Ein Wohngebäude in Kiew
Ein Wohngebäude in Kiew.
AFP/SERGEI SUPINSKY

Kiew/München/Washington – Bei einem russischen Luftangriff auf die Ukraine sind laut ukrainischen Angaben mindestens fünf Menschen getötet worden. Russland hat am frühen Mittwochmorgen einen Angriff mit Marschflugkörpern auf die Ukraine gestartet und Geschosse in Richtung Kiew und andere Regionen abgefeuert, erklärte die ukrainische Luftwaffe. Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den "Terrorangriff" Russlands gegen sechs Regionen des Landes und kündigte Vergeltung an.

In Kiew seien am Morgen zur Hauptverkehrszeit mehrere Explosionen zu hören gewesen, weil die Flugabwehr im Einsatz sei, teilt die ukrainische Luftwaffe mit. Im ganzen Land wurde Luftalarm ausgerufen.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko erklärte, mindestens 30 Menschen seien bei dem Angriff verletzt worden. Klitschko machte sich nach eigenen Angaben selbst ein Bild von den Zerstörungen in einem getroffenen Hochhaus. Dort war zuvor auch eine verletzte, schwangere Frau gerettet worden. Zudem seien zwei Hochspannungsleitungen durch Raketenteile in der Hauptstadt beschädigt worden. In einigen Haushalten sei der Strom ausgefallen, erklärte ein Energieunternehmen. Darüber hinaus fing ein Hochhaus im Bezirk Holossijiw Feuer.

In der Stadt Mykolajiw kam ein Mensch ums Leben
In der Stadt Mykolajiw kam ein Mensch ums Leben.
REUTERS/STRINGER

Der Bürgermeister von Mykolajiw im Süden des Landes, Oleksandr Senkewitsch, sagte, ein Mann sei an seinen schweren Verletzungen gestorben, nachdem bei dem Angriff Dächer von 20 Häusern abgetragen sowie Gas- und Wasserleitungen beschädigt worden seien. Auch in Charkiw, in der Region Lemberg und in der Region Tscherkassy kam es zu Explosionen.

Belgorod meldet zwei Verletzte

In der westrussischen Region Belgorod sind nach Behördenangaben zwei Menschen durch Raketenbeschuss verletzt worden. Ein Mann sei vor Ort behandelt, ein zweiter Verwundeter mit Splitterverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden, teilte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, am Mittwoch in seinem Blog beim Nachrichtendienst Telegram mit. Das russische Verteidigungsministerium meldete die Abwehr von sieben Raketen über dem Gebiet Belgorod. Diese seien von Mehrfachraketenwerfern des Typs RM-70 verschossen worden. Später meldete das russische Militär noch, es habe zwei ukrainische Drohnen abgefangen. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar.

Explosion auf Testgelände russischer Rüstungsfabrik

Auf dem Testgelände einer russischen Rüstungsfabrik 1000 Kilometer östlich von Moskau hat sich nach Medienberichten am Mittwochabend eine schwere Explosion ereignet. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass bestätigte den Vorfall. Die Explosion und die Feuersäule, die in sozialen Netzwerken zu sehen seien, stammten aber nicht von einem Unfall, sondern vom planmäßigen Test eines Raketenantriebs. Das meldete die Agentur unter Berufung auf den Katastrophenschutzschutz. Unabhängig überprüfbar war diese Darstellung zunächst nicht.

Den Berichten nach ereignete sich die Explosion auf einem Gelände, das zur Maschinenbaufabrik von Wotkinsk in der Teilrepublik Udmurtien gehört. In der Fabrik werden unter anderem russische nukleare Interkontinentalraketen gebaut. Sie steht wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf der Sanktionsliste der USA. In Udmurtien mit der Hauptstadt Ischewsk arbeiten sehr viele russische Rüstungsfabriken. Hinweise auf eine Verantwortung der Ukraine für die Explosion gab es zunächst nicht. Die Luftlinie zur Ukraine beträgt mindestens 1400 Kilometer.

Selenskyj Ende kommender Woche in Deutschland erwartet

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird Ende kommender Woche zu seinem zweiten Besuch in Deutschland seit Beginn des Krieges mit Russland erwartet. Wie der "Tagesspiegel" am Mittwoch einem Vorabbericht zufolge berichtete, plant der Staatschef eine Visite im Umfeld der Münchner Sicherheitskonferenz, die vom 16. bis 18. Februar stattfindet. Der Ablauf und der genaue Zeitplan sind aus Sicherheitsgründen noch Verschlusssache.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, bestätigte dem Blatt zwar nicht die Teilnahme, erklärte aber, man habe den ukrainischen Präsidenten zur Konferenz eingeladen. Selenskyj hatte Deutschland im Mai vergangenen Jahres zuletzt besucht. Er traf sich damals mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin und nahm in Aachen den Karlspreis entgegen.

Selenskyj fordert russische Vermögen für sein Land

Selenskyj hat zudem eine Übertragung aller eingefrorenen russischen Vermögenswerte an sein angegriffenes Land gefordert. "Alles sollte beschlagnahmt und für die Terrorabwehr verwendet werden", sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner abendlichen Videoansprache. Die Ukraine arbeite mit ihren Partnern energisch daran, dass eine Entscheidung über russische Vermögenswerte getroffen wird. Der Präsident besprach dieses Thema auch mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der Kiew am Mittwoch besuchte. In der EU gibt es Pläne, der Ukraine in einem ersten Schritt die Erträge eingefrorener Guthaben der russischen Zentralbank zukommen zu lassen. Auch dies würde bereits einige Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab und ist dabei auf ausländische Unterstützung angewiesen.

IAEA-Chef Grossi erkundet Lage im AKW Saporischschja

Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), Rafael Grossi, hat am Mittwoch erneut das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine besucht. Der Besuch habe geholfen, den Eindruck seiner Organisation vom Zustand der Atomanlage zu komplettieren, sagte Grossi in einem kurzen Video nach Rückkehr auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet. Der Zählung nach war es sein vierter Besuch in der größten Atomanlage Europas seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022. Grossi äußerte sich nicht zu seinen Befunden. Es sei um den Schutz der Anlage, die nukleare Sicherheit, den Zustand der Reaktoren und der Kühlanlage, um die Qualifikation der Bedienmannschaft und andere Aspekte gegangen. All dies sei wichtig für die Sicherheit - "kein Anlass zur Selbstzufriedenheit", schrieb er auf X, vormals Twitter. (APA, red, 7.2.2024)