Wenn es bei den europäischen Nachbarn en vogue ist, dann zeitnah wohl auch in Österreich: Die Rede ist von sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), die umgangssprachlich gerne auch als "Apps auf Rezept" bezeichnet werden.

Dabei handelt es sich regelmäßig um Medizinprodukte, die eine medizinische Zweckbestimmung haben und damit etwa in diagnostischer oder behandlungstechnischer Hinsicht bei Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen Verwendung finden. Das unterscheidet sie auch von bloßen "Lifestyle-Apps" wie beispielsweise Essenstrackern oder Fitnessuhren, die lediglich der Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens dienen sollen.

Hand tippt auf Display
In Deutschland werden Apps auf Rezept bereits eingesetzt. In Österreich gibt es erste Pläne zur Umsetzung.
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Grundsätzlich sind solche Digitalen Gesundheitsanwendungen schon länger am Markt erhältlich, neu ist allerdings, dass sie nun auch auf Kosten der Sozialversicherung verschrieben und abgegeben werden können sollen (Stichwort: "Erstattung").

Dieser Umstand rechtfertigt eine genauere Betrachtung: Die sozialversicherungsrechtliche Erstattung von Medizinprodukten ist anders als bei Arzneimitteln deutlich heterogener und weniger detailliert geregelt. So gibt es etwa kein dem Erstattungskodex vergleichbares Verzeichnis, wo erstattungsfähige Produkte gelistet sind.

Kostenerstattung in Deutschland

Typischerweise ist es für eine Erstattung essentiell, dass die Gesundheitsanwendung einen positiven Gesundheitseffekt nachweisbar erbringen kann. Ein solcher kann in der Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Verkürzung der Dauer einer Krankheit, in der Verlängerung des Überlebens oder in der Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität liegen.

In Deutschland ist zu dieser Thematik bereits Ende 2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft getreten. Gemeinsam mit der Digitalen Gesundheitsanwendungen-Verordnung liefert es eine Rechtsbasis dafür, dass Apps auf Rezept tatsächlich Einzug in die medizinische Versorgungslandschaft finden. Hersteller von Digitalen Gesundheitsanwendungen können einen Antrag auf Aufnahme in das Digitale Gesundheitsanwendungen-Verzeichnis stellen, wobei innerhalb von drei Monaten über den Antrag entschieden werden muss (sogenanntes "Fast-Track-Verfahren").

Mehr als 52 Digitale Gesundheitsanwendungen sind im entsprechenden Verzeichnis bereits gelistet, und die Produktpalette ist durchaus divers: Anwendungen zur Angsttherapie, gegen Rückenschmerzen, gegen Schlafstörungen, gegen Depressionen, zur Raucherentwöhnung oder zur Unterstützung bei Multipler Sklerose finden sich darunter.

Mehr als 370.000 Fälle

Alle gelisteten Digitalen Gesundheitsanwendungen (das können Apps, browserbasierte Anwendungen oder Software sein) dürfen von behandelnden Ärzt:innen verschrieben werden. Bei entsprechender Diagnose werden sie teilweise direkt von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet. Seit 2020 sind in diesem Setting in Deutschland bereits in mehr als 370.000 Fällen Digitale Gesundheitsanwendungen zum Einsatz gekommen.

Die Kosten, welche die deutsche Krankenversicherung für die Anwendung Digitaler Gesundheitsanwendungen an Patient:innen zu übernehmen hat, sind allerdings nicht zu vernachlässigen. So fallen oft mehr als 300 Euro als Starterpaket an, und weitere mehrere hundert Euro sind für die Nutzung von zusätzlichen 90 Tagen zu bezahlen. In Deutschland steht grundsätzlich auch "Digitalen Pflegeanwendungen" (DiPA) zur Unterstützung in der Gesundheits- und Krankenpflege der Weg der Erstattung offen; hierzu muss der Nachweis eines pflegerischen Nutzens für eine Gruppe von Pflegebedürftigen vorgelegt werden können.

Situation in Österreich

Langsam aber doch scheint auch Österreich auf diesen Zug aufzuspringen. Explizite Erwähnung finden Digitale Gesundheitsanwendungen in dem im Juni 2023 vorgestellten und beschlossenen digitalen Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung, dem Digital Austria Act (DAA). Darin wird eine Verschreibung qualitätsgesicherter Digitaler Gesundheitsanwendungen in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung in Aussicht gestellt. Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat die Zeichen der Zeit erkannt und proklamiert, im Jahr 2024 erstmals Digitale Gesundheitsanwendungen in das System der Kostenerstattung einbinden zu wollen.

Von besonderer Bedeutung ist bei Digitalen Gesundheitsanwendungen die Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus bei der Verarbeitung von höchst persönlichen Informationen, wozu etwa die Preisgabe von Symptomen – man denke an Apps gegen Depressionen oder Ängste – zählt. In Deutschland wurde dem insofern Rechnung getragen, als zusätzlich zur geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) strengere Vorschriften etabliert wurden.

Damit einhergehend zu beobachten ist auch ein erhöhter datenschutz-, medizin(produkte-) und erstattungsrechtlicher Beratungsbedarf, den diverse Player am Markt bereits jetzt wahrnehmen, um hier vom Anfangsstadium dieser neuen Entwicklungen an zukunftsfit aufgestellt zu sein.

Breitere Versorgungsmöglichkeiten

Die zunehmende Alterung der Gesellschaft und der steigende pflegerische Aufwand verlangen vom öffentlichen Gesundheitswesen, innovative Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Durch Digitale Gesundheitsanwendungen und Digitale Pflegeanwendungen kann auf effektive Weise diesem Kostendruck entgegengewirkt werden, indem dem Prinzip "digital vor ambulant vor stationär" entsprochen wird.

Patient:innen wird durch Digitale Gesundheitsanwendungen gleichzeitig eine zeit- und ortsunabhängige Möglichkeit zur Diagnose- und Behandlungserweiterung geboten. Im besten Fall profitieren vom Einsatz Digitaler Gesundheitsanwendungen somit alle Beteiligten: Ärzt:innen, der Staatshaushalt und die Patient:innen. (Lukas Beiglböck, Michaela Petsche, Martina Grama, 16.2.2024)