Maurizio Leo, Vizeminister für Finanzen und Vertrauter in der italienischen Regierung von Giorgia Meloni, hat schweres verbales Geschütz aufgefahren: "Die Steuerhinterziehung ist so schlimm wie der Terrorismus. Der Staat verliert dadurch jedes Jahr 80 bis 100 Milliarden Euro." Das könne nicht so weitergehen, betonte der Vizeminister der rechten Fratelli d'Italia (FDI) und kündigte eine neue, durchaus kreativ anmutende Waffe gegen die Schummler an: Künftig würden die italienischen Steuerfahnder auch die Social-Media-Profile überprüfen können. "Wenn Freiberufler und Unternehmer Fotos von ihrem Malediven-Urlaub oder Selfies vom Besuch von Fünf-Sterne-Restaurants posten, dann kann das Aufschluss über ihr Einkommen und ihren Lebensstil geben", erläuterte Leo.

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni macht Jagd auf Steuerhinterzieher.
REUTERS/GUGLIELMO MANGIAPANE

Die Einträge und Storys auf Facebook oder Instagram könnten in Zukunft also leicht zu einer unfreiwilligen Selbstanzeige werden – jedenfalls dann, wenn der Betreffende in seiner Steuererklärung ein Einkommen deklariert hat, das mit dem geposteten Luxusleben nicht kompatibel erscheint. Die Zielgruppe der neuen Kontrollmethode sind weniger Privatpersonen und Angestellte, sondern die von Leo erwähnten Selbstständigen und Ich-AGs, die laut einer Erhebung des Finanzministeriums bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes am Fiskus vorbei erwirtschaften und für einen erheblichen Teil der Steuerausfälle verantwortlich sind.

Die italienischen Steuerbehörden sind schon heute zum Teil recht einfallsreich. So hat die Finanzpolizei im vergangenen Winter im Nobel-Skiort Cortina d'Ampezzo die Nummernschilder aller Luxus-SUVs und Sportwagen notiert und anschließend die Steuererklärungen der Besitzer auf ihre Plausibilität überprüft. Bei Razzien in Restaurants wiederum wurde die Zahl der Stoffservietten, die die Lokale in die Wäscherei gegeben hatten, mit den von den Restaurantbesitzern angegebenen Umsatzzahlen verglichen. Dabei seien jeweils zahlreiche "Inkongruenzen" zutage getreten, hieß es. Solche "Inkongruenzen" seien, wie künftig auch unvorsichtige Einträge in den sozialen Medien, zwar kein Beweis für Steuerbetrug; aber sie könnten Anlass für eine genauere Prüfung der Angaben des Steuerpflichtigen sein, betonte Leo.

Widersprüchliche Strategie

Insgesamt gesehen bleibt die Strategie von Meloni gegen die Steuerhinterziehung jedoch widersprüchlich. Kaum im Amt, hat sie Steuern für Selbstständige und Kleinbetriebe als "staatliches Schutzgeld" bezeichnet, was natürlich Musik in den Ohren der Schummler war. Und tatsächlich hat die Rechtskoalition auch schon diverse Maßnahmen erlassen, die von der Opposition als Geschenk an die Steuerhinterzieher bezeichnet wurden. So hatte die Regierung bereits in ihrem ersten Haushalt eine Steueramnestie erlassen und die Höchstgrenze für Barzahlungen von 1000 auf 5000 Euro hinaufgesetzt. Bei Letzterem wurde Meloni von der EU zurückgepfiffen.

Die jüngste potenzielle Steueramnestie der Regierung ist erst ein paar Tage alt: Diese Woche hat der Ministerrat ein neues Gesetz verabschiedet, das es den Selbstständigen und Einzelunternehmen, die nicht von einer Einheitssteuer von 15 Prozent profitieren, erlauben wird, ihren Steuerbetrag mehr oder weniger selbst festzulegen. Das sogenannte Konkordat sieht – vereinfacht formuliert – vor, dass die Steuerpflichtigen wählen können, ob sie in den nächsten zwei Jahren den gleichen Betrag abliefern wollen wie im Schnitt der Vorjahre. Die Opposition bemängelte, dass davon vor allem diejenigen profitieren werden, die schon in den Vorjahren betrogen hätten.

Wie mit Steuersündern umzugehen sei, ist also durchaus umstritten in Melonis Regierung. Das zeigt sich auch an den Reaktionen innerhalb der Koalition. Der Lega-Staatssekretär Armando Siri, wirtschaftlicher Berater von Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini, sprach im Zusammenhang mit der geplanten Überprüfung der sozialen Medien von einer "Hexenjagd", die durch das Regierungsprogramm nicht abgedeckt sei. Das Schnüffeln in der Privatsphäre der Bürger zu fiskalischen Zwecken überlasse man lieber den antiliberalen Ideologen, sprich: der Linken. Innerhalb der Regierungskoalition ist es in erster Linie Salvini, der bei den Steuerhinterziehern ein Auge zudrücken möchte. (Dominik Straub aus Rom, 1.2.2024)