Flüchtlinge und Migranten warten im Transitbereich des Madrider Flughafens auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.
Flüchtlinge und Migranten warten im Transitbereich des Madrider Flughafens auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.
AFP/STR

Ein neues Wort macht die Runde in Spanien. "Avión patera" – Holzbootflugzeug – taufte die Presse die Flüge, die vollbesetzt mit Flüchtlingen und Migranten aus dem subsaharischen Afrika auf dem Flughafen Madrid-Barajas ankommen. Es handelt sich um Flugstrecken von Marokko nach Lateinamerika mit Zwischenlandung in Spanien. Menschen meist aus Kenia, Somalia, dem Senegal und Mauretanien nutzen den Stopp, um in Spanien Asyl zu beantragen.

Die Mühlen der Behörden mahlen danach langsam. Um die zwei Wochen kann es dauern, bis ein Antrag so weit bearbeitet ist, dass die Betroffenen in ein Wohnheim irgendwo im Land überführt werden. Die Folge: Die Wartesäle für Flüchtlinge sind in den letzten Wochen regelmäßig völlig überfüllt. Bis zu 400 Menschen lebten zeitweise auf etwas mehr als 1.500 Quadratmetern. Einer der vier Säle wurde im Jänner in aller Eile eingerichtet.

Drastischer Anstieg der Ankunftszahlen

Die Zahl der Asylanträge in Barajas nimmt seit vergangenem Sommer ständig zu. 864 Flüchtlinge stellten allein im Jänner einen Asylantrag, so viele wie noch nie in einem Monat. Im gesamten vergangenen Jahr waren es laut dem staatlichen Büro für Asyl und Flüchtlinge auf allen Flughäfen Spaniens zusammen 3.386. Wie viele davon auf Madrid entfallen, ist nicht bekannt. Die letzte Aufschlüsselung nach Flughäfen stammt aus dem Jahr 2022, damals waren es im gesamten Jahr mit 767 deutlich weniger Antragsteller als jetzt in nur einem Monat.

Migranten schlafen am Flughafen Madrid am Boden. 
Teilweise müssen sie am Flughafen am Boden schlafen.
AFP/STR

Die Zunahme der Antragsteller am Grenzposten habe "zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in den Sälen, einer beispiellosen Überbelegung und einer Verschlechterung der Mindesthygiene- und Gesundheitsstandards" geführt, heißt es in einem Bericht des spanischen Ombudsmanns für Bürgerrechte, Ángel Gabilondo, von vergangener Woche.

"Die Frauen und einige Minderjährige wurden in einen Raum verlegt, der die nötigen Bedingungen nicht erfüllt", berichtet Gabilondo von seinem Besuch in Barajas am 19. Jänner. Es gebe weder "genügend Betten noch einfache Möbel wie Stühle oder Tische, sodass die Menschen gezwungen sind, auf den Matratzen oder dem Boden selbst zu essen". Die einzige Dusche fand Gabilondo außer Betrieb vor. Es mangle an "grundlegenden Hygienesets und Produkten zur Damenhygiene". Außerdem verfügten die Menschen über kein öffentliches Telefon, um Kontakt mit der Außenwelt zu halten.

Rotes Kreuz zieht sich zurück

Mittlerweile hat sich das Rote Kreuz aus den Sälen zurückgezogen, da die Bedingungen unhaltbar seien. Das Innenministerium schickte mehr Polizeibeamte, die jetzt – unter Protest der Polizeigewerkschaft – für die Hygiene und Sauberkeit der Säle verantwortlich sind.

Stellt sich die Frage, warum plötzlich die Flugstrecken mit Zwischenlandung unter Flüchtlingen populär wurden. Das dürfte mehrere Gründe haben: Zum einen ist ein Flugticket in Länder Lateinamerikas wie etwa Nicaragua, El Salvador, Bolivien oder Brasilien, das von Afrikanern kein Visum verlangt, mit rund 1.000 Euro billiger und vor allem sicherer als eine riskante Überfahrt im Holzboot von Afrikas Nordwestküste auf die Kanaren, wo diesen Winter ebenfalls so viele Flüchtlinge angekommen sind wie seit 2008 nicht mehr.

Andere haben wohl gar nicht Spanien als Endziel im Sinn. Sie wollen tatsächlich nach Lateinamerika, um von dort dann über Mexiko in die USA zu gelangen. Sobald aber bei der Zwischenlandung Probleme auftreten, etwa zusätzliche Gebühren, wie sie unter anderem El Salvador erhebt, bleiben sie in Barajas hängen.

Die Spanische Kommission für Flüchtlingshilfe (CEAR), die mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammenarbeitet, verlangt von der spanischen Regierung ein schnelles Handeln, "um die Rechte der Personen, die um internationalen Schutz bitten, zu garantieren". Es sei mehr Personal nötig, um die Anträge schneller zu bearbeiten und so die Lage auf dem Flughafen zu entspannen.

"Transitvisum" eingeführt

Der Innenminister der Linkskoalition unter Regierungschef Pedro Sánchez, Fernando Grande-Marlaska, stockte die Zahl der Beamten vor Ort auf. Doch seine wichtigste Maßnahme, um gegen das vorzugehen, was er "betrügerische Nutzung" der Zwischenlandungen nennt, ist die Einführung eines sogenannten Transitvisums. Menschen mit einem Pass aus Kenia müssen dies seit dem 20. Jänner vorlegen, und für Senegalesen soll es spätestens Mitte Februar eingeführt werden.

Außerdem übt die spanische Regierung Druck auf Marokko aus, von wo die meisten Flüge kommen, bis zur Einführung der Transitvisa für weitere Nationalitäten besser zu kontrollieren, wer in Casablanca an Bord der Flüge nach Lateinamerika gehe. CEAR kritisiert dies. Das Transitvisum sei "ein weiteres Hindernis, das den Zugang zu internationalem Schutz zusätzlich erschwert", heißt es in einem Kommuniqué der Flüchtlingshilfsorganisation. (Reiner Wandler aus Madrid, 5.2.2024)