Ofer Kassif, der einzige jüdische Abgeordnete der arabischen Fraktion Chadash-Tal, setzt sich oft für die Belange arabischer Israelis ein, wie hier im Juni 2023.
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Unterstützt ein jüdischer israelischer Abgeordneter die Hamas? Mit dieser Frage beschäftigte sich das israelische Parlament in einem seiner Ausschüsse am Montag – und die Antwort war klar: Ja, der Abgeordnete Ofer Kassif habe seine Unterstützung für die Terrorgruppe ausgedrückt und müsse deshalb seinen Parlamentssitz abgeben, fanden 14 von 17 Ausschussmitgliedern. Nun liegt der Ball beim Plenum des Parlaments. Findet der Antrag auf Mandatsentzug auch dort eine Dreiviertelmehrheit, fliegt Kassif aus dem Parlament – und derzeit sieht es ganz danach aus. Es wäre das erste Mal in der Geschichte Israels, dass einem Abgeordneten sein Mandat entzogen wird.

Was war passiert? Kassif, der einzige jüdische Abgeordnete der arabischen Fraktion Chadash-Tal, unterzeichnete am 7. Jänner eine Petition, die das Genozid-Verfahren gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof guthieß. Zudem teilte Kassif die Petition mit seinen Followern.

Das empörte einen Abgeordneten der Oppositionspartei Israel Beitenu, der daraufhin einen Antrag auf Mandatsentzug stellte. Er begründete das so: Kassif habe durch seine offene Unterstützung der Klage gegen Israel ausgedrückt, dass er "den bewaffneten Kampf einer Terrororganisation gegen den Staat Israel unterstützt" – also den Kampf der Hamas. Das Gesetz nennt drei Gründe, warum ein Abgeordneter sein Mandat verlieren kann. Die Unterstützung einer feindlichen Terrororganisation ist einer davon.

Alle für Mandatsentzug

Im Ausschuss fand der Antrag nicht nur die Unterstützung der Rechtsparteien. Auch die Abgeordneten der Zentrumsparteien Jesh Atid und Nationale Einheitspartei stimmten für den Mandatsentzug. Das ist insofern bemerkenswert, als sich die Generalstaatsanwaltschaft klar dagegen ausgesprochen hat. Während der monatelangen Demonstrationen gegen den geplanten Justizumbau der Rechtsregierung hatten sich die beiden Parteien stets auf die Seite der Generalstaatsanwaltschaft gestellt.

Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft, Avital Sompolinski, legte im Ausschuss dar, warum sie keinen Grund für einen Mandatsentzug sieht. Es gebe keine Beweise, dass Kassif die Hamas unterstütze. Selbst wenn man annehme, dass die Klage Südafrikas vor dem IGH die Position der Hamas stärke, erfordere es "viele logische Sprünge", um bei der Schlussfolgerung zu landen, dass Kassifs Unterstützung des IGH-Verfahrens einem Gutheißen des Hamas-Terrors gleichkommt. Kassifs Äußerung sei somit vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Wer Kassif das Mandat entziehen wolle, gefährde damit seine eigene Redefreiheit, fügte Sompolinski hinzu, worauf ihr prompt "Schande!"-Rufe entgegenschlugen.

Achmed Tibi, der Fraktionsvorsitzende von Kassifs Partei Chadash-Tal, brachte einen Vergleich: "Hätte Kassif der Hamas einen Scheck über 3000 Schekel (756 Euro) übergeben und nicht Millionen Cash in Koffern, wäre er schon lange nicht mehr hier." Eine Anspielung auf die Regierung unter Benjamin Netanjahu, die jahrelang Cashzahlungen an die Hamas in Milliardenhöhe vermittelte, weil man dachte, die Terrorgruppe auf diese Weise besänftigen zu können.

Oberster Gerichtshof am Zug

Es gilt als wahrscheinlich, dass sich auch im Knesset-Plenum die nötigen 90 Stimmen für einen Mandatsentzug finden werden. Der 59-Jährige darf dann zwar noch 14 Tage im Parlament bleiben, aber an keinen Abstimmungen mehr teilnehmen. Er hat jedoch das Recht, die Entscheidung am Obersten Gerichtshof zu bekämpfen – und seine Chancen auf Erfolg stehen gut, da er die Generalstaatsanwaltschaft auf seiner Seite weiß.

Unter den Wählern der Arabischen Liste verstärkt die Affäre jedoch das Gefühl, dass ihre Stimmen weniger wert sind als jene für die zionistischen Parteien im Parlament. Die vielen hetzerischen Äußerungen der rechtsextremen Abgeordneten, die eine Auslöschung der Palästinenser in Gaza gefordert hatten, hatten zu keinem Antrag auf Mandatsentzug geführt. Das Gesetz hätte dafür sehr wohl eine Grundlage geboten: Ein Grund für den Ausschluss aus dem Parlament ist die "Anstachelung zum Rassismus". (Maria Sterkl aus Jerusalem, 31.1.2024)