Wie schnell Softwareentwicklung gehen kann, wenn der Druck durch die Konkurrenz nur groß genug ist, demonstrieren Firmen wie Google und Microsoft im KI-Bereich gerade eindrücklich. Seit Monaten jagt eine neue Ankündigung die nächste. Und so kommt es, dass nur wenige Tage nach dem letzten Paket an Neuerungen für Googles Bard nun bereits das nächste ansteht – wenn auch unter neuen Vorzeichen.

Gemini
Bard heißt Gemini, kommt aufs Smartphone und in neuer Bezahlversion.
Google

Bard heißt künftig Gemini, Googles ChatGPT-Konkurrent erhält also einen neuen Namen. Einen, mit dem man eine Art Neuanfang symbolisieren will. Immerhin wurde bei Bard vor einigen Monaten die komplette Basistechnologie ausgetauscht – und zwar auf eine ebenfalls Gemini genannte Familie an großen Sprachmodellen (LLMs), die bereits vor einigen Wochen vorgestellt wurde. Dadurch schlägt sich die Software nun wesentlich besser als zuvor im Vergleich zur direkten Konkurrenz von OpenAI und Microsoft.

Gemini Advanced soll der bisher beste Chatbot sein

Doch damit will sich Google nicht zufriedengeben: Mit Gemini Advanced wird parallel zur Umbenennung eine noch mächtigere Version des Chatbots vorgestellt. Diese soll gerade bei besonders komplexen Aufgaben deutlich besser agieren, etwa als persönlicher Tutor beim Lernen helfen können. Auch logische Zusammenhänge über längere Diskussionen hinweg soll Gemini Advanced deutlich besser erfassen. Zudem verspricht Google erheblich verbesserte Fähigkeiten für Programmieren oder kreative Aufgaben sowie die Möglichkeit, längere Prompts zu erstellen. In Blindtests schneidet Gemini Advanced damit bei unabhängigen Testern besser ab als alle anderen aktuellen KI-Chatbots, versichert zumindest Google selbst.

Möglich wird das durch die Nutzung von Googles bisher größtem Sprachmodell – Gemini Ultra 1.0. Die Basisversion von Gemini setzt – wie auch die letzten Bard-Versionen – hingegen noch auf dem kleineren Gemini Pro auf. Diese Unterscheidung sollte eigentlich schon klarmachen, was als Nächstes folgt: Gemini Advanced ist im Gegensatz zur Basisvariante – die es auch weiterhin geben wird – nicht kostenlos.

Bard becomes Gemini | Ultra 1.0 and a new mobile app
Supercharge your ideas with Gemini. You can already chat with Gemini with our Pro 1.0 model in over 40 languages and more than 230 countries and territories. And now, we’re bringing you two new experiences — Gemini Advanced and a mobile app — to help you eas
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Ein neues Google-One-Angebot

Wer Gemini Advanced nutzen will, muss dafür ein Abo bei Google One abschließen. Über diesen Dienst, der laut dem Unternehmen mittlerweile fast 100 Millionen Kundinnen und Kunden hat, bekommt man sonst vor allem Cloud-Speicher bei Google Drive. Das garniert mit einigen Extras etwa für Google Photos.

Allerdings gibt es die KI-Features nicht einfach zu bestehenden Google-One-Abos dazu, wer sie will, muss mehr als bisher zahlen. Ein "Google One AI Premium Plan" in Kombination mit 2 TB Speicherplatz kostet etwa 21,99 Euro monatlich und damit das Doppelte des bisherigen Preises für den gleichen Speicherplatz. Damit will Google wohl die nicht unerheblichen Kosten für den Betrieb solch fortgeschrittener KI-Systeme ausgleichen. Die großen Sprachmodelle sind bekanntermaßen sehr ressourcenintensiv.

Nicht bloß Speicherplatz und Chatbot

Ob man das für viel oder wenig hält, ist wie immer eine Frage der Perspektive. So zahlt man bei OpenAI praktisch den selben Betrag für ChatGPT Plus – und zwar nur für dieses allein. Bei Google gibt es neben dem Cloud-Speicher hingegen noch eine Fülle an weiteren KI-Features.

So soll Gemini schon bald auch bei Gmail, Docs und anderen Workspace-Programmen zur Verfügung stehen, das aber eben nur in Kombination mit dem neuen Premium-Plan. Bisher waren diese Features in einem experimentellen Stadium übrigens als "Duet AI" bekannt, auch hier gibt es also eine Namensvereinheitlichung. Zu den dadurch gebotenen Möglichkeiten gehört etwa ein Schreibassistent in Docs oder auch ein entsprechendes Tool in Gmail, das gleich den Inhalt von E-Mail-Threads in Antwortvorschläge einbeziehen kann.

Gemini in Gmail
Gemini in Gmail, kommt erst "in Kürze"
Google

Verfügbarkeit

Wer all das nur einmal ausprobieren will, für den hat Google ebenfalls ein Angebot: Zwei Monate lang kann der Google One AI Premium Plan nämlich kostenlos getestet werden. Und was besonders überrascht: Gemini Advanced gibt es ab sofort in mehr als 150 Ländern, dazu zählen auch Österreich und Deutschland.

Eine Einschränkung ist allerdings, dass alle auf Gemini Ultra 1.0 basierenden Tools derzeit offiziell nur Englisch unterstützen. Der Grund dafür: Zwar ist das Sprachmodell von Haus aus mehrsprachig, es gilt aber, dieses jeweils für einzelne Sprachen zu testen und die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen anzupassen. Google betont, dass eine Ausweitung auf mehr Sprachen und Regionen in absehbarer Zeit folgen soll.

Gemini Advanced soll außerdem über die kommenden Monate rasch ausgebaut werden und weitere exklusive Features erhalten. So spricht Google etwa von der Analyse von hochgeladenen Dokumenten und Datensätzen.

Die Zukunft des Smartphones?

Es gibt aber noch eine zweite große Neuerung, und die mag langfristig noch wichtiger sein: Gemini kommt auf das Smartphone. Als ersten Schritt in Richtung eines echten KI-Assistenten, der den Usern im Smartphone-Alltag zur Seite steht, versteht das Google.

Auf Android-Smartphones gibt es dafür eine neue App, die den bisherigen Google Assistant ersetzt. Einmal aktiviert, ist sie also über all jene Wege erreichbar, über die bislang der gewohnte Assistant aufgerufen wurde. Das reicht vom Langdruck auf den Power-Knopf bis zur Sprachsteuerung mit "Hey Google".

Gemini
Gemini kann in Verbindung mit Inhalten am Smartphone passende Antworten liefern.
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Die Funktionalität unterscheidet sich hingegen deutlich: So gibt es dann nicht nur Zugriff auf den neuen KI-Chatbot mit all seinen Möglichkeiten, dieser kann auch mit dem Geschehen auf dem Smartphone interagieren. So wird Gemini über die gerade sichtbare App gelagert und kann dann Fragen dazu beantworten. Als Beispiel nennt Google etwa die Möglichkeit, zu einem gerade aufgenommenen Foto eine Beschreibung für Social Media erstellen zu lassen. Wer will, kann aber auch Nachfragen zu einem Artikel stellen, den man gerade liest.

Und der Google Assistant?

Ein vollständiger Ersatz für den Google Assistant ist Gemini dabei noch nicht. Derzeit beschränkt sich der diesbezügliche Support auf ein paar grundlegende Dinge wie das Setzen eines Timers, das Initiieren eines Anrufs oder auch die Steuerung von Smart-Home-Geräten. Der Rest soll aber nach und nach folgen, was wohl auch bedeutet: Der Google Assistant in seiner klassischen Form ist damit so gut wie tot. Nachdem dessen Entwicklungsabteilung zuletzt dezimiert wurde, ist das aber keine Überraschung mehr.

Unter Apples iOS sieht all das etwas anders aus. Da man dort keinen Zugriff auf das System selbst hat, gibt es Gemini als Teil der Google-App. Die Funktionalität beschränkt sich zudem weitgehend auf den Chatbot selbst, es ist also möglich, allerlei Fragen zu stellen, Texte oder auch Bilder kreieren zu lassen.

Geduld ist eine Tugend

Für Interessenten in der EU heißt es in Hinblick auf die Gemini-App aber noch etwas geduldig zu sein. Zunächst gibt es diese nämlich überhaupt nur in den USA, die ersten anderen Länder und Sprachen – darunter Japanisch und Koreanisch – sollen aber bereits kommende Woche folgen. Diese Wahl dürfte nicht zufällig sein. Googles eigene Pixel-Smartphones sind in Japan besonders beliebt, während Koreanisch für Googles Android-Partner Samsung besonders wichtig ist. Weitere Sprachen und Regionen sollen aber folgen. (Andreas Proschofsky, 8.2.2024)