Vor 72 Jahren wurde Elizabeth II Königin. Im September 2022 bestieg ihr Sohn Charles den Thron.
Vor 72 Jahren wurde Elizabeth II. Königin. Im September 2022 bestieg ihr Sohn Charles den Thron.
AFP/POOL/LEON NEAL

Andrew Gimson ist Autor einer soeben aktualisierten Ausgabe des Buches "Kings and Queens" (Verlag Square Peg) und Kolumnist für "Conservative Home". Im STANDARD-Interview spricht er darüber, was mit König Charles anders geworden ist und wie es den beiden Problemprinzen geht.

STANDARD: Wie haben Sie am Montag die Nachricht von König Charles' Krebserkrankung aufgenommen?

Gimson: Ich teile die große Sympathie der Bevölkerung. In gewisser Weise bringt ihn die Krankheit den Leuten näher, weil fast jede Familie schon einmal mit Krebs zu tun hatte. Hinzu kommt seine würdige und gleichzeitig frohgemute Art, mit der Nachricht umzugehen.

Video: Britischer König Charles III. ist an Krebs erkrankt.
AFP

STANDARD: Die Art und Weise, wie der Buckingham-Palast die Sache mitgeteilt hat, wäre früher undenkbar gewesen.

Gimson: Charles praktiziert eine bessere, deutlich offenere Kommunikation, das stimmt. Das beweist er jetzt bei der Krebsdiagnose – das war schon im Jänner so, als der Palast vorab bekanntgab, der König müsse sich einem Prostataeingriff unterziehen. Das wurde ausdrücklich so kommuniziert, damit sich britische Männer mit dem leidigen Thema beschäftigen. Hingegen waren die Royals früher immer sehr zurückhaltend, wenn es um ihre Gesundheit ging.

STANDARD: An diesem Dienstag liegt der Amtsantritt von Elizabeth II. genau 72 Jahre zurück. Fehlt die vor anderthalb Jahren verstorbene Monarchin den Briten?

Gimson: Mir persönlich fällt es immer sonntags auf, wenn ich in meine anglikanische Kirche gehe. Da gibt es routinemäßig ein Gebet für das Wohlergehen der Königsfamilie, insbesondere des Monarchen. Wenn man sein ganzes Leben für die Queen betet, wirkt es immer noch ein bisschen merkwürdig, dass wir nun für den König beten.

STANDARD: Kommt Ihnen der Ausdruck "Queen", bezogen auf Charles' Gattin Camilla, leicht über die Lippen, oder zögern Sie noch?

Gimson: Wenn ich mit Leuten rede, sagen wir nicht "the Queen", sondern wir sprechen von Camilla. Vielleicht ändert sich das im Lauf der Zeit. Die öffentliche Meinung war ja nach Prinzessin Dianas Tod sehr feindselig gegenüber Camilla. Das ist längst nicht mehr so.

STANDARD: Mit dem König wirken die Leute ganz zufrieden.

Royals-Experte Andrew Gimson:
Royals-Experte Andrew Gimson: "Ein Monarch darf nicht so viel reden wie ein Thronfolger."
Privat

Gimson: Das ist mein Eindruck. Er wusste genau, dass ein Monarch anders agieren muss und weniger reden darf als der Thronfolger. Das hat er beherzigt. Er scheint die neue Rolle zu genießen. Sie ist ja in mancher Hinsicht auch viel leichter. Als König sieht er den Premierminister jede Woche, in völliger Privatheit. Wenn er ein Problem sieht, kann er das vortragen. Gleiches gilt für die jeweiligen Fachminister. Und natürlich verfügt er über eine viel weiter zurückreichende Erfahrung als jedes Kabinettsmitglied.

STANDARD: Insofern ähnelt er seiner Mutter in ihren letzten Jahrzehnten. Worin unterscheidet er sich?

Gimson: Die Queen mochte nicht gern berührt werden, wohingegen Charles damit gar keine Probleme hat. Neulich hob er einer alten Dame den heruntergefallenen Stock auf. Das wäre der Queen nie eingefallen.

STANDARD: In der Nationalhymne wünschen sich die Briten, der König werde "lang über uns herrschen". Kann man ihm selbst und dem Land das wünschen?

Gimson: Ja, das finde ich schon. Wir wollen den Thronfolger William nicht zu früh mit der Bürde des Amtes belasten, zumal er eine junge Familie mit Kindern zwischen zehn und fünf Jahren hat.

STANDARD: Aber es wäre doch viel bessere PR fürs Königshaus …

Gimson: PR? Solche Überlegungen sollte man in diesem Zusammenhang nicht anstellen.

STANDARD: Finden Sie nicht, dass nach langen Jahrzehnten mal wieder ein etwas Jüngerer an der Spitze stehen sollte?

Gimson: Ach, das glaube ich nicht. Nach dem Tod der Queen sprach der König mehrfach von "lebenslangem Dienst". Da kommt eine vorzeitige Abdankung nicht infrage. Ohnehin ist ja bei einem mittlerweile 75-Jährigen die Zeit auf dem Thron begrenzt.

STANDARD: Das Familienoberhaupt Charles hat es schwer mit den beiden Problemprinzen Andrew, seinem jüngeren Bruder, und seinem zweiten Sohn Harry.

Gimson: Man könnte sie auch "die Überflüssigen" nennen. Sicherlich schwierig, beinahe unlösbar für alle Beteiligten.

STANDARD: Andrew soll endlich seine supergünstige, viel zu üppige Unterkunft aufgeben, findet Charles.

Gimson: Da enthält die neue Biografie des Königs von Robert Hardman ein spannendes Detail: Offenbar liegt die Royal Lodge im großen Park von Windsor außerhalb der Sicherheitszone, die Schloss Windsor selbst umgibt. Charles verlangt nun von seinem Bruder, dieser solle für den nötigen Polizeischutz selbst bezahlen, was dem notorisch klammen Andrew schwerfallen dürfte.

STANDARD: Und Prinz Harry?

Gimson: Auch für ihn wird über kurz oder lang das Geld eine Rolle spielen. Enthüllungen über seine gewiss schwierige Kindheit und Jugend im Königshaus werden abnehmende Erträge bringen, je länger die Sache zurückliegt. Für Herzogin Meghan ist es auch nicht leicht, in ihre Karriere als Schauspielerin zurückzufinden. Die Position des Königs bleibt gleich: Natürlich würde er den an Kalifornien verlorenen Sohn wieder aufnehmen. Ganz gewiss täte es ihm leid, die Enkel Archie und Lilibet nicht häufiger um sich zu haben. (Sebastian Borger aus London, 6.2.2024)