Ein Fiat 500 und ein Fiat Panda vor historischen Gebäuden in Bologna
Der Fiat 500 und der Panda stehen für Fiat. In Italien ist die Sorge groß, dass Werke in Italien vom Mutterkonzern Stellantis ausgehungert werden und dass Arbeitsplätze verlorengehen.
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Alfa Romeo, Lancia, Maserati: Alles klingende Namen. Und natürlich Fiat, die Abkürzung von Fabbrica Italiana Automobili Torino. Doch die italienischen Traditionsmarken, die im Laufe der Jahre alle im Schoß eines einzigen Konzerns, des Fiat-Konzerns eben, gelandet waren, befinden sich seit längerer Zeit in der Krise; Alfa Romeo und Lancia sind, nicht nur bezüglich der Verkaufszahlen, nur noch ein Schatten ihrer selbst.

In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts stammte noch jedes zweite in Italien verkaufte Auto aus den Fiat-Fabriken, Anfang des 21. Jahrhunderts immerhin noch jedes vierte, heute nicht einmal mehr jedes zehnte. Und der Gipfel der Schmach: Vergangenes Jahr hat der VW-Konzern in Italien mehr Autos verkauft als alle italienischen Marken zusammen. Wenigstens blieb der Fiat Panda das – mit Abstand – am meisten verkaufte Auto in Italien.

Schleichender Niedergang

Der schleichende Niedergang der italienischen Automobilindustrie hat nicht erst im Jänner 2021 mit der Fusion von Fiat-Chrysler (FCA) mit dem französischen PSA-Konzern zu Stellantis eingesetzt – aber er hat sich seither deutlich akzentuiert. Das lässt sich auch am Personalbestand in den ingesamt sechs italienischen Produktionsstätten ablesen: Hatte der Stellantis-Konzern im Jahr der Fusion in Italien noch 51.000 Beschäftigte in Italien, sind es heute noch 43.000 – und die meisten von ihnen leisten Kurzarbeit.

Besonders dramatisch ist die Situation im Fiat-Stammwerk Mirafiori in Turin, einem italienischen Industrie-Mythos. Wo in den besten Zeiten gegen zwei Millionen Autos jährlich von den Bändern rollten, waren es 2023 waren es noch 96.000. Etliche Fiat-Modelle, wie etwa der kürzlich vorgestellte elektrische Fiat 600, werden inzwischen in Osteuropa gebaut.

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni
Die Rechtsregierung in Italien mit ihrer Chefin Giorgia Meloni überlegt eine Staatsbeteiligung am Autokonzern Stellantis, unter dessen Dach sich seit geraumer Zeit auch Fiat befindet.
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Regierungschefin Giorgia Meloni will dem stillen Rückzug von Stellantis aus Italien nun nicht mehr tatenlos zusehen. Sie befindet sich seit längerem in einem heftigen Streit mit Stellantis-Konzernchef Carlos Tavares, der bei der Fusion noch versichert hatte, dass es in Italien zu keinem Jobabbau kommen werde. "Wenn man ein Auto auf dem Weltmarkt als ein italienisches Juwel verkaufen will, dann muss dieses Auto in Italien hergestellt worden sein", betonte Meloni mit Blick auf den Fiat 600.

Im Visier der Regierungschefin befindet sich aber auch John Elkann, Enkel des früheren Fiat-Patrons Gianni Agnelli. Elkanns Familien-Holding Exor ist mit 14,3 Prozent die größte Einzelaktionärin von Stellantis. Meloni wirft Elkann vor, in eine "Schein-Fusion" eingewilligt zu haben, die nichts anderes gewesen sei als eine Übernahme von FCA durch die französische PSA. Tatsächlich befindet sich die Stellantis-Konzernzentrale in Paris.

Streit eskalierte

Bei einem Treffen von Tavares mit dem italienischen Industrieminister Adolfo Urso, den Gewerkschaftsspitzen und Vertretern der Regionen mit Produktionsstandorten dieser Tage in Rom hätte der Streit eigentlich beigelegt werden sollen – stattdessen eskalierte er nur noch mehr. Tavares warf der Regierung Meloni nach dem Treffen vor, zu wenig staatliche Kaufprämien für Elektroautos zur Verfügung zu stellen und damit die Produktion an den Standorten Mirafiori und Pomigliano (dem früheren Alfasud-Werk bei Neapel) zu gefährden. "Italien müsste seine Arbeitsplätze besser schützen, statt Stellantis anzugreifen", polterte der Konzern-Chef.

Der Vorwurf, Italien unterstütze den Verkauf von Elektroautos zu wenig, wirkt etwas vorgeschoben: Die italienische Regierung hat schon zeitig neue Verschrottungs- und Kaufprämien angekündigt und diese inzwischen auch beschlossen. Sie sind nach Einkommen gestaffelt und können bis zu 13.500 Euro betragen. Und weil ein baldiges Ende des Streits nicht abzusehen ist, hat Industrieminister Urso nach dem gescheiterten Treffen erklärt, dass die Regierung nun mit einer milliardenschweren staatlichen Beteiligung bei Stellantis einsteigen könnte, um die Konzernentscheide besser beeinflussen zu können. Das Vorbild ist der französische Staat, der ebenfalls schon namhafte Anteile an Stellantis hält. Die Idee einer Staatsbeteiligung wurde sowohl von den italienischen Gewerkschaften als auch von Oppositionschefin Elly Schlein umgehend begrüßt. (Dominik Straub, 3.2.2024)