Julija Nawalnaja, Ehefrau von Alexej Nawalny, nimmt an der Sicherheitskonferenz teil und geht über die Bühne.
Julija Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, hielt nach Bekanntwerden des Todes ihres Mannes eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
APA/dpa/Sven Hoppe

Salechard – Als Reaktion auf den Tod des russischen Regimegegners Alexej Nawalny im Straflager bestellt das deutsche Außenministerium in Berlin am Montag den russischen Botschafter ein. Das kündigte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts an. Die politisch motivierten Verfahren gegen Nawalny sowie gegen zahlreiche weitere Kritiker der russischen Regierung und die unmenschlichen Haftbedingungen zeigten, wie brutal die russische Justiz gegen Andersdenkende vorgehe und mit welchen Mitteln Präsident Wladimir Putin Meinungsfreiheit in Russland unterdrücke, sagte die Sprecherin. Das Ministerium fordert zudem "ausdrücklich die Freilassung aller in Russland aus politischen Gründen Inhaftierten". Nach Bekanntmachung seines Todes versammelten sich weltweit Menschen zu Solidaritätsbekundungen, darunter in Genf, Paris, Helsinki und Berlin.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht von einer gezielten Ermordung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny aus. Sie habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit der Witwe von Nawalny, Julija Nawalnaja, gesprochen, die eindrücklich geschildert habe, dass Nawalny noch am Tag vor der Sicherheitskonferenz per Video an einer Anhörung teilgenommen habe, sagte von der Leyen am Montag.

Während zahlreiche westliche Politikerinnen und Politiker Putin und sein Regime für den Tod des Oppositionellen verantwortlich machen, postete Donald Trump eine kryptische Nachricht auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social. Der Ex-US-Präsident geriet wegen seiner Anerkennung für den russischen Staatschef wiederholt in Kritik. Der Social-Media-Post enthielt keine Schuldzuweisung. Der plötzliche Tod Nawalnys habe ihm "ein langsames, stetiges Fortschreiten, bei dem verlogene, linksradikale Politiker, Staatsanwälte und Richter uns auf einen Pfad der Zerstörung führen", bewusstgemacht, so Trump.

Blumen und Kränze in Andenken an Alexej Nawalny. 
In Berlin versammelten sich die Menschen nach Nawalnys Tod zu Solidaritätsbekundungen.
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Nawalnys Witwe in Brüssel

Unterdessen haben die Mutter und die Anwälte nach Angaben der Sprecherin des Oppositionellen weiter keinen Zugang zur Leiche des 47-Jährigen. Am Montag in der Früh seien Alexejs Mutter Ljudmila Nawalnaja und die Anwälte nicht in die Leichenhalle in der nordrussischen Stadt Salechard gelassen worden. "Auf die Frage, ob sich dort Alexejs Körper befindet, antworten die Mitarbeiter nicht", so Kira Jarmysch auf X.

Angehörige und das Team Nawalnys fordern den russischen Machtapparat seit Tagen zur Herausgabe der Leiche auf. Nach offiziellen Angaben war der Gegner Putins am Freitag im Straflager gestorben. "Im Ermittlungskomitee wurde der Mutter und den Anwälten gesagt, dass die Untersuchung des Todes Nawalnys verlängert wurde. Wie lange sie noch dauert, ist nicht bekannt", teilte Jarmysch mit. "Die Gründe des Todes sind immer noch nicht festgestellt." Nawalnys Team macht Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich und wirft den Behörden Verzögerungstaktik vor.

Die Witwe des russischen Oppositionsführers war am Montag zum EU-Außenministertreffen in Brüssel eingeladen. Sie hatte am Vorabend erstmals seit dem Tod ihres Mannes auf Instagram einen Beitrag abgesetzt – ein Foto, auf dem Nawalny sie liebkoste und mit den Worten "Ich liebe dich". Tausende Menschen sprachen in Kommentaren Julija Nawalnaja Mut zu und wünschten ihr Kraft. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.

13. Sanktionspaket der EU

Beim Außenministertreffen stehen der zweite Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die kontinuierliche Unterstützung der EU ganz oben auf der Agenda. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärte vor dem Treffen, sehr für konkrete Sanktionen im Zusammenhang mit Nawalnys Tod zu sein. Er forderte Sanktionen betreffend Personen, die für Nawalnys Leben verantwortlich waren. Auch seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock trat für weitere Sanktionsmaßnahmen ein.

Die EU steht kurz davor, ihr 13. Sanktionspaket gegen Russland zu schnüren. Dieses wird für Ende kommender Woche erwartet – rechtzeitig zum zweiten Jahrestag des Angriffs am 24. Februar.

Verhaftungen bei Gedenkveranstaltungen

Nach dem Tod des Kreml-Gegners haben russische Gerichte in Eilverfahren bisher mehr als 200 Strafen gegen die an spontanen Gedenken teilnehmenden Trauernden verhängt. Allein in St. Petersburg ordneten die Gerichte der Millionenmetropole gegen 199 Menschen Arrest oder Geldstrafen an, auch in der russischen Hauptstadt Moskau gab es mehrere solcher administrativen Strafen. In St. Petersburg kamen mehr als 154 Menschen in eine Arrestzelle, die meisten für mehrere Tage.

Blumenniederlegung in St. Petersburg
In zahlreichen russischen Städten versammelten sich Menschen zum Gedenken an Nawalny.
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Viele Menschen legten an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Behörden versuchten weiter, die spontanen Gedenkstätten zu zerstören, Blumen wurden in Müllsäcke gestopft und abtransportiert. Auch westliche Botschafter legten in Moskau gegenüber der Geheimdienstzentrale an der Lubjanka Blumen nieder und erinnerten an Nawalnys mutigen Widerstand gegen Putin.

Der russische Präsident, der in einem Monat wiedergewählt werden will, hat sich bisher nicht zum Tod seines schärfsten Gegners geäußert. Nawalny war im Straflager IK-3 nördlich des Polarkreises in Charp in der Region Jamal-Nenzen, etwa 1.900 Kilometer nordöstlich von Moskau, inhaftiert. Der nach vielen Tagen in immer wieder angeordneter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang im nordsibirischen Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos.

"Als Alexejs Anwalt und seine Mutter heute Morgen in der Kolonie ankamen, wurde ihnen mitgeteilt, dass die Ursache für Nawalnys Tod das plötzliche Todessyndrom war", sagte Iwan Schdanow, Leiter von Nawalnys Antikorruptionsstiftung, am Samstag. "Plötzliches Todessyndrom" ist ein vager Begriff für verschiedene Herzsyndrome, die zu plötzlichem Herzstillstand und Tod führen. Eine nicht identifizierte Quelle sagte dem staatlichen Sender RT, dass Nawalny an einem Blutgerinnsel gestorben sei. (APA, red, 19.2.2024)