Joe Biden hat mit dem Beginn der Vorwahlen auch seine Wahlkampfzentrale in Wilmington eröffnet.
Joe Biden hat mit dem Beginn der Vorwahlen auch seine Wahlkampfzentrale in Wilmington eröffnet.
AP/Alex Brandon

Die amerikanischen Fernsehzuschauer hätten das Ereignis fast verpassen können. Erregt berichteten die Sender am Samstagabend zunächst über die jüngsten US-Angriffe auf die Huthi-Terroristen im Jemen und die möglichen Konsequenzen der Bombardements proiranischer Milizenstellungen im Irak und in Syrien. Bei der Politsatire Saturday Night Live hatte dann die republikanische Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley einen Gastauftritt. Der Sieg von Joe Biden bei der ersten demokratischen Vorwahl in South Carolina kam nur am Rande vor.

Der Präsident selber weilte bei der Auszählung der Stimmen gar nicht in dem Südstaat. Er verbrachte das Wochenende auf einer Spendensammeltour mehr als dreitausend Kilometer westlich in Kalifornien und Nevada. Dabei hatte der 81-Jährige bewusst South Carolina an die Spitze des Primary-Kalenders gesetzt (siehe Wissen unten), weil hier vor vier Jahren nach demütigenden Niederlagen in Iowa und New Hampshire sein Aufstieg zum Kandidaten begonnen hatte. Äußerlich ging die Rechnung auf: Dieses Mal holte Biden 96 Prozent der Stimmen.

Video: US-Vorwahlen: Biden gewinnt wichtigen Stimmungstest in South Carolina.
AFP

Kaum Konkurrenz

Eine große Party gab es trotzdem nicht. Die Zurückhaltung hat mehrere Gründe: So dominiert der brisante Konflikt im Nahen Osten zunehmend Bidens Arbeit. Auch ist der Vorwahlsieg kaum überraschend: Anders als 2020, als Biden sich gegen den populären linken Senator Bernie Sanders und den jungen Hoffnungsträger Pete Buttigieg durchsetzen musste, fordern ihn dieses Mal mit dem Abgeordneten Dean Phillips und der Esoterikautorin Marianne Williamson zwei Fliegengewichte heraus.

Wahlkalender US-Präsidentenwahl, Vorwahlen

Innerparteilich hat Biden also keine Konkurrenz zu fürchten. Doch entscheidend wird sein, wie er sich gegen Donald Trump, den mutmaßlichen Gegner bei der eigentlichen Wahl im November, schlägt. "Die Wähler von South Carolina haben gesprochen", verbreitete der Präsident am Abend Optimismus: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass ihr uns auf den Siegespfad zurück zur Präsidentschaft gesetzt habt und wir Donald Trump erneut zum Verlierer machen werden."

Das freilich ist alles andere als sicher – was auch die mangelnde Feierlaune erklären mag. Ein wichtiger Faktor in Bidens Erfolg 2020 war nämlich die Unterstützung der Afroamerikaner. Doch angesichts der Inflation und politischer Rückschläge durch die Blockade der Republikaner sind Bidens Zustimmungswerte bei dieser Bevölkerungsgruppe laut einer AP-Umfrage binnen dreier Jahren von 86 auf rund 50 Prozent gefallen. Bewusst hatte Biden im Wahlkampf mehrfach schwarze Kirchen in South Carolina besucht. Doch der Enthusiasmus der Afroamerikaner, die 2020 rund die Hälfte seiner Wähler in dem konservativen Bundesstaat ausmachten, schien gebremst.

Kein Vergleich möglich

Das zeigte sich auch am Wahltag. Gerade einmal 130.000 Menschen beteiligten sich an der Abstimmung. Ein Vergleich mit früheren Primaries in dem Bundesstaat ist wegen der unterschiedlichen Ausgangslage nur bedingt aussagekräftig. Der letzte amtierende demokratische Präsident, Barack Obama, war 2012 ohne Gegenkandidaten zur Wiederwahl angetreten, weshalb damals keine Primary stattfand.

Vor vier Jahren, als es ein offenes Rennen um die Kandidatur gab, hatten sich 540.000 Frauen und Männer beteiligt. Dieses Mal hatte der einflussreiche afroamerikanische Abgeordnete James Clyburn, einer der wichtigsten Verbündeten Bidens, die Erwartungen gedämpft und eine Teilnahme von 150.000 bis 200.000 Menschen vorhergesagt.

Noch am Wahlabend verschickte die Biden-Kampagne einen Spendenaufruf: "Denken Sie daran, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht!", lautete der erste Satz der Mail mit der Überschrift "Biden gegen Trump". Die Demokraten setzen ganz darauf, dass die Aussicht auf eine Rückkehr des Möchtegerndiktators ihre Basis mobilisieren wird. Bei den republikanischen Vorwahlen in drei Wochen in South Carolina könnte der Ex-Präsident seine Noch-Herausforderin Nikki Haley endgültig aus dem Feld schlagen. Für Biden ist er der Wunschgegner.

Großes Thema Migration

Kommt es zum erwarteten Duell, wird vor allem das Thema Migration eine Rolle spielen. Schon jetzt attackiert das Trump-Lager den Präsidenten im Hinblick darauf bei jeder Gelegenheit. Am Samstag fand in der texanischen Grenzstadt Quemado eine Kundgebung statt, in der Bidens Einwanderungspolitik verteufelt und für Trump geworben wurde.

Im Kongress arbeiten die Demokraten an einem Deal mit den Republikanern: Weitere Hilfe für die Ukraine im Gegenzug für härtere Maßnahmen an der Grenze zu Mexiko. Eine erste Abstimmung soll bis Mittwoch erfolgen. Trump torpediert aber jeglichen Kompromiss. Er fürchtet, der könnte Biden im Wahlkampf helfen. (Karl Doemens aus Washington, Kim Son Hoang, 4.2.2024)