Filiale der Commerzialbank
Bargeld spielt in der Causa Commerzialbank Mattersburg eine große Rolle – aber das kam nicht aus dem Bankomaten, sondern aus einem "nichtrealen" Geldkreislauf.
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So unbekannt sie bis dahin war, so bekannt ist sie heute: die Commerzialbank Mattersburg (CBM). Im Juli 2020 wurde sie von der Aufsichtsbehörde FMA zugesperrt, nachdem bei einer Vor-Ort-Prüfung und dank Whistleblower-Meldung Unregelmäßigkeiten aufgeflogen waren. Wenig später ging die CBM mit Passiva von rund 800 Millionen Euro pleite.

Der frühere Bankchef Martin Pucher und seine Vorstandskollegin Franziska Klikovits gestanden unter anderem, jahrzehntelang Kreditkunden und Einlagen bei anderen Geldinstituten erfunden und so die Bilanzen aufgeblasen zu haben. Zudem gestanden sie illegale Bargeldübergaben an Kunden, die Scheinrechnungen erstellt hätten.

Über kleinere Seitenstränge der Causa wurde schon verhandelt, seit Ende Jänner liegt nun die erste Anklageschrift zum Hauptstrang vor. Angeklagt sind neben Pucher und Klikovits drei burgenländische Unternehmer, es geht um den Vorwurf der Veruntreuung, Untreue, betrügerische Krida, Fälschung unbarer Zahlungsmittel (Scheckfälschung), Geldwäscherei und Bilanzfälschung – beziehungsweise der Anstiftung und Beihilfe dazu. Gesamtschaden: rund 69,9 Millionen Euro. Für alle fünf Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Pucher und Klikovits sollen den Unternehmern, die von ärgsten wirtschaftlichen Turbulenzen geplagt waren, laut Anklageschrift 40 Millionen Euro in bar zugesteckt und ihnen zudem 30 Millionen Euro in Form von Krediten haben zukommen lassen. Allerdings seien die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und zudem auch nicht ausreichend besichert gewesen, so der Vorwurf.

Konkret soll Pucher einem der Angeklagten binnen zehn Jahren rund 20 Millionen Euro, einem zweiten binnen neun Jahren 17,5 Millionen Euro in bar zukommen haben lassen. Und wie kam der Banker, der auch Präsident des Fußballvereins SV Mattersburg (SVM) war, an das viele Geld? Mitunter durch Scheckfälschungen: Pucher habe Schecks auf den Namen einer betagten, reichen Kundin ausgestellt und deren Unterschrift gefälscht. An der Kassa eingelöst habe die Schecks zunächst er, später dann Klikovits.

Fingierte Rechnungen

Den Leuten an der Kassa soll er wahrheitswidrig erklärt haben, dass er die alte Dame selbst betreue und die Schecks bei ihr abgeholt habe, oder die Frau sei außerhalb der Öffnungszeiten zu ihm gekommen. Pucher habe das Geld in der Schreibtischlade verwahrt, die Unternehmer zu sich eingeladen, mit ihnen über deren wirtschaftliche Lage gesprochen – und ihnen sodann das Geld überreicht. Die Geschäftsleute sollen dann Ausgangsrechnungen fingiert, das Geld in ihre Unternehmen einfließen und dann aufs CBM-Konto eingezahlt haben.

Klikovits war laut den Vorwürfen dafür zuständig, all die Bargeldübergaben im Rechenwerk der Bank durch Manipulationen in der Buchhaltung zu verschleiern. Tatsächlich stammten die Scheckbeträge laut Anklage aus dem fiktiven Konto der genannten Kundin, das Teil des nichtrealen Geldkreislaufs der Bank gewesen sei. Der habe sich aus Bilanzmanipulationen gespeist, wie die eingangs erwähnten Einlagen der CBM bei Banken oder fiktive Zinserträge aus fiktiven Krediten.

Die in der Anklage erwähnten Unternehmen wären laut Gutachter ohne die Geldzufuhr aus der CBM längst pleite gewesen. Eine der Gesellschaften schon Ende 2002 – tatsächlich in Konkurs ging sie 2020. Das zweite Unternehmen war eigentlich 2005 insolvent, das dritte 2008. Auch das wurde dann erst 2020 in die Insolvenz geschickt.

Unterstützung mit Bargeld

Die drei Unternehmer selbst waren allesamt alte Bankkunden und Bekannte Puchers, zwei von ihnen SVM-Sponsoren. Keiner der Angeklagten habe eine Beendigung der Geschäftsbeziehungen gewollt: Wären die Kredite fällig gestellt worden, wäre die Insolvenz gefolgt, was auch Bank und Fußballverein in Turbulenzen gebracht hätte.

Also hat Pucher laut WKStA und seiner eigenen Aussage beschlossen, die Unternehmer anders zu unterstützen: eben mit Bargeld und, laut Anklage unvertretbaren, Krediten.

Aufgeflogen ist die Sache sehr lange nicht: Die erste Bargeldübergabe fand im Jänner 2008 statt, die letzte im Juni 2018.

Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig, die Einspruchsfrist läuft noch. Und: Die WKStA führt etliche weitere Ermittlungsverfahren – gegen insgesamt 35 Beschuldigte. (Renate Graber, 8.2.2024)