Eigentlich wären Brücken ja dazu da, Menschen miteinander zu verbinden. Doch zumindest eine Brücke im tiefen Süden Italiens entzweit Befürworter und Gegner seit Jahrzehnten: die Brücke über die Straße bzw. Meerenge von Messina. Sie soll das italienische Festland mit Sizilien und seinen fünf Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen verbinden. Die Idee beschäftigt die italienische Politik seit den Zeiten Garibaldis im 19. Jahrhundert. Mehrere Ministerpräsidenten – Bettino Craxi, Silvio Berlusconi, Romano Prodi – hatten den Bau versprochen und, im Fall des 2023 verstorbenen Berlusconi, auch "definitive Bauprojekte" vorgelegt und imaginäre Grundsteine gelegt. Mehr als eine Milliarde Euro wurden auf Kosten der Steuerzahler auf diese Weise schon verplant. Aber gebaut wurde nie etwas.

Jetzt unternimmt die Rechtsregierung von Giorgia Meloni einen neuen Anlauf – und dass ausgerechnet Lega-Chef und Infrastrukturminister Matteo Salvini, der polarisierende Scharfmacher vom rechten Rand, sich das Projekt auf seine Fahne geschrieben hat, trägt wenig zum Frieden bei. Umwelt- und Landschaftsschützer sowie ein Teil der italienischen Linken waren schon immer gegen das "pharaonische und unnütze" Bauwerk. Nun versucht die Opposition rund um die sozialdemokratische PD-Chefin Elly Schlein das Projekt mit juristischen Mitteln zu stoppen: Der PD, die Grünen und die kleine Linkspartei Sinistra Italiana haben eine Anzeige wegen "Intransparenz bei der Projektierung" eingereicht. Die Staatsanwaltschaft Rom hat ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet.

Wo seit jeher nur Schiffe die Städte Reggio Calabria und Messina miteinander verbinden, soll bald einmal eine Brücke diesen Dienst erledigen.
Wo seit jeher nur Schiffe die Städte Reggio Calabria und Messina miteinander verbinden, soll bald einmal eine Brücke diesen Dienst erledigen.
REUTERS/Tony Gentile

Konkret bemängelt Grünen-Chef Angelo Bonelli, dass sich die für die Planung und den Bau der Brücke zuständige Gesellschaft Stretto di Messina S.p.A. trotz dreimaliger Anfrage geweigert habe, Planungsunterlagen vorzulegen. Damit werde die Kontrolltätigkeit der Parteien verhindert – und das bei einem Projekt, das den Staat 13,5 Milliarden Euro kosten und zur größten Baustelle Europas würde.

Mit einer Spannweite von 3,3 Kilometern zwischen den beiden fast 400 Meter hohen Pfeilern wäre der "Ponte di Messina" die längste Hängebrücke der Welt – dreimal länger als die Golden Gate Bridge in San Francisco und mehr als einen Kilometer länger als die bisher längste Hängebrücke weltweit, die im März 2022 eingeweihte Çanakkale-1915-Brücke über die Dardanellen in der Türkei. Diese weist eine Spannweite von 2.023 Metern auf.

Die Geheimnistuerei rund um die Planungsunterlagen nährt die seit längerem bestehenden Zweifel daran, ob das Jahrhundertbauwerk technisch überhaupt realisierbar ist. Zwar beeindrucken die Betreibergesellschaft und der Generalunternehmer Eurolink die Öffentlichkeit alle paar Wochen mit neuen, spektakulären 3D-Modellen und Video-Animationen; aber namhafte Ingenieure weisen darauf hin, dass die Stretto di Messina S.p.A. bisher kein Ausführungsprojekt vorgelegt habe. Und erst ein solches würde aufzeigen, wie die zahlreichen technischen Schwierigkeiten eines solchen Bauwerks gemeistert werden könnten.

Geplanntes Brückenprojekt zwischen Sizilien und Kalabrien
Geplanntes Brückenprojekt zwischen Sizilien und Kalabrien.

Die Zweifel bezüglich der technischen Machbarkeit werden verstärkt durch den Umstand, dass die von Salvini vorgegebene Marschtabelle für den Brückenbau bereits überholt ist. Im Herbst 2022, kurz nach dem Wahlsieg der Rechtskoalition, hatte er den Baubeginn für das Frühjahr 2023 in Aussicht gestellt. Ein knappes Jahr später ist von Baumaschinen aber nichts zu sehen, weder auf der sizilianischen noch auf der kalabrischen Seite der Meerenge. Nun soll die Grundsteinlegung "spätestens Ende 2024" erfolgen und der Bau bis 2032 abgeschlossen sein. Von den Justizermittlungen lässt sich der Transportminister nicht beeindrucken: "Die Italiener haben ein Recht auf die Brücke. Sie wird Millionen von Sizilianern mit dem Festland verbinden und schnellere und umweltfreundlichere Reisen auf die Insel ermöglichen", betonte Salvini. Er werde sich nicht stoppen lassen, weder vor der Linken noch vor den Richtern. (Dominik Straub aus Rom, 22.2.2024)