Wenn Marlon Mustapha nach Österreich zurückkehrt, droht ihm die Festnahme durch die Militärpolizei. Vergangenen Sonntag erzielte er in seinem ersten Match für die Fortuna bei der 3:4-Niederlage in Paderborn gleich ein Tor.
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Wien – Der bei Fortuna Düsseldorf in der zweiten deutschen Bundesliga engagierte Wiener Fußballprofi Marlon Mustapha befindet sich in einer brenzligen Lage. Der frühere U21-Teamstürmer hat einem Einberufungsbefehl des österreichischen Bundesheeres nicht Folge geleistet. Er hätte seinen Grundwehrdienst am 8. Jänner bei der Garde in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien antreten müssen. Weil er dem nicht nachkam, wird nun nach ihm gefahndet, wie Oberst Michael Bauer vom Ministerium für Landesverteidigung dem STANDARD erklärte. „In dem Moment, wo er österreichisches Staatsgebiet betritt, wird er von uns überzeugt, dass er einrückt. Im schlimmsten Fall wird er festgenommen", skizziert der Ministeriumssprecher das Szenario.

"Es bricht mir wirklich das Herz, nie für mein Land spielen zu können, meine Familie und Freunde nicht mehr sehen zu dürfen", wurde Mustapha Ende Jänner in der "Krone" zitiert. Für ihn sei es die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen. Er habe alles versucht, wollte sich nicht querstellen. Dem widerspricht Bauer: "Er hätte neuerlich um Aufschub ansuchen müssen, das hat er aber nicht gemacht." Mustapha habe laut Bauer schon öfter um Aufschub und Befreiung angesucht, und das Bundesheer sei dem auch immer nachgekommen, versicherte Bauer. Eine Befreiung sei aber stets zeitlich befristet.

Oberst Michael Bauer: "Er hätte neuerlich um Aufschub ansuchen müssen, das hat er aber nicht gemacht."
Bundesheer/Harald Minich

Der 22-jährige Stürmer war zuletzt bei Italiens Zweitligist Como engagiert, ehe er Ende Jänner zur Fortuna wechselte. Für den STANDARD war Mustapha nicht zu sprechen: "Marlon möchte sich ab jetzt ganz auf seine sportliche Aufgabe bei der Fortuna konzentrieren und keine weiteren Interviews zu dem Thema geben“, hieß es seitens des Vereins.

Lässt sich Mustapha nun in Österreich blicken, droht ihm Ungemach. Bauer: "Üblicherweise wird man abgemahnt und dann zur Ausübung des Dienstes zur Kompanie gebracht." Das funktioniere normalerweise. Bauer empfiehlt: "Einrücken, daran führt kein Weg vorbei." Es gebe Gesetze, die einzuhalten seien. „Da gibt es keine Kulanzmöglichkeit, weil es Amtsmissbrauch wäre, wenn wir ein Auge zudrücken würden. Es gilt gleiches Recht für alle. Es gibt auch andere Leute, die in anderen Bereichen erfolgreich sind und genauso den Dienst ableisten müssen."

DER STANDARD hat bei Patrick Kainz nachgefragt. Der Anwalt ist auf Arbeits- und Fremdenrechtsfragen spezialisiert und berät unter anderem Auslandsösterreicher, die wehrpflichtig sind und sich fragen: "Was passiert mir, wenn ich nicht komme?" Kainz rät seinen Klienten: "Leute, seid im Austausch mit dem Bundesheer, und wenn es irgendwann in eure Lebensplanung passt und ihr wollt irgendwann wieder in Österreich sein, dann macht es bitte einfach." Bis zum vollendeten 35. Lebensjahr kann man nämlich einberufen werden.

Karriere vs. Militärdienst

Ein Profifußballer muss jedoch auch seine Karriere im Fokus behalten, eine längere Unterbrechung des Trainings- und Spielbetriebs könnte durchaus kontraproduktiv sein. Darum gibt es für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler die Möglichkeit, den Militärdienst als Heeressportler oder Heeressportlerin abzuleisten. Nach einer vierwöchigen Grundausbildung kann dann im Heeressportzentrum weiter dem Sport nachgegangen oder auch mit der Mannschaft im Verein trainiert werden. "Ohne Ausrückungen, Gefechts-, Waffen- und Schießdienst. Das ist ein großes Entgegenkommen des Bundesheeres", sagt Bauer.

Will ein Fußballer einen der doch sehr eingeschränkt vorhandenen Plätze ergattern, muss er allerdings bei einem heimischen Verein in der Bundesliga und im Nationalteam spielen. Für einen Antrag auf Aufnahme als Heeressportler ist der Verband zuständig.

Mustapha kann als Legionär nicht auf diese Option hoffen, er steht seit 2020 ausschließlich im Ausland unter Vertrag. Davor wurde er bereits zweimal einberufen, als er zwischen 2021 und 2022 vom FSV Mainz 05 an die Admira verliehen war. Damals sei er jedoch "nachweislich verletzt" gewesen.

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr

Grundsätzlich wäre es aber auch möglich, dass Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt und eine Auslieferung Mustaphas erwirkt wird. Anwalt Kainz ist ein derartiger Fall aber nicht bekannt. Die Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls wird laut Militärstrafgesetz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen geahndet. Wer seinem Einberufungsbefehl länger als 30 Tage nicht Folge leistet, dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Der Fußballbund (ÖFB) versucht, in der Causa zu vermitteln, man befinde sich im Austausch mit dem Verteidigungsministerium. Man hoffe im Sinne des österreichischen Fußballs, dass sich das zum Guten wende, sagte Sportdirektor Peter Schöttel. Mehr könne man aktuell nicht tun.

Anwalt Kainz gibt zu bedenken: "Er ist erst 22 und hat die nächsten 13 Jahre kein gemütliches Leben, wenn er nach Österreich kommt und das Heer das mitbekommt." Familienbesuche wären für Mustapha ebenso riskant wie etwaige Sommertrainingslager, die die Düsseldorfer zuletzt dreimal in Folge in Bad Leonfelden in Oberösterreich abhielten.

Superstar Alaba und das Heer

Wie andere im Ausland engagierte österreichische Fußballer den Wehrdienst mit ihrem Job vereinbaren, lässt sich im Detail oftmals nur schwer in Erfahrung bringen. Das Verteidigungsministerium darf aus Datenschutzgründen darüber keine Auskunft erteilen. Teamkapitän David Alaba zum Beispiel erschien als 27-Jähriger 2020 während seiner Zeit bei Bayern München unter großem medialen Getöse bei der Musterung in Innsbruck und soll danach seinen Dienst bei der Garde angetreten haben.

Eine Anfrage des STANDARD an Fortuna Düsseldorf, wie nun in der Causa verfahren und ob Mustapha nahegelegt werde, seinen Wehrdienst etwa in der nächsten Spielpause anzutreten, kommentierte der Klub wie folgt: "Nach unserer Kenntnis ist es in dem Fall noch möglich, Rechtsmittel einzulegen. Daher handelt es sich für uns um ein laufendes Verfahren, welches wir nicht kommentieren." (Thomas Hirner, 7.2.2024)