16 Wochen vor der Europawahl zeichnet sich bei der wichtigsten Personalentscheidung für die nächste Legislaturperiode bis 2029 eine Weichenstellung ab. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich für eine zweite Amtszeit bewerben. Die seit Juli 2019 vom Europäischen Parlament auf Vorschlag der Staats- und Regierungschefs gewählte Deutsche wird von der Europäischen Volkspartei (EVP) dementsprechend auch als Spitzenkandidatin ins Rennen geschickt.

Der erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, bestätigt das in einem Interview mit dem STANDARD. "Ich erwarte, dass sie kandidieren und von der EVP zur Spitzenkandidatin gemacht wird", sagte er. "Daher wird sie wohl auch erneut Kommissionspräsidentin werden."

Ursula von der Leyen wird wohl wieder ins Rennen um die EU.Kommissionspräsidentschaft gehen.
Ursula von der Leyen wird wohl wieder ins Rennen um die EU-Kommissionspräsidentschaft gehen.
EPA/OLIVIER HOSLET

Seit dem EU-Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 werden Chefs und Chefinnen der EU-Kommission vom Europäischen Parlament in einem mehrstufigen Verfahren in einer Direktwahl mit einfacher Mehrheit im Plenum gewählt. Die Abgeordneten stimmen dabei über einen Vorschlag ab, den die 27 Staats- und Regierungschefs zuvor machen. Damit verbunden ist ein größeres "Personalpaket", das zwischen den Parteifamilien und Ländern abgestimmt wird. So sind im zweiten Halbjahr 2024 nicht nur die 27 EU-Kommissare neu zu besetzen (inklusive von der Leyen), sondern auch der EU-Außenbeauftragte, die Präsidenten von Parlament und Europäischem Rat, am Rande auch ein neuer Generalsekretär der Nato.

Auf dieses Prozedere wies Karas explizit hin: "Jede Kandidatin oder jeder Kandidat braucht im Parlament eine Mehrheit, damit er die Führung der Kommission übernehmen kann. Daher wird letztlich das Wahlergebnis entscheiden."

Bestens vernetzt

Der Österreicher ist als langjähriger EU-Abgeordneter seit 1999 bzw. seit 2022 als Stellvertreter von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in der EVP bestens vernetzt. Zu den Gründen, warum seine Partei als größte Fraktion in Straßburg an von der Leyen festhält, sagt er: "Die aktuelle geopolitische Lage erfordert Erfahrung, Stabilität und Kontinuität." Er hoffe, dass sie aller Voraussicht nach im Amt bleibt.

Die EVP wird nach allen Umfragen bei der Europawahl die deutlich stärkste Fraktion bleiben und Anspruch auf den wichtigsten Posten erheben. 2019 gab es eine Koalition von EVP, Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (RE), die ein Arbeitsprogramm der Koalition stützten und von der Leyen eine Mehrheit verschafften. Dies war mit sieben Stimmen Überhang bei 750 Abgeordneten damals aber knapp.

Eine offizielle Bestätigung aus der Kommission in Brüssel gibt es bisher nicht, dass die Präsidentin eine zweite Amtszeit anstrebt. Es deutet aber vieles darauf hin, dass dies in den nächsten Tagen auch öffentlich wird. Nächste Woche gibt es ein Treffen der CDU in Berlin, bei dem über die Strategie für die Europawahl gesprochen wird. Nach Informationen des STANDARD könnte sich von der Leyen dort Klarheit verschaffen über ihre Zukunft. Karas geht fix davon aus, dass sie bleiben will. Die Deutsche wäre nach Walter Hallstein, Jacques Delors und José Manuel Barroso erst die vierte Kommissionschefin der Geschichte mit zwei Amtszeiten.

Othmar Karas rechnet mit Kandidatur von Ursula von der Leyen.
Othmar Karas rechnet mit einer Kandidatur von Ursula von der Leyen.
APA/EVA MANHART

Neben dem Spitzenposten gibt es in Brüssel weitere Personalspekulationen. So soll die estnische Premierministerin Kaja Kallas gute Chancen haben, Charles Michel im Dezember als Präsidentin des Europäischen Rates abzulösen. Ins Spiel gebracht wurden auch die (Ex-)Premiers von Spanien und Portugal, Pedro Sánchez und António Costa, beide Sozialdemokraten. Darüber entscheiden nur die Staats- und Regierungschef, ohne Parlament. Der Posten des EU-Außenbeauftragten würde dann wieder den Sozialdemokraten zufallen, so es zu diesem Dreierbündnis im Parlament kommt. Die Christdemokratin Metsola will in der ersten Hälfte der Legislaturperiode weiter Parlamentspräsidentin sein. (Thomas Mayer aus Brüssel, 16.2.2024)