Für den Angeklagten empfindet Arthur Engoron erkennbar wenig Sympathie. Doch von Donald Trumps Technik des Spannungsaufbaus hat sich der weißhaarige Richter in dem New Yorker Betrugsverfahren gegen den Ex-Präsidenten offenkundig allerhand abgeschaut. Eigentlich hatte er eine Entscheidung "bis Ende Jänner" angekündigt. Als sich dann am Mittwoch in den Onlinemedien ein gewaltiger Hype aufbaute und Engorons Name bei X (ehemals Twitter) trendete, ließ der Jurist durchsickern, dass er noch ein bisschen Zeit brauche. Anfang nächster Woche aber, so unken die Auguren, soll das Urteil fallen.

Donald Trump auf einer Gerichtszeichnung vom 26. Jänner.
Donald Trump auf einer Gerichtszeichnung vom 26. Jänner.
REUTERS/JANE ROSENBERG

Dass er Trump für schuldig hält, jahrelang den Wert seines Vermögens aufgebläht zu haben, um günstigere Bankkredite und Versicherungen zu bekommen, hat Engoron schon erklärt. Nun geht es um die Höhe und das Ausmaß der Sanktion. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Geschäftsverbot für Trump in New York und eine Strafe von 370 Millionen Dollar. Das wäre ein zweiter, gewaltiger finanzieller Schlag für den Milliardär: Erst vor wenigen Tagen war er wegen der Verleumdung der Schriftstellerin E. Jean Carroll, die er 1996 sexuell genötigt hatte, zu einer Schadenersatzzahlung von 83,3 Millionen Dollar (76,9 Millionen Euro) verurteilt worden.

Seit Wochen bepöbelt Trump daher den Richter, der auch anonyme Morddrohungen erhielt. Sollte er der Staatsanwaltschaft folgen, wäre dies die bislang schmerzhafteste gerichtliche Niederlage von Trump. Nach Schätzungen des Magazins "Forbes" ist dessen Vermögen in den vergangenen Jahren bereits auf 2,6 Milliarden Dollar geschrumpft. Davon steckt der Großteil in Golfklubs, Resorts, Hotels und anderen Immobilien. Die liquiden Mittel und persönlichen Besitztümer werden auf 640 Millionen Dollar geschätzt.

Berufung sicher

Zwar dürfte Trump gegen die Strafe wie auch gegen den Schadenersatz für E. Jean Carroll sofort in Berufung gehen. Das aber treibt seine wegen dieser beiden Zivilverfahren und der vier gegen ihn laufenden Strafverfahren ohnehin horrenden Anwaltskosten weiter in die Höhe. Nach Recherchen der "New York Times" zweigt er dafür inzwischen rund zehn Prozent der Wahlkampfspenden ab: 50 Millionen Dollar aus Kampagnenfonds soll er über komplizierte Konstrukte für seine Verteidigung zweckentfremdet haben. Doch während die Zivilverfahren zügig und für Trump finanziell höchst unerfreulich vorangehen, steckt bei den politisch schwerwiegenderen Strafverfahren aus unterschiedlichen Gründen Sand im Getriebe.

Teils ist Trumps Taktik des Verzögerns und Störens erfolgreich, teils gefährden hausgemachte Probleme der Justiz das Fortkommen. So erscheint es trotz insgesamt 91 Anklagepunkten zunehmend fraglich, ob der mutmaßliche Präsidentschaftsbewerber der Republikaner noch vor den Wahlen im November verurteilt wird. Zwei Prozesse sollen eigentlich im März beginnen: Die Eröffnung des wohl wichtigsten Verfahrens wegen der versuchten Wahlbeeinflussung und des Putschversuches vor einem Bundesgericht in Washington ist auf den 4. März terminiert. Doch behauptet Trump, während seiner damaligen Nochpräsidentschaft habe er Immunität genossen. Seine Klage dürfte vor dem obersten Bundesgericht, dem Supreme Court, entschieden werden. Beobachter spekulieren deshalb, dass das eigentliche Verfahren verschoben werden könnte.

Am 25. März soll dann nach bisherigem Stand der Auftakt des New Yorker Verfahrens wegen unsolider Geschäftsberichte, in denen unter anderem die Schweigegeldzahlung an den Ex-Porno-Star Stormy Daniels kaschiert wurde, sein. Der Richter hat erklärt, dass er den Prozess bei Terminüberschneidungen mit anderen Verfahren bis zum Sommer ruhen lassen könnte. Der Prozess wegen der in Trumps Anwesen Mar-a-Lago ungesichert gelagerten geheimen Regierungsdokumente soll in Florida am 20. Mai beginnen. Doch auch hier bombardieren die Anwälte des Ex-Präsidenten die Justiz mit Eingaben, und die einst von Trump ernannte, konservative Richterin Aileen Cannon hat bereits eine mögliche Verschiebung angedeutet.

Prozessrisiko?

Am heikelsten aber ist die Lage in Georgia, wo Trump zusammen mit 18 Verbündeten wegen organisierter Kriminalität zur Wahlfälschung angeklagt ist. Der Vorwurf von Bezirksstaatsanwältin Fani Willis wiegt schwer, und er scheint gut begründet. So gibt es ein Tonband, auf dem Trump den Innenminister des Bundesstaats auffordert, ihm 11.000 Stimmen (die Differenz zum Ergebnis von Joe Biden) zu besorgen. Doch ausgerechnet die toughe Anklägerin selbst könnte nun zum Prozessrisiko werden. Angeblich steht Willis nämlich in einer Liebesbeziehung mit dem von ihr eingesetzten Chefermittler, der trotz eher bescheidener Referenzen für seine Arbeit seit November 2021 rund 650.000 Dollar erhalten hat. Laut Medienberichten soll der Ermittler für gemeinsame Urlaubsreisen mit Willis gezahlt haben.

Die Staatsanwältin hat seine Berufung verteidigt, eine Beziehung aber nicht ausdrücklich dementiert. Mitte Februar soll ein Gericht entscheiden, ob Willis wegen eines möglichen Interessenkonflikts von dem Trump-Prozess abgezogen wird. In diesem Fall müsste auch ihr gesamtes Team ausgewechselt werden, was einen erheblichen zeitlichen Rückschlag für das Verfahren bedeuten dürfte. (Karl Doemens aus Washington, 1.2.2024)