Soziologe Steffen Mau zur gesellschaftlichen Spaltung.
Soziologe Steffen Mau zur gesellschaftlichen Spaltung.
Screenshot; ORF-TVThek

Hurra! Unsere Gesellschaft ist gar nicht so gespalten – nur ihre Ränder sind radikalisiert. Zu diesem Urteil kommt man, wenn man dem Soziologen Steffen Mau, der an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, in der "ZiB 2" am Montagabend zuhört. Im vergangenen Herbst hat er das in einer großangelegten Studie gemeinsam Thomas Lux und Linus Westheuser herausgefunden. "Triggerpunkte" heißt das daraus entstandene Buch; im Großen und Ganzen sind wir uns als Gesellschaft also oft einig, aber einige wenige Triggerthemen seien es, die uns in hysterische Aufgeregtheit versetzen und zur Fehldiagnose Polarisierung führen.

Kamele und Dromedare

"Wenn die Gesellschaft nicht so polarisiert ist, warum fühlt es sich dann im Alltag oft so an?", will Armin Wolf wissen, und der Soziologe entführt uns auf eine metaphorische Expedition ins Tierreich. Für uns würde es so wirken, als ob wir in einer Kamel-Gesellschaft leben: zwei Höcker, dazwischen ein Tal, das sind die zwei gesellschaftlichen Lager. Aber wenn man sich eigentlich die empirischen Daten ansieht, so Mau, leben wir in einer Dromedar-Gesellschaft. Die meisten Leute sind in der Mitte gruppiert, rund um die Ränder flacht es ab.

ZIB 2: Soziologe Steffen Mau zur gesellschaftlichen Spaltung
ORF

Der Soziologe unterscheidet zwei Ebenen: den politischen Konfliktraum und die Gesellschaft selbst. Auf der politischen Ebene, da würden eben Konflikte zugespitzt werden, die Akteure akzentuieren polarisierende Themen wie das Gendersternchen oder Migration und emotionalisieren die Gesellschaft. Ein klarer Fortschrittsbegriff fehle der Politik, und deswegen seien die Wähler erschöpft. Wie die Parteien damit umgehen sollen, das weiß Steffen Mau selbst noch nicht. Hoffentlich findet er es heraus. (Jakob Thaller, 20.2.2024)