Moskau/Jekaterinburg/Charkiw/Odessa – Bei Protesten von Angehörigen der für den Ukraine-Krieg mobilisierten Russen hat die Polizei in Moskau und der Millionenstadt Jekaterinburg mehrere Menschen festgenommen. In Jekaterinburg am Uralgebirge seien fünf Personen während der Niederlegung von Blumen an einem Soldatendenkmal von Polizisten in Zivil abgeführt worden, berichtete die Bürgerrechtsplattform OWD-Info am Samstag.

Immer wieder legen Frauen in Moskau Blumen vor dem Grab des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer nieder, um für die Heimkehr der Soldaten aus der Ukraine zu demonstrieren.
Immer wieder legen Frauen in Moskau Blumen vor dem Grab des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer nieder, um für die Heimkehr der Soldaten aus der Ukraine zu demonstrieren.
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In Moskau nahm die Polizei nach Informationen des Internetportals Sota zwei Journalisten auf das Revier mit. Beide wurden demnach inzwischen wieder freigelassen. Aufgerufen zu der Protestaktion hatte die Bewegung "Putj domoi" ("Weg nach Hause"), die von Ehefrauen mobilgemachter Russen ins Leben gerufen wurde. In sieben Städten legten Aktivistinnen an Denkmälern für die gefallenen sowjetischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs Blumen nieder. In Moskau nutzten sie bei der insgesamt zehnten Protestaktion gegen den von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Krieg gegen die Ukraine das Grab des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer. Vor dem Denkmal bildete sich eine lange Schlange von Menschen mit vorwiegend roten Nelken.

Die Polizei war mit vielen Kräften vor Ort. Auch unweit des Roten Platzes war ein größeres Polizeiaufgebot, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Selenskyj tauschte weiteres Personal an Militär-Spitze

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach eigenen Angaben zwei neue Stellvertreter für den Oberbefehlshaber des Militärs ernannt – und dabei einige hochrangige Generäle übergangen. Wie Selenskyj am Samstag in seiner täglichen Videoansprache sagte, handelt es sich um die Obersten Wadim Sucharewskyj und Andrij Lebedenko. Damit setzte der Präsident einer Reihe von Generälen zwei Offiziere niederen Dienstgrads als Vorgesetzte vor die Nase. Selenskyj stellte die beiden neuen Vize-Oberbefehlshaber als Experten vor. Sucharewskyjs Gebiet seien autonome Systeme und die Entwicklung des Drohneneinsatzes, Lebendenkos Gebiet Innovationen und die technologische Komponente der Armee und der Kampfsysteme, sagte der Präsident.

Selenskyj begründete die Ernennungen mit der Notwendigkeit, neue Technologien beim Militär zu forcieren. Dies diene dazu, die Verluste an der Front zu mindern, sagte der 46-Jährige. Schon nach dem Austausch des Oberkommandierenden hatte Selenskyj einen groß angelegten Umbau an der Führungsspitze der Armee angekündigt. Tatsächlich wechselte er am Samstag auch noch drei Stellvertreter des Generalstabschefs aus. Mit Wolodymyr Horbatjuk, Olexij Schewtschenko und Mychajlo Drapato ernannte er in dem Fall aber drei erfahrene Brigadegeneräle.

Selenskyj erwähnte auch die eigene Produktion von Waffen und Munition. Bei Besprechungen seien die notwendigen Anweisungen erteilt worden, sagte der Staatschef. Die Ukraine leidet wegen der nur noch spärlich fließenden westlichen Waffenhilfe unter einem zunehmenden Munitionsmangel. Die Kooperation mit ausländischen Partnern bleibt nach Angaben Selenskyjs für Kiew aber wichtig. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe er bei einem Telefonat um Waffen der elektronischen Kampfführung, Flugabwehr und Artillerie gebeten, teilte Selenskyj mit.

Drohnenangriffe auf Charkiw

Russland hat ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht auf Samstag die Stadt Charkiw im Osten der Ukraine mit iranischen Shahed-Drohnen angegriffen. Dabei sind dem Gouverneur des Oblasts zufolge sieben Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben gekommen. Darunter seien drei Kinder, teilte Gouverneur der Region Oleh Synehubow via Telegram.

Der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, hatte zuvor auf seinem Telegram-Kanal geschrieben, dass zivile Infrastruktur getroffen worden sei. An einer Tankstelle sei Benzin entflammt, 14 Privathäuser hätten gebrannt, schrieb Terechow weiter. Demnach breitete sich das Feuer auf einer Fläche von 3.700 Quadratmetern aus.

50 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt, darunter auch Kinder, seien evakuiert worden. Der Katastrophenschutz bekämpfe den Brand und setze seine Suche nach möglichen Opfern fort, so Terechow. Medien berichteten von Explosionen in der zweitgrößten Stadt des Landes. Synehubow schrieb im Kurznachrichtendienst Telegram, der Stadtteil Nemyschlianskyj sei getroffen worden. Zudem habe es einen Einschlag in einem Café in Welykjy Burluk östlich von Charkiw gegeben.

Feuer in Charkiw nach russischen Drohnenangriffen am 10. Februar 2024.
Nach einem Drohnenangriff auf Charkiw in der Nacht auf Samstag breitete sich laut Bürgermeister Terechow ein Feuer auf einer Fläche von 3.700 Quadratmetern aus.
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Auch die ukrainische Luftwaffe berichtete auf Telegram von Drohnenangriffen auf Charkiw. Über Tote oder Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den tödlichen Drohnenangriff auf die Region Charkiw scharf verurteilt. "Tatsachen sagen immer mehr als Worte", schrieb Selenskyj am Samstag auf Telegram und verwies darauf, dass die russische Attacke aus der Nacht eine Familie mit drei kleinen Kindern getötet habe. "Der Terror kann nicht ohne Antwort bleiben." Dazu veröffentlichte er zahlreiche Bilder von zerstörten Häusern und dem Kampf der Feuerwehrleute gegen die Flammen.

Verletzter in Odessa

In der Schwarzmeerregion Odessa im Süden wurde laut Militärgouverneur Oleh Kiper unterdessen mindestens ein Mensch verletzt. Ein 44 Jahre alter Mann sei durch Granatsplitter am Arm verletzt worden und werde im Krankenhaus versorgt.

Russland wiederum wehrte nach eigenen Angaben in der Nacht auf Samstag einen Drohnenangriff über dem Gebiet Brjansk nahe der Grenze zur Ukraine abgewehrt. Die Luftabwehr habe drei ukrainische Drohnen abgefangen und zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am frühen Samstagmorgen mit. Über Schäden oder Opfer war zunächst nichts bekannt. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Die Ukraine verteidigt sich seit fast zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Dabei setzen beide Seiten immer wieder Drohnen ein. Die von der Ukraine verursachten Schäden stehen aber in keinem Verhältnis zu der Zerstörung, die Russland in seinem Nachbarland anrichtet.

Moskau kündigt Pachtvertrag für ukrainische Botschaft

Die Stadt Moskau hat indes offiziellen Angaben nach den Pachtvertrag für die ukrainische Botschaft gekündigt. Dies sei die Antwort auf die Kündigung Kiews für die dortige russische Botschaft, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, am Samstag einer Aussendung des Ministeriums zufolge. "In der Diplomatie gibt es das Prinzip der Gegenseitigkeit", sagte Sacharowa. Die ukrainische Seite sei über den Schritt informiert worden.

Das Botschaftsgebäude liegt im Zentrum der russischen Hauptstadt. Es handelt sich um ein Herrenhaus, das ursprünglich im 18. Jahrhundert erbaut wurde, später mehrfach erweitert wurde und unter anderem dem Grafen Alexej Uwarow gehörte. Zu den Gästen des Hauses zählte etwa auch der bekannte Schriftsteller Lew Tolstoi.

Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs vor fast zwei Jahren wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern abgebrochen. Die ukrainische Botschaft in Moskau selbst wurde noch am ersten Kriegstag, dem 24. Februar 2022, geschlossen. Über die Schließung der ukrainischen Konsulate in mehreren russischen Städten informierte Kiew die Öffentlichkeit rund drei Wochen später. Im April 2023 kündigte die Stadtverwaltung von Kiew der russischen Botschaft den Pachtvertrag. (APA, red, 10.2.2024)