Dramatische Szenen spielten sich am Donnerstag in der belgischen Hauptstadt Brüssel ab: Protestierende Landwirtinnen und Landwirte legten vor dem Europäischen Parlament an der zentralen Rue Wiertz Feuer, errichteten Barrikaden, warfen Steine und Eier auf das Gebäude und blockierten zudem mit ihren Traktoren drei wichtige Verteilzentren einer belgischen Supermarktkette. So wie auch in anderen europäischen Ländern, darunter Frankreich und Portugal, wollten die Demonstrierenden damit auf die ihrer Ansicht nach unfaire Behandlung in ihrer Branche aufmerksam machen.

Demonstranten in Brüssel.
Brennende Barrikaden vor dem Europäischen Parlament in Brüssel.
AP/Thomas Padilla

1.000 Traktoren waren am Vormittag aus dem Umland in das Zentrum Brüssels gefahren, wie die belgische Polizei schätzte. Mehrere Durchzugsstraßen wurden blockiert. Während in dem Parlamentsgebäude über weitere Ukrainehilfen beraten wurde, zog die Polizei davor Spezialkräfte zusammen, errichtete ihrerseits Sperren und setzte Tränengas ein, um die wütenden Landwirte auf Abstand zu halten.

"Keine Landwirte, keine Lebensmittel"

Auf einem Traktor etwa war ein Transparent mit der Aufschrift "Wenn du die Erde liebst, unterstütze diejenigen, die sie bewirtschaften" zu sehen, auf einem anderen Transparent stand: "Keine Landwirte, keine Lebensmittel".

Der Brüsseler Nahverkehrsbetreiber teilte auf X, ehemals Twitter, mit, dass mehrere Buslinien wegen der Proteste gestört seien. Auch aus Italien, Spanien und anderen EU-Ländern waren Vertreter nach Brüssel gekommen. Ihre Klagen: nicht genug Geld zum Leben, Schwierigkeiten mit Klimaschutzgesetzen sowie unfaire Konkurrenz aus Drittstaaten.

Feuer und Ausschreitungen in Brüssel
Die Innenstadt von Brüssel glich am Donnerstag einem Schlachtfeld.
AFP/DIRK WAEM

Die Supermarktkette Colryut, eine der größten Belgiens, erklärte am Donnerstag, dass drei ihrer Verteilungszentren von Traktoren blockiert seien. Die Versorgung mit Wasser, Trockenprodukten sowie Tiefgekühltem sei deshalb unterbrochen.

Verständnisvolle Politiker

Die EU-Spitzen, die im Inneren tagten, signalisierten derweil Verständnis für die Anliegen der Landwirte. Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo etwa begrüßte die unlängst von der Kommission beschlossene Verlängerung der Ausnahmen von Umweltauflagen: "Besser wäre, das nicht nur für ein Jahr zu verlängern", sagte er.

Lkw auf einer Autobahn in Blockade
Die französische Autobahn A9, die nach Spanien führt, wurde am Donnerstag blockiert.
AFP/ED JONES

Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar forderte, die EU solle in den kommenden Jahren darauf verzichten, neue Auflagen zu erlassen. Er schloss sich auch dem französischen Widerstand gegen das Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten an. "Mercosur kann in der jetzigen Form nicht ratifiziert werden", sagte Varadkar. Verärgert sind auch osteuropäische Bauern, die Preisdruck infolge der Aussetzung von Einfuhrzöllen auf Lieferungen aus der Ukraine beklagen. Auch hier will die EU-Kommission mit Mengenbeschränkungen nachbessern.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán verbreitete hingegen auf X ein Video, das ihn im Kreise der Protestierenden zeigte und in dem er sie als "Stimme des Volkes" bezeichnete, für die er "aufstehen" werde. Anders der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas: Dieser äußerte sich besorgt über die Ausschreitungen vor dem Europaparlament. "Die Anliegen der Landwirte sind verständlich, die Form des Protests überschreitet aber eine Linie. Wir sind ein Haus des Kompromisses und Dialogs. Es braucht eine inhaltliche Lösung – ohne Gewalt", schrieb Karas auf X unter ein Foto, das ein umgestürztes Denkmal vor dem EU-Gebäude zeigt. (flon, 1.12.2024)