Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders reagierte am Dienstag unwirsch auf die Nachricht, dass seine ursprünglichen Koalitionspläne nun wohl endgültig vom Tisch sind. Mehr als zwei Monate lang hatte er mit der bisher regierenden rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), der Bauernprotestpartei BBB und der neugegründeten Mitte-Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC) verhandelt, nun ließ Letztere Wilders' Pläne vorerst platzen.

Geert Wilders im Lift.
Nach 77 Tagen hat Geert Wilders noch immer keine Koalition gezimmert, die sein Wahlziel "Niederländer zuerst" umsetzen könnte. Noch hat er aber Zeit.
IMAGO/Remko de Waal

Er wolle nicht "Versprechungen machen, von denen wir wissen, dass sie leer sind", erklärte Gründer Pieter Omtzigt in einem Brief an seine Parteifreunde den Ausstieg aus den Gesprächen mit dem aus seiner Sicht begrenzten finanziellen Spielraum einer neuen Regierung. Eine Koalitionsregierung ist damit – zumindest für den Moment – ausgeschlossen.

Wilders, dessen islamfeindliche Freiheitspartei PVV bei der Wahl Ende November mit 23,6 Prozent der Stimmen überraschend Erste wurde, gab sich enttäuscht: "Das Land will diese Koalition, ich verstehe das nicht." In Umfragen ist die PVV derweil in noch höhere Höhen gestiegen. Würde jetzt gewählt, würde Wilders bis zu acht Mandate im Vergleich zur Wahl am 23. November dazugewinnen.

Doch welche Wege könnten nun noch zu einer neuen Regierung in Den Haag führen?

Sowohl der NSC von Pieter Omtzigt, einem ehemaligen Christdemokraten, der bei der Wahl aus dem Stand auf 20 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer kam und der Regierung ein starkes Parlament gegenüberstellen möchte, als auch die VVD der bisherigen Justizministerin Dilan Yeşilgöz (24 Sitze) würden früheren Aussagen zufolge ein Minderheitskabinett Wilders' stützen, ohne selbst Ministerinnen und Minister zu nominieren. Weil sich die Mitglieder eines solchen Kabinetts des Vertrauens einer Parlamentsmehrheit – und somit ihres Jobs – nicht sicher sein könnten, dürfte sich Wilders allein aber schwertun, die Posten zu besetzen.

Ohnehin ist die Personaldecke der PVV nicht allzu dick, deren einziges Mitglied trägt den Namen Geert Wilders. Der PVV-Abgeordnete Gom van Strien, den der Wahlsieger noch im November als "Formateur" einer Koalition beauftragt hatte, war zudem binnen weniger Tage wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten.

Sehr wahrscheinlich ist eine Minderheitsregierung also nicht, aber durchaus denkbar.

Pieter Omtzigt hat auch ein Expertenkabinett als Variante vorgeschlagen, wie die Niederlande künftig regiert werden könnten – freilich in diesem Fall ohne den Rechtsaußen Wilders. Fachleute, die nicht unbedingt einer politischen Partei angehören oder Mandatsträgerinnen sind, regieren das Land mit wechselnden Mehrheiten, je nachdem, was auf dem Tapet ist. Besonders stabil dürfte ein solches Kabinett allerdings nicht sein. Und ob das Ausbremsen Geert Wilders' auf lange Sicht funktioniert, ist ebenfalls unklar. Die Niederlande haben mit einem Expertenkabinett jedenfalls noch weniger Erfahrung als Österreich.

Die andere Option erscheint in der politischen Praxis fast noch unrealistischer: Neben den vier bisher sondierenden Parteien PVV, VVD, NSC und BBB gibt es noch eine zweite mögliche Koalition, die gemeinsam auf mehr als 75 Sitze kommen würde: Der Stimmenzweite Groenlinks von Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans (25 Sitze) könnte mit der VVD (24 Sitze), dem NSC (20 Sitze) und der linksliberalen Partei D66 (neun Sitze) regieren. In vielen Programmpunkten scheint das Quartett auch durchaus kompatibel, ausgerechnet bei der für viele Wählerinnen und Wähler entscheidenden Einwanderungsfrage aber ganz und gar nicht. Eine strengere Asylpolitik, die schon die vorherige, VVD-geführte Regierung zum Kollaps gebracht hat, dürfte mit der D66 nicht durchzuboxen sein. Yeşilgöz hatte bisher auch vehement ausgeschlossen, eine Koalition mit linken Parteien einzugehen, anstatt Wilders zu stützen.

Groß sind die Chancen für eine solche Regierung in Den Haag also nicht.

Unter dem Getöse des Abbruchs am Dienstag konnte man leicht überhören, dass NSC-Chef Omtzigt die Tür zur Koalition eigentlich doch einen kleinen Spalt offen gelassen hat. "Wir wollen im Moment nicht", war zu hören – ein komplettes Gesprächsende klingt anders. Zudem ist durchaus noch Zeit: 2021 hatten die späteren Koalitionspartner ganze 299 Tage gebraucht, um ein Bündnis zu zimmern. Seit der Wahl am 22. November sind nun erst 77 vergangen. Gelingt ein Neustart aber nicht, stehen den Niederländerinnen und Niederländern Neuwahlen ins Haus. Wie diese ausgehen, ist aktuell völlig unklar.

In Umfragen haben die komplizierten Gespräche Wilders' PVV bisher nicht geschadet, im Gegenteil: Ende Dezember stand sie in Umfragen bei 47 Sitzen, heute immerhin noch bei 45. Groenlinks und D66 haben etwas dazugewonnen, die übrigen Parteien stagnieren. Doch in der aktuell so volatilen politischen Landschaft in den Niederlanden darf sich keine Partei allzu sicher fühlen.

Doch wenn sich keine Mehrheiten finden, bleibt keine andere Option. (Florian Niederndorfer, 7.2.2024)