolle Lukaschenkos im russischen Krieg gegen die Ukraine noch nicht verstanden", beklagte er. Belarus könne der russischen Armee künftig nicht nur sein Territorium als Aufmarschgebiet zur Verfügung stellen, sondern sich auch selbst aktiv an Kämpfen beteiligen, warnte Latuschka und verwies dabei auch auf die Stationierung russischer Atomwaffen in seinem Land. (Gerald Schubert, 31.1.2024)