Julija Nawalnaja bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Julija Nawalnaja bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
AFP/THOMAS KIENZLE

Die unglaubliche Selbstbeherrschung, die sie in diesem Moment aufbringen musste, war ihr ins Gesicht geschrieben. Wenige Stunden nachdem Julia Nawalnaja vom Tod ihres Mannes Alexej Nawalny informiert worden war, betrat die Russin die Bühne auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Ich habe lange überlegt, ob ich den Auftritt wahrnehmen oder lieber gleich zu meinen Kindern fliegen soll", eröffnete sie ihr Statement. Dann habe sie sich aber gefragt: "Was würde Alexej tun?" Es folgte eine Kampfansage an Russlands Präsidenten Wladimir Putin und das "furchtbare Regime, das über Russland herrscht".

Für den emotionalen Auftritt in einem so erschütternden Moment ihres Lebens bekam die 47-Jährige vom Publikum stehende Ovationen, das Video der rund zwei Minuten langen Rede ging im Internet viral. In den sozialen Medien wurde sie als neue Hoffnungsträgerin der russischen Opposition gepriesen.

Es war jedenfalls nicht das erste Mal, dass Nawalnaja für die politischen Überzeugungen ihres Mannes einstand. Die beiden traten oft gemeinsam auf. Nach seiner Inhaftierung hielt sie weltweit Reden, gab Interviews und kämpfte gemeinsam mit Tochter Daria um die Freilassung des prominenten Kreml-Kritikers.

Julija Nawalnaja: "Putin und sein Gefolge werden zur Rechenschaft gezogen" | Die gesamte Rede
ZEIT ONLINE/ Quelle Video: BAYERISCHER RUNDFUNK

Gemeinsames Leben

Das erste Mal traf die damalige Studentin der Wirtschaftswissenschaften ihren späteren Mann im Sommer 1998 während eines Türkei-Urlaubs. Sie und der 22-jährige Jusstudent kamen einander schnell näher. Im Jahr 2000 wurde geheiratet. 2001, und 2008 kamen die gemeinsamen Kinder Daria und Sahar zur Welt.

Als "Liebe ihres Lebens" bezeichnet Nawalnaja ihren charismatischen Mann, der zuerst als Blogger und dann als Oppositionspolitiker zahlreiche Anhänger gewann. Nach dem mutmaßlich vom Kreml angeordneten Giftanschlag auf ihn im Jahr 2020 bestand die "First Lady der russischen Opposition" darauf, dass ihr Mann in Deutschland behandelt wird. Sie habe ihm damit das Leben gerettet, sagte Nawalny später. Schon kurz danach ermutigten erste Stimmen Nawalnaja dazu, eine unabhängige politische Rolle zu spielen, als eine Art "russische Swetlana Tichanowskaja". Die belarussische Oppositionsführerin trat im Sommer 2020 in ihrer Heimat bei der Präsidentenwahl an – anstelle ihres bis heute inhaftierten Mannes Sergej. Nawalnaja und Tichanowskaja trafen einander noch am Tag der Rede in München. (Manuela Honsig-Erlenburg, 18.2.2024)