Hand, die eine Maske hält
Aufklärung rund um Covid ist weiter wichtig, das Gesundheitsbewusstsein in Österreich ist nämlich eher schlecht vorbereitet. Wichtig seien Kampagnen jetzt, nicht erst wenn die Zahlen wieder steigen, sagt ein Experte.
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Die Covid-Infektionszahlen sind derzeit vergleichsweise niedrig, zumindest zeigen das die recht verlässlichen Abwasserdaten (genauer kann man das hier studieren). Trotzdem könne man sich nicht entspannt zurücklehnen. Das betont der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien. Man müsse sich auf den nächsten Anstieg vorbereiten, er fordert eine Informationskampagne zu möglichen Covid-Langzeitfolgen und zur Auffrischungsimpfung von der Regierung.

Eberl, der unter anderem für das Austrian Corona Panel (ACPP) am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) mitverantwortlich ist, pocht drauf, diese Vorbereitungsmaßnahmen, auch im Sinne aktiver Gesundheitskommunikation, bereits jetzt einzuleiten. Die Politik dürfe nicht zuwarten, bis die Infektionszahlen wieder steigen. Denn dann könnten die Verantwortungsträger erneut nur zu spät oder gar nicht mehr reagieren.

Man müsse sich demnach als politischer Entscheidungsträger immer auf das "möglicherweise schlechtere Szenario" vorbereiten. "Das Prinzip Hoffnung darf nicht zu solchen Situationen führen, dass man die Pandemie für beendet erklärt oder von einem 'Sommer wie damals' spricht", sagt Eberl mit Blick auf mehrfache Fehleinschätzungen der Situation durch politische Entscheidungsträger.

Große Mehrheit ansprechen

So wäre es etwa wichtig, Bürgerinnen und Bürger zeitgerecht über die Sinnhaftigkeit von Auffrischungsimpfungen aufzuklären und über die Möglichkeiten dazu zu informieren. Aussagen von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) Ende des vergangenen Jahres, wonach große Impfkampagnen "nicht wirklich etwas bewegen", will Eberl so nicht stehen lassen: Aus der Kommunikationsforschung sei zwar tatsächlich bekannt, dass Informationskampagnen "keinen großen überzeugenden Effekt" haben. "Es ist eher unwahrscheinlich, dass man impfskeptische Menschen im vierten Jahr der Pandemie noch von einer anderen Position überzeugt", sagt Eberl.

Kampagnen seien aber wichtig für die große Mehrheit der Bevölkerung, die den Großteil der Maßnahmen mitgetragen hat. "Da geht es um Mobilisierungseffekte, also darum, jene Personen, die grundsätzlich empfänglich sind, auch tatsächlich zu motivieren." Eberl verweist in dem Zusammenhang auf eine Studie zur "Impfmüdigkeit", publiziert im Fachjournal Nature, an der er beteiligt war.

Es sei nicht selbstverständlich, dass sich Mehrfachgeimpfte weiterhin eine Auffrischungsimpfung holen, wenn man sie nicht gezielt anspreche. Das betreffe auch Risikogruppen. Die sehr niedrige Durchimpfungsrate beim aktuellen Covid-Impfstoff betrachtet Eberl als "extrem problematisch".

Vorbildwirkung der Politik

Eberl befürwortet auch neuerliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen von FFP2-Masken, sollten die Zahlen erneut stark steigen. Da sei auch die Vorbildwirkung der Politik wichtig: "Es wäre gut, wenn Politiker nicht hustend zu Pressekonferenzen kämen."

Vermitteln sollte die Politik auch jetzt schon die Notwendigkeit von baulichen Maßnahmen wie dem Einbau von Belüftungsanlagen bzw. dem Aufstellen von Luftreinigungsgeräten. Es gehe darum, bei Drehscheiben im Infektionsgeschehen wie Schulen sicherzustellen, "dass die Infrastruktur vorhanden ist, aber auch das Wissen und Verständnis, wie man diese Infrastruktur handhabt".

Zu wenig Gesundheitskompetenz

Tatsächlich könne man nicht davon ausgehen, dass die Bevölkerung einen hohen Informationsstand zum Thema Covid habe, etwa zu Auffrischungsimpfungen. Eberl betont: "Die 'Health Literacy', also die Gesundheitskompetenz, ist in Österreich besonders niedrig. Auch da könnte man mit Informationskampagnen und dem Verweis auf relevante Anlaufstellen einen wichtigen Grundstein legen."

Wichtig sei auch, dass Verantwortungsträger mehr auf ihre Wortwahl und deren Folgen in der Öffentlichkeit Bedacht nehmen. Verharmlosende Begriffe wie "Atemwegserkrankung", "Immunisierung durch Infektion", "mild" oder "Pandemieende" sollten reflektiert werden. Denn diese könnten, auch unbeabsichtigt, zur falschen Annahmen führen, das Coronavirus bzw. die Gefahr durch dieses sei mittlerweile gebannt.

Tragische Langzeitfolgen

Vor allem der Fokus auf Langzeitfolgen einer Corona-Infektion sei wichtig. Eberl fordert eine Informationskampagne zu Long Covid und dass verstärkt darüber aufgeklärt wird, dass Covid eine Multiorganerkrankung ist, die auch das Hirn selbst angreift. Insgesamt habe sich der öffentliche Diskurs von der Botschaft "Die Maßnahmen haben Leben gerettet" verschoben hin zu "Die Maßnahmen waren belastend".

Vorbereitende Maßnahmen wie Investitionen in saubere Luft oder in das Vertrauen in Gesundheitsmaßnahmen würden sich in ihrer positiven Wirkung dabei ja nicht nur auf Covid beschränken. Das würde vielmehr die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt verbessern, Krankenstände reduzieren und auch Kosten im Gesundheitssystem einsparen.

Als Beispiel für fehlende Kommunikation nennt Eberl die aktuellen Masernfälle in Österreich und die zu niedrige Impfrate vor allem bei Kleinkindern: "Die verheerende Gesundheitskommunikation der letzten Jahre trägt auch dazu bei, dass das Vertrauen in andere Präventionsmaßnahmen wie auch andere Impfungen sinkt." Man habe den Impfgegnern und Impfgegnerinnen "quasi das Spielfeld überlassen, insbesondere in den sozialen Medien, und das nicht nur bei Covid, sondern auch bei Influenza und Masern". (APA, red, 19.2.2024)