Mehrheitsführer des Senats, Charles
Dem Mehrheitsführer des Senats, Charles "Chuck" Schumer, sieht man die Erleichterung an, dass das Hilfspaket zumindest in seiner Kammer unter Dach und Fach ist.
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Wolodymyr Selenskyj muss die Debatte im Fernsehen verfolgt haben. Nur wenige Minuten, nachdem der letzte Senator im fernen Washington seine Stimme abgegeben hatte, meldete sich der ukrainische Präsident bei X (ehemals Twitter) mit einer Dankesnachricht zu Wort: "Die fortgesetzte US-Hilfe trägt dazu bei, Menschenleben vor dem russischen Terror zu retten", schrieb er, das soeben verabschiedete amerikanische Hilfspaket lobend, das sein Land dem "gerechten Frieden" näherbringe.

Die Erleichterung Selenskyjs nach dem monatelangen Gezerre um die amerikanische Unterstützung ist verständlich. Doch sein Dank kommt möglicherweise zu früh. Nun muss das milliardenschwere Gesetzespaket mit Militärhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan sowie humanitärer Unterstützung für die Palästinenser nämlich vom Repräsentantenhaus gebilligt werden, dessen republikanische Mehrheit sich im Klammergriff ihres mutmaßlichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump befindet. Alleine die Einleitung einer Abstimmung dort würde Parlamentssprecher Mike Johnson wohl seinen Job kosten.

Im Vergleich zu den Widerständen, die das Vorhaben in den nächsten Wochen erwarten, dürfte sich der aberwitzige Hürdenlauf, den das Gesetzespaket im Senat hinter sich bringen musste, daher als Spaziergang erweisen. Vier Monate ist es her, dass Präsident Joe Biden beim Kongress erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar für ein Sicherheitspaket beantragte. Um die wegen eines hohen Quorums erforderliche Zustimmung der Republikaner zu sichern, wurden darin ursprünglich die Ukraine- und Israel-Hilfen mit einer Aufrüstung der US-Grenze und einer massiven Verschärfung der US-Asylpolitik verbunden.

Abgespeckte Version

Doch nach einer vehementen Intervention Trumps, der die Migrationskrise an der US-Grenze im Wahlkampf ausschlachten und daher eine Gesetzgebung verhindern will, war das erste Paragrafenwerk in der vergangenen Woche im Senat gescheitert. Seither rang die Kammer buchstäblich Tag und Nacht um eine abgespeckte Version ohne Mittel für die US-Grenze. Trump-hörige Republikaner wie der geschmeidige "Transatlantiker" Lindsey Graham lehnten dies nun aber plötzlich ab, weil zunächst die Probleme an der eigenen Grenze gelöst werden müssten.

Nach einer nächtlichen Marathonsitzung kam es am Dienstagmorgen zur finalen Abstimmung. 70 der 100 Senatoren stimmten für das 95 Milliarden Dollar schwere Paket, das 60 Milliarden Dollar für die Ukraine enthält. Neben den Demokraten votierte fast die Hälfte der republikanischen Fraktion – 22 Senatoren – mit Ja. Das ist ein bemerkenswerter Erfolg für den zuletzt als schwach wahrgenommenen Minderheitsführer Mitch McConnell, der die Ukraine-Hilfe unterstützt. "Der Senat versteht seine Verantwortung für Amerikas nationale Sicherheit", erklärte der 81-Jährige: "Es wird in die Geschichte eingehen, dass der Senat nicht eingeknickt ist."

Doch nun muss das mehrheitlich republikanische Repräsentantenhaus das Vorhaben billigen. Zwar zeigte sich Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer des Senats, demonstrativ überzeugt: "Wenn Sprecher Johnson das zur Abstimmung stellt, wird es dort mit gleicher Unterstützung durchgehen." Doch dürfte auch Schumer wissen, dass dies kaum passieren werde. Johnson ist ein ungleich schwächerer politischer Anführer als McConnell, der es nur mit Unterstützung von Trump ins Amt geschafft hat. Dessen Verbündete verbreiten gerade wilde Verschwörungslegenden, denen zufolge mit den Ukraine-Hilfen ein Impeachment ihres Idols nach einem möglichen Wahlsieg vorbereitet werden soll. Sie wollen Johnson wie seinen Vorgänger Kevin McCarthy sofort abwählen, wenn er das Gesetzespaket auch nur zur Abstimmung stellt.

Keine Mehrheit in Sicht

"Die nationale Sicherheit beginnt an unserer Grenze", erklärte der Parlamentssprecher denn auch und warf dem Senat vor, versagt zu haben. Theoretisch könnte er versuchen, ein eigenes Gesetz auf den Weg zu bringen. Eine Mehrheit dafür ist in der chaotischen Republikaner-Fraktion aber nicht in Sicht.

Als Alternativplan wird nun eine sogenannte "Discharge Petition" aus der Mitte des Parlaments diskutiert. Eine Mehrheit der Abgeordneten könnten so eine Abstimmung über das Senatspaket auch ohne Ausschussempfehlung erzwingen. Diesen Vorstoß müssten aber auch Republikaner unterstützen, während gleichzeitig linke Demokraten wegen der Israel-Unterstützung abzuspringen drohen. Die Geschäftsordnung des Parlaments sieht zudem ein kompliziertes, wochenlanges Verfahren vor, das erst extrem selten erfolgreich durchgezogen wurde. (Karl Doemens aus Washington, 13.2.2024)