Junger Mann verzieht das Gesicht vor Zahnschmerzen und greift sich mit der Hand auf die Zahnbacke.
Meist führt Karies zu bösen Zahnschmerzen. Aber es gibt noch so manch andere Ursache, auch außerhalb der Mundhöhle.
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Es beginnt mit einem Ziehen nach einem kalten Getränk. Bald pocht es wie wild, jede Berührung schmerzt. Das Klopfen wird stärker, man kann es nicht mehr ignorieren. Ab zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin. Mund auf und "Aaaaah".

Am 9. Februar feiert die Welt den Tag der Zahnschmerzen. Aber "Feiern" ist wohl der falsche Begriff: Es ist nämlich keineswegs ein Fest für masochistisch veranlagte Zahnarztpatienten. Der Tag soll darauf aufmerksam machen, wie wichtig Mundhygiene ist und was man gegen Zahnschmerzen tun kann. Doch woher kommen Zahnschmerzen überhaupt, und warum können sie so höllisch wehtun?

Einen Nerv treffen

Häufig steckt Karies dahinter. Die vielen Nerven im Mund- und Rachenraum machen die Zahnschmerzen besonders unerträglich. Zahnschmerz fühlt sich dabei nicht immer gleich an, und auch die Ursachen sind unterschiedlich.

Spürt man ein Pumpen oder Trommeln, kann der Zahn durch Karies entzündet sein. Bei einem stechenden Schmerz ist oft die Zahnwurzel befallen. Schmerzt ein Zahn beim Essen, befindet sich womöglich Karies zwischen den Zähnen. Ganz genau kann man es aber nur durch den professionellen Blick in die Mundhöhle feststellen.

Die Kontrolle macht man bestenfalls so früh wie möglich. Denn Karies verbreitet sich langsam. Anfangs spürt man Karies nicht, weil sie zuerst nur den Zahnschmelz angreift – und dort befinden sich keine Nerven. Ein erstes Zeichen kann sein, dass der Zahn empfindlich auf Wärme, Kälte oder Säure reagiert. Die akuten Schmerzen beginnen, wenn sich die Karies dem Zahnmark nähert und dort auf Nerven trifft. "Das ist ähnlich, wie wenn die Basis eines Hauses allmählich morsch wird. Man merkt es, wenn auf einmal etwas einbricht", erklärt Zahnarzt Claudio Drog.

Zitronenwasser nur in Maßen

Dazu kommt, dass jeder Mensch ein unterschiedliches Schmerzempfinden hat. Wer einen akut auftretenden Zahnschmerz aussitzt, tut sich aber nichts Gutes. Auch wenn der Schmerz nach ein paar Tagen vergeht, "dieser Zahn meldet sich wieder, und dann mit anderem Karacho", sagt Drog. Denn meistens deutet dieses plötzliche Abklingen eines akuten Schmerzes darauf hin, dass der Zahn tot ist. Nicht selten ist dann auch die Wurzel angegriffen, im schlimmsten Fall muss der Zahn gezogen werden.

Auch die Grundsubstanz der Zähne scheint nicht bei jedem gleich gut zu sein. Ist eine schlechte Zahnstruktur vererbbar? "Es gibt bestimmt eine genetische Disposition. Das ist aber auch eine beliebte Ausrede bei Zahnproblemen", sagt Zahnarzt Drog. Viel entscheidender sei die eigene Vorsorge und Pflege – und die Ernährung. Vor allem säure- und zuckerhaltige Getränke sorgen oft für Probleme. "Ich hatte schon Patienten, die übermäßig Zitrusfrüchte konsumierten und mit der Zeit immer empfindlichere Zähne bekommen haben", erzählt Drog.

Säure greift nämlich den Zahnschmelz an. Der wird dadurch immer weicher, und löst sich irgendwann auf. Mit dem "gesunden Zitronenwasser" sollte man es also den Zähnen zuliebe nicht übertreiben. Und auch Zucker ist bekanntlich schädlich für die Zähne. Davon ernähren sich nämlich die Bakterien im Mund.

Bei Zahnschmerzen lautet das Credo also: so schnell wie möglich in die Zahnpraxis. Aber was kann man bis zum Zahnarzttermin tun? Neben Schmerzmitteln können in manchen Fällen auch nichtmedikamentöse Tricks helfen. "Ein Hausmittel, das viele Menschen schätzen, ist Nelkenöl", sagt Drog, es lindert den Schmerz. Salbeitee kann wiederum gereizte Mundschleimhäute beruhigen.

"Zweimal täglich Zähneputzen reicht"

Doch wie verhindert man, dass es überhaupt so weit kommt? Vorsorge, Vorsorge, Vorsorge. Das tut man unter anderem mit Zähneputzen. Unser Mund ist voll mit Bakterien, guten, die wichtig sind für eine gesunde Mundflora. Aber auch vielen schlechten. Die bilden einen Zahnbelag, die Plaque. Zähneputzen hilft, dass der sich nicht verhärtet und damit die Zahnoberfläche beschädigt, was weitere Bakterien anzieht.

Zweimal täglich Zähneputzen ist laut Drog aber vollkommen ausreichend. Es stimmt auch, dass es vor dem Zubettgehen besonders sinnvoll ist. "Gerade Personen, die im Schlaf durch den Mund atmen, sind anfällig für Karies oder Entzündungen des Parodonts, also Probleme mit dem Zahnapparat", sagt Drog. Der geschlossene Mund fördert wiederum die Plaquebildung im Schlaf, falls noch Essensreste im Mund sind.

Kann man auch zu viel Zähne putzen? "Ja, wenn man es falsch macht", sagt Drog, "der durchschnittliche Erwachsene denkt beim Zähneputzen meist an alles andere als ans Zähneputzen." Besonders härtere Zahnbürsten schaden bei zu langem und intensivem Putzen aber dem Zahnschmelz und dem Zahnfleisch.

Mit elektrischen Zahnbürsten putzt man übrigens nicht per se besser. Sie sind aber sinnvoll, wenn man empfindliche Zähnen hat, vor allem Geräte mit Drucksensoren. Fluoridhaltige Zahnpasten machen wiederum den Zahnschmelz resistenter, etwa gegen Karies.

Ein Leben lang Zahnschmerzen

Was es bedeutet, wenn man ständig Probleme mit den Zähnen hat, weiß Victoria aus langjähriger Erfahrung. Seit ihrem siebenten Lebensjahr kämpft die heute 24-Jährige immer wieder mit Zahnschmerzen. Angefangen hat es mit einem Unfall auf dem Spielplatz, der einen ihrer Schneidezähne verletzt hat. Eine schlecht eingesetzte Krone – ein Sammelbecken für Bakterien – verursachte anschließend chronische Zahnfleischentzündungen.

Parallel begann das Zahnfleisch, sich zurückzubilden. Da so ein Rückgang dauerhaft ist, musste sie sich schließlich einer Zahnfleischtransplantation unterziehen. Eine entzündete Zahnwurzel bescherte Victoria außerdem eine Wurzelspitzenresektion. "Ich sah danach aus wie ein Walross, so geschwollen war meine Wange", erzählt sie.

Es folgten weitere Wurzelbehandlungen und die mühsame Suche nach einer Zahnbürste, die keine Blutungen auslöst. Alle drei Monate geht Victoria zur Mundhygiene. "Und trotzdem machen mir meine Zähne immer zu schaffen." Wenn sie Schmerzen hat, kann sie an nichts anderes denken. "Das übernimmt meine Gedanken, ich kann mich nicht konzentrieren, nicht einschlafen, sogar der Luftzug meines Atems schmerzt", schildert sie. Die Zahnschmerzen ziehen sich oft auch bis in den Kopf, ohne Schmerztabletten ist der Alltag für sie dann nicht bewältigbar.

Ein Jahr hat die Heilungsphase nach der Zahnfleischtransplantation gedauert. In der Zeit litt vor allem ihr soziales Leben. Lachen war ihr unangenehm, weil das Zahnfleisch lange gräulich verfärbt war, außerdem schmerzten die Narben. Mittlerweile hat sie schon einige Monate keine Probleme mehr – und klopft auf Holz. Denn sie weiß: "Zahnschmerzen sind eine totale Einschränkung."

Stress und Rheuma spielen mit

Doch nicht nur Karies kann Zahnschmerzen auslösen. Manchmal haben die sogar nichts mit den Zähnen zu tun. "Vor allem im Winter kommen Patienten mit Schmerzen in einer Gesichtshälfte zu mir. Ihre Zähne sind aber vollkommen in Ordnung", sagt Zahnarzt Drog. Der Grund ist oft eine vorangegangene Erkältung samt Kiefernebenhöhlenentzündung. Bakterien vermehren sich über die Nase, im Oberkiefer entsteht Druck. Und der verursacht Zahnschmerzen.

Dazu kommt, dass die Mundgesundheit Einfluss auf den gesamten Körper hat, es besteht eine starke Wechselwirkung. Man weiß etwa, dass sich durch Entzündungen in dem Bereich Bakterien über die Blutbahn im gesamten Körper ausbreiten können. Das kann beispielsweise die Herzgesundheit beeinflussen, aber auch eine Schwangerschaft. Untersuchungen zeigen etwa, dass Frauen mit Zahnproblemen signifikant häufiger Frühgeburten haben.

Die Verbindung zwischen Mundhöhle und dem restlichen Körper funktioniert aber auch in die positive Richtung. "Ich habe einige Patienten, deren Rheumaschmerzen sich gebessert haben, nachdem ich einen entzündeten Zahn entfernt habe", erzählt Drog. Der Zusammenhang zwischen rheumatischen und parodontalen Erkrankungen ist auch wissenschaftlich belegt.

Auch Stress kann die Zahngesundheit beeinflussen. Zahnschmerzen können dann auftreten, wenn der Körper verkrampft und sich der Nacken verspannt. Umgekehrt kann Stress Zahnprobleme verstärken, wie auch Victoria berichtet. Ihre Zahnschmerzen waren in stressigen Phasen stets wesentlich schlimmer.

Zudem gibt es Phänomene wie das Knirschen: Oft pressen stark gestresste Menschen im Schlaf ihre Kiefer aufeinander. Das kann zu Schmerzen in Rücken, Schulter und Nacken führen, aber auch zu Migräne. In extremen Knirsch-Fällen verkürzen sich die Sehnen und Muskelansätze im Kiefer. Weil das im Schlaf passiert, bleibt die Ursache oft unbemerkt. "Am ehesten weiß der Partner Bescheid, der das nächtliche Zähneknirschen oft schon jahrelang hört, bevor der Betroffene über Schmerzen klagt", sagt Drog.

Generation "Vorsorge"

Die gute Nachricht: Im Allgemeinen schauen die Österreicherinnen und Österreicher auf ihre Zahngesundheit. Das zeigt eine Befragung im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Die Mehrheit der Befragten geht mindestens einmal jährlich zur Zahnkontrolle. Fast 90 Prozent beurteilen ihre Mundgesundheit als sehr gut oder gut.

Immer mehr Seniorinnen und Senioren haben außerdem ein vollständiges natürliches Gebiss. Die Befragung zeigt auch, dass Frauen tendenziell mehr Wert auf ihre Mundgesundheit legen als Männer.

Zahnarzt Drog fällt außerdem auf, dass sich die heutige Elterngeneration sehr um die Zahngesundheit ihrer Kinder kümmert. "Das war früher definitiv anders", sagt er. Das weiß er auch aus Erzählungen seines Vaters, der auch als Zahnarzt praktiziert. Was sich außerdem geändert habe: Heute setzen Ärztinnen und Ärzte immer stärker auf Vorsorge, statt nur auf Schmerzen zu reagieren. Das hilft, dass Zahnprobleme gar nicht erst entstehen. (Andrea Gutschi, 9.2.2024)