Lewis Hamilton lacht bei einer Pressekonferenz
Eine Saison lang fährt Lewis Hamilton noch für Mercedes, danach wechselt er zu Ferrari.
EPA/ANDRE PICHETTE

Es ist der vielleicht spektakulärste Wechsel der Formel-1-Geschichte. Lewis Hamilton verlässt Mercedes und fährt für Ferrari – ab 2025. Der erfolgreichste Fahrer der Geschichte wechselt zum prestigeträchtigsten Team: Die Macher der Formel 1 können ihr Glück kaum fassen. Der Schritt wurde am Donnerstagabend offiziell, bringt Aufmerksamkeit und liefert Diskussionsstoff für die kommenden Jahre.

Dieser Wechsel galt lange Zeit als völlig unmöglich. Hamilton selbst stritt Gerüchte über ein mögliches Engagement bei Ferrari glaubhaft ab, das Verhältnis zu Mercedes und Teamchef Toto Wolff schien unzertrennlich. Erst in der vergangenen Saison verkündete Hamilton, am liebsten mit Mercedes in den Ruhestand gehen zu wollen. Eine Botschafterrolle für den Konzern stand in Aussicht, für die Zeit nach der aktiven Karriere. Es gebe keinen Ort, an dem er lieber wäre als im Mercedes-Umfeld, sagte Hamilton.

Am Donnerstag klang das anders. "Die Zeit ist reif für mich, diesen Schritt zu gehen, und ich freue mich darauf, eine neue Herausforderung anzunehmen", wurde Hamilton in einer Aussendung zitiert. Wie kam es dazu, dass er das Ferrari-Cockpit jenem bei Mercedes vorzieht? Was treibt den Briten an? Drei Gründe, die für den Blockbuster-Wechsel sprechen.

1. Sehnsucht Scuderia

Beim Wechsel schwingt viel Romantik mit. Jeder Rennfahrer träumt davon, eines Tages den roten Rennoverall von Ferrari überzuziehen. "Jeder ist Ferrari-Fan", sagte der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel einmal. "Selbst wenn du zu Mercedes gehst und sie dir sagen, Mercedes sei die größte Automarke der Welt, sind sie Ferrari-Fans."

Der italienische Rennstall steht wie kein zweiter für die Formel 1. Die Scuderia ist das einzige Team, das seit der Gründung der Formel 1 im Jahr 1950 in jeder Saison angetreten ist. Ferrari hält mit mehr als 200 Grand-Prix-Siegen, 15 Fahrer- und 16 Konstrukteurs-Weltmeisterschaften jeweils Rekordmarken.

Die Scuderia erlebt aktuell eine der längsten Durststrecken ihres Bestehens. Daran ist auch Hamilton schuld: 2008 schnappte er Felipe Massa mit einem Überholmanöver gegen Timo Glock in der letzten Runde der Saison den Titel weg. Ferraris letzter Fahrertitel stammt aus dem Jahr davor, damals setzte sich Kimi Räikkönen mit einem Punkt Vorsprung gegen Hamilton und dessen damaligen Teamkollegen Fernando Alonso durch.

Aber der ausbleibende Erfolg wird überstrahlt vom Mythos der Marke. Hamilton zeigt Respekt vor der Geschichte der Formel 1, deren Wurzeln liegen ihm am Herzen – und damit auch Ferrari. Er besitzt Berichten zufolge mehrere Ferrari-Sportwagen in seiner Privatsammlung. Mit dem Ferrari-Vorsitzenden John Elkann soll er eine Freundschaft pflegen. Mit dem Wechsel stillt Hamilton eine Sehnsucht.

2. Red Bull ist der Konkurrenz enteilt

Die Enttäuschung von 2021 treibt Hamilton bis heute an. Die vielleicht packendste WM-Entscheidung überhaupt ging zugunsten von Max Verstappen aus. Die Rennleitung entschied beim Grand Prix von Abu Dhabi kurzfristig, das Rennen nach einer Safety-Car-Phase für eine letzte Runde freizugeben. Verstappen überholte Hamilton auf der Strecke und damit auch in der Gesamtwertung, Mercedes fühlte sich durch die Regelauslegung um den Titel betrogen.

Seither ist Red Bull der Konkurrenz völlig enteilt, in der vergangenen Saison sorgte Carlos Sainz in Singapur für den einzigen Grand-Prix-Sieg bei 23 Rennen, der nicht auf das Konto von Verstappen oder Sergio Perez ging. Mercedes verzettelte sich mit dem Konzept für das neue Auto, bei dem die für die Balance ausschlaggebenden Seitenkästen besonders schmal konstruiert wurden.

Der Abstand zu Red Bull ist riesig. Hamilton strebt nach dem achten WM-Titel, der ihm die alleinige Rekordmarke bringen würde. Bis heute teilt er sich diese mit Michael Schumacher. Wäre Hamilton sicher, dass Mercedes ein konkurrenzfähiges Auto gebaut hat, das Red Bull in der WM gefährlich werden könnte, wäre er wohl nicht zu Ferrari gewechselt. Bekommt es Ferrari tatsächlich besser hin als Mercedes? Red Bull zu fordern wird mehr als schwierig, Ferrari scheint für Hamilton trotzdem die sicherere Wette zu sein.

2026 stehen große Änderungen im Reglement an: Die Autos werden kleiner und leichter, die Motoren mit nachhaltigem Treibstoff angetrieben, und der Anteil der elektrischen Leistung steigt auf 50 Prozent. Ferraris Teamchef Fred Vasseur, bei dessen Team Hamilton vor der Formel 1 in unteren Klassen fuhr, bastelt aktuell an einem Superteam. Hamilton als Zugpferd könnte auch Personal aus der Entwicklungsarbeit zu einem Wechsel zu Ferrari bewegen.

3. Hamilton sucht das letzte Puzzleteil

Wenn Hamilton zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen für Ferrari bestreitet, wird er 40 Jahre alt sein. Im vergangenen Sommer mutmaßte die Szene noch über ein Karriereende, Hamilton dürfte mit dem Gedanken gespielt haben. Nun wird er mindestens für zwei weitere Jahre der Formel 1 erhalten bleiben. Das Engagement bei Ferrari motiviert ihn und ist die letzte große Herausforderung und Vollendung seiner Karriere.

Schon sein Wechsel 2013 von McLaren zu Mercedes war umstritten. Sein altes Team fuhr um WM-Titel, Mercedes saß im Mittelfeld fest. Der Instinkt, der Hamilton vom Wechsel überzeugte, war richtig: Es folgten sechs WM-Titel mit Mercedes.

Ganz so erfolgreich wird seine Ära bei Ferrari wohl nicht werden. Selbst mit seinen sieben WM-Kronen wird Hamilton bei Ferrari Druck verspüren, seine vergangenen Erfolge verpflichten. Die Tifosi in Italien fordern Erfolg ein. Wenn Hamilton abliefert, wartet in Italien nichts weniger als seine Heiligsprechung.

Der Worst Case wäre, Ferrari schafft es nicht, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen, und stellt die strategischen Fehler aus den vergangenen Saisonen nicht ab. Hamilton würde die achte Weltmeisterschaft nicht erreichen, aber erfüllt sich einen Traum, den sich nur wenige verwirklichen: im roten Ferrari Formel-1-Rennen zu fahren. (Lukas Zahrer, 2.2.2024)