Manche Unternehmen verdienen so viel Geld, dass ihre Geschäfte selbst dann noch gut laufen, wenn es schon längst bergab geht. Diese Erfahrung macht gerade die Raiffeisenbank International (RBI) in Russland. Bereits 2022 machte die russische RBI-Tochter zwei Milliarden Euro Gewinn nach Steuern. Im vergangenen Jahr war das Plus deutlich kleiner, aber immerhin kommen noch einmal 1,34 Milliarden Euro dazu, wie das Institut am Mittwoch bei der Präsentation seiner Jahreszahlen bekanntgab. Russland gilt als Mekka für Banker. Das hat selbst der Krieg in der Ukraine nicht geändert.

3,3 Milliarden Euro Gewinn hat die Raiffeisen allein über ihre Tochter in Russland erwirtschaftet.
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Allerdings hat die Sache einen Haken. Die RBI kommt an ihr Geld in Moskau, insgesamt 3,3 Milliarden, wegen der Sanktionen nicht heran. Der Westen hat Russland mit umfassenden Wirtschaftssanktionen belegt, der Kreml nachgezogen. Die Gelder der Giebelkreuzer hängen also fest. Doch die Bank arbeitet mit Hochtouren an einem komplizierten und heiklen Deal, um das zu ändern. Dazu gibt es neue Informationen. RBI-Vorstandschef Johann Strobl sagte am Mittwoch, dass er davon ausgeht, das Closing des Geschäfts noch im ersten Quartal 2024 zu schaffen. Die RBI habe die Überprüfung des Deals beendet und alle notwendigen Dokumente den Behörden übergeben.

Wie sieht dieses Geschäft nun konkret aus? Die RBI wird streng genommen nicht an ihr Geld in Russland kommen, soll aber dafür eine Beteiligung an der Strabag erhalten. Der Deal krempelt also auch die heimische Baubranche um.

Im ersten Schritt soll der russische Oligarch Oleg Deripaska seine Anteile an der Strabag, die er über eine Gesellschaft namens Rasperia Trading Limited hält, an eine russische Firma verkaufen. Deripaska befindet sich seit April 2022 auf einer EU-Sanktionsliste. Der Unternehmer und Multimilliardär mit guten Verbindungen zum Kreml soll die russische Armee mit Ausrüstung versorgt haben, so der Vorwurf. Deripaska erhält deshalb von der Strabag auch keine Dividenden mehr.

Der entscheidende Faktor

Die 27,78 Prozent Deripaskas an der Baufirma soll eine russische Aktiengesellschaft namens Iliadis Joint Stock Company erwerben. Sie soll die Strabag-Anteile ihrerseits an die RBI-Tochter in Russland weiterverkaufen, für 1,51 Milliarden Euro. Die RBI in Russland würde dann im letzten Schritt ihre Anteile an der Strabag an die Konzernmutter in Österreich übertragen.

Der Deal steht und fällt damit, dass an der Iliadis keine sanktionierte Person mehr beteiligt oder federführend involviert ist. Bei der Raiffeisen beteuert man das: Man habe eine umfassende Prüfung durchgeführt, bei der auch internationale Berater involviert gewesen sein sollen. Die Iliadis wurde laut russischen Verzeichnissen erst im Juli 2023 gegründet, also wenige Monate vor Bekanntgabe des Deals.

Von wem? Das ist nicht ersichtlich, weil bei der entsprechenden Rechtsform laut russischem Recht die Gründer nicht offengelegt werden müssen. Wer hinter dem Unternehmen steht, will auch Bankenchef Strobl nicht sagen, dazu sei Stillschweigen vereinbart worden.

In das Geschäft ist freilich noch ein bekannter Unternehmer involviert: der österreichische Investor Stephan Zöchling. Er ist Miteigentümer des steirischen Auspuffspezialisten Remus und ist an jener neu gegründeten österreichischen Gesellschaft beteiligt, an die die Anteile der Strabag übertragen werden sollen: an der Gabarts Beteiligung GmbH & Co KG. Zöchling ist laut Firmen-Compass Geschäftsführer und unbeschränkt haftender Gesellschafter dieses Unternehmens. De facto bestimmt die Geschicke der Gesellschaft aber die RBI, wie sie sagt, sie kontrolliere Gabarts.

Die Rolle des Vermittlers

Zöchling hat auf Vermittlung von Siegfried Wolf, Investor mit guten Russland-Kontakten, jahrelang für Deripaska gearbeitet. Und zwar sogar genau für jene Gesellschaft, über die der mittlerweile sanktionierte Oligarch seine Strabag-Anteile hielt und die jetzt die Raiffeisen kaufen möchte. Dokumente, die dem STANDARD vorliegen, zeigen, dass Zöchling von Dezember 2014 bis Jänner 2017 Mitglied des Vorstands war. Damals war die Rasperia noch auf Zypern registriert. Wie eng heute die Abstimmung zwischen Zöchling und Deripaska ist, weiß man freilich nicht. Zöchling hat sich schon die Reste der Sberbank Europa AG in Wien geschnappt, jener Bank, die nach Kriegsbeginn von der Aufsicht abgewickelt wurde.

Und wozu gründet die RBI überhaupt eine Gesellschaft mit Zöchling und beteiligt ihn am Geschäft? Zöchling habe eine Rolle bei der "Strukturierung" des Deals gespielt, sagt RBI-Chef Strobl, und er sei ein fähiger Manager.

Zöchling lässt über seinen Anwalt ausrichten, dass "die Vertreter der RBI und ich diese Transaktion gemeinsam entwickelt, verhandelt und zu dem nun vorliegenden Ergebnis gebracht haben. Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass ich mich seit mehr als zehn Jahren in verschiedenen Funktionen mit der Strabag und ihrem Aktionariat beschäftige." Er werde "in enger Abstimmung" mit der RBI die Geschäfte der Gabarts GmbH & Co KG führen.

Bei der Strabag ist man weniger euphorisch, was den Deal betrifft. "Wir kennen die vollständige Struktur des Beteiligungswechsels derzeit nicht und befinden uns noch mitten in der Prüfung", sagt der deutsche Sanktionsexperte und Anwalt Viktor Winkler, der die Strabag in dieser Angelegenheit berät, dem STANDARD. Es sei derzeit nicht absehbar, ob der Deal alle sanktionsrechtlichen Bestimmungen erfülle. (Timo Schober, András Szigetvari, 31.1.2024)