Julia Simon räumt im Biathlon ab, sieht sich aber auch mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
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Dass laut einer – allerdings diskutablen – Umfrage vier der zehn unsichersten Städte Europas in Frankreich zu finden sind, liegt gewiss nicht an Julia Simon. Dabei vermag die 27-jährige Savoyerin auch unter höchster physischer und psychischer Belastung unfassbar schnell und dennoch treffsicher zu schießen. Und sie verfügt über scheinbar unerschöpfliche Energie. Die soll sich allerdings – so wird unterstellt – zumindest einmal kriminell entladen haben.

Dank ihrer Talente ist die 1,70 Meter hohe und 62 Kilo schwere Bauerntochter aus dem Bergdörfchen Villard-sur-Doron gegenwärtig die beste Biathletin der Welt. Zur Halbzeit der Weltmeisterschaft im bewaffneten Langlauf in Nove Mesto, Tschechien, hält sie bei dreimal Gold und einmal Bronze. Der Gesamtweltcupsiegerin der vergangenen Saison werden weitere Goldene zugetraut.

Kreditkartenmissbrauch

Als quasi unausweichlich gilt der Triumph mit der französischen Staffel am Samstag. Das ist umso bemerkenswerter, als Simon im Sommer 2022 Kreditkarten ihrer Kollegin Justine Braisaz-Bouchet und eines weiteren Teammitglieds stibitzt haben soll, um damit unter Nutzung ihres eigenen Computers samt E-Mail-Adresse im Internet einzukaufen. Waren im Wert von mehr als 1600 Euro seien geordert und an Simons Privatadresse geliefert worden. Die Sache ist polizeianhängig, nachdem Simon beim Versuch einer teaminternen Klärung alles abgestritten und angegeben hatte, selbst Opfer eines "Identitätsdiebstahls" zu sein.

Erst kurz vor der Saison durfte Simon nach separater Vorbereitung ins französische Team zurückkehren. Im Interesse gemeinsamer Erfolge soll das Thema "Kreditkartenmissbrauch" tabu sein.

Das gelingt blendend. Die Französinnen gewannen zehn von bisher 18 Bewerben im Weltcup, darunter zwei Staffelrennen mit der stets überragenden Schlussläuferin Simon.

Keine Freundinnen

Braisaz-Bouchet, wie Simon beim Zoll angestellt und Siegerin von vier Einzelrennen im aktuellen Weltcup, lauschte nach dem WM-Triumph in der Mixedstaffel Seite an Seite mit ihrer "ziemlich besten Feindin" gerührt der Marseillaise. "Jeder weiß inzwischen, dass wir es nicht mit einem Team von Freundinnen zu tun haben, sondern mit einem echten Team von Wettkämpferinnen", sagt Cyril Burdet, der Trainer der Französinnen. Die münzen, angeführt von Hobbytischlerin Simon, in Nove Mesto Emotionen in Medaillen um. (Sigi Lützow, 14.2.2023)